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DILJA/1300: Pakistan - Der drohende Tod von Millionen Flutopfern als Kriegswaffe (SB)


Das Überleben von bis zu 20 Millionen pakistanischen Flutopfern ist nicht gesichert

Die EU schlägt angesichtsdessen eine "Geberkonferenz" für den "langfristigen Wiederaufbau" des Landes vor


Nimmt man die Stellungnahmen, Appelle, Warnungen und Lagebeurteilungen internationaler, in Pakistan angesichts der akuten Überschwemmungskatastrophe tätiger Hilfsorganisationen zusammen, stellt sich zumindest eines unmißverständlich heraus: Von einer funktionierenden Nothilfe, die auch nur annäherungsweise zu leisten imstande wäre, was sie zu versprechen vorgibt, nämlich die nackte Überlebensnot von Millionen pakistanischer Flutopfer zu beheben oder doch zumindest in einem großen Umfang zu lindern, kann nicht die Rede sein. Was den Menschen in Pakistan droht, und zwar so akut, wie eine solche Katastrophe nur akut sein kann, ist ein Massensterben von kaum schätzbarem Ausmaß. Wie der pakistanische Ministerpräsident Jusuf Raza Gilani am vergangenen Wochenende in einer vom Fernsehen übertragenen Rede zur Lage der Nation erklärte, sind 20 Millionen Menschen von der Flutkatastrophe betroffen.

Bereits jetzt steht ein Fünftel der gesamten Fläche Pakistans unter Wasser. Da die Wassermassen auf ihrem verhängnisvollen Weg in den Süden des Landes jedoch weitere Gebiete verwüsten und immer mehr Menschen in die Flucht treiben, muß davon ausgegangen werden, daß die größte Flut, von der Pakistan in seiner 63jährigen bisherigen Geschichte je betroffen wurde, ihr Zerstörungswerk noch nicht einmal vollendet hat. In dem schlicht anmutenden Satz "Für Millionen fehlt vor allem sauberes Trinkwasser" [1] verbirgt sich eine Situation, die angemessen zu beschreiben die gemeinhin üblichen sprachlich-journalistischen Mittel schnell überbeansprucht. Durch den Mangel bzw. das völlige Fehlen jeglichen Trinkwassers sind die pakistanischen Flutflüchtlinge gezwungen, kontaminiertes Flußwasser zu trinken - mit absehbar tödlichen Folgen infolge von Krankheiten, die medizinisch in ausreichenden Mengen zu behandeln in einer solchen Lage ebensowenig möglich ist wie die Versorgung der notleidenden und in ihrem nackten Überleben akut bedrohten Menschen mit Wasser und Lebensmitteln.

Diese Katastrophe wäre angesichts dessen, daß Wassermassen in nie gekanntem Ausmaß ein Land verwüsten und dessen Bevölkerung zu einem großen Teil (20 von 170 Millionen) obdachlos machen, schon weitaus schlimmer, als es irgendein Mensch oder Staat einem anderen wünschen könnte. Ihre Auswirkungen werden jedoch noch durch eine politische Haltung der sogenannten internationalen Gemeinschaft verschärft, die nur plausibel gemacht werden kann unter der Annahme, daß bei der angeblich von rein humanitären Gesichtspunkten bestimmten Nothilfe sowie den sogenannten Wiederaufbaubemühungen strategische und taktische Absichten und Manöver zum Tragen kommen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang zu dem von einer westlichen Staatengemeinschaft gegen das benachbarte Afghanistan geführten Krieg stehen, der - wenn auch nur inoffiziell - auf das mit den USA verbündete Pakistan längst ausgeweitet worden ist.

Am Mittwoch vergangener Woche hatten die Vereinten Nationen die internationale Gemeinschaft aufgefordert, 459 Millionen US-Dollar als Soforthilfe für die Flutopfer bereitzustellen. Es sei einmal dahingestellt, ob dieser Betrag, wie von den Vereinten Nationen angenommen, tatsächlich ausgereicht hätte, um die gefährdeten Menschen in Pakistan mit Notunterkünften, sauberem Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Eine Woche später (!) war jedoch erst die Hälfte dieses als dringendsten Spendenbedarf ausgewiesenen Betrages eingegangen. "Der Bedarf ist gewaltig und die Flut noch nicht vorbei", mahnte Maurizio Giuliano, ein Sprecher der Vereinten Nationen, und erklärte, daß die Spender "endlich das Ausmaß der Katastrophe" begreifen würden. Dies mag für private Spender in den westlichen Ländern durchaus zutreffen, ändert jedoch nichts an der, gelinde gesagt, auffälligen Zurückhaltung der reichsten Industriestaaten der Erde angesichts einer humanitären Katastrophe, von der bereits jetzt mehr Menschen betroffen sind als bei den größten Naturkatastrophen der letzten Jahre - Tsunami 2004, Erdbeben in Kaschmir 2005 und in Haiti - zusammengenommen.

Nach Angaben von Martin Mogwanja, dem UN-Koordinator für die Hilfsmaßnahmen in Pakistan, sind von der seitens der UN geforderten Soforthilfe nur 195 abgedeckt. Pro Kopf stehen den Hilfsorganisationen damit für die Flüchtlinge nur 3,20 Dollar zu Verfügung. Zum Vergleich: Bei der Haiti-Hilfe, die allerdings keineswegs in dem versprochenen Ausmaß geleistet wurde, standen zu einem vergleichbaren Zeitpunkt rechnerisch 495 Dollar pro Kopf zur Verfügung. Der Verdacht, daß die Weltgemeinschaft, als welche sich die führenden westlichen Staaten gern verstanden sehen wollen, gar nicht daran interessiert ist, alles ihr Mögliche zu tun, um das Überleben der Millionen Flutopfer Pakistans sicherzustellen und sie beim Wiederaufbau eines so weitgehend verwüsteten Landes tatkräftig zu unterstützen, läßt sich keineswegs ausräumen.

So mutet es geradezu seltsam oder zynisch an, wenn die EU eine "Geberkonferenz" vorschlägt zu dem Zweck, "die benötigten großen Geldsummen für den langfristigen Wiederaufbau des Landes zusammenzubekommen" [1]. In einer Situation, in der sich Millionen Pakistaner ohne Trinkwasser in unmittelbarer wie mittelbarer Lebensgefahr befinden, will die Europäische Union Gelder für den langfristigen Wiederaufbau, wie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag erklärte, sammeln. Doch auch die Katastrophenhilfe der EU, so stellte Barroso in Aussicht, solle anstelle der bisherigen 40 Millionen Euro spürbar erhöht werden.

Die deutsche Bundesregierung hat zunächst 15 Millionen Euro an staatlicher Nothilfe zugesagt, zeigte sich jedoch, nachdem internationale Hilfsorganisationen den allzu spärlichen Fluß der Hilfsgelder öffentlich kritisiert hatten, bereit, diese (nachgerade lächerliche Summe, stellt man sie in Beziehung zu den Milliarden, die die Kriegführung des Westens im benachbarten Afghanistan verschlingt) zu erhöhen. "Die derzeitige Soforthilfe von 15 Millionen Euro sind nicht das letzte Wort", ließ der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), wissen [2]. Das Gefeilsche darüber, ob Deutschland sich mit 15, 20 oder mehr Millionen Euro an einer Sofort- und Nothilfe beteiligen will, die längst keine mehr ist, weil "sofort" schon vorbei und die Not so groß ist, daß Kinder schon verhungert sind, wird nichts an dem Eindruck zu ändern vermögen, den diese "Hilfe" bei den Menschen in Pakistan wie auch der islamischen Welt insgesamt erzeugen muß.

Hinzu kommt die "Militarisierung" der Flutopferhilfe durch die westlichen Staaten. So wird in den westlichen Medien der Eindruck erweckt, das primäre Problem seien die unzureichenden Transportmöglichkeiten ganz so, als ob tatsächlich Notzelte, Trinkwasser und Lebensmittel für die seitens der Vereinten Nation in einer jüngsten Schätzung auf mindestens vier Millionen bezifferten obdachlosen Flutopfer bereitstünden und lediglich nicht schnell genug dahin gebracht werden können, wo sie so dringend benötigt werden. Gegenüber der Osnabrücker Zeitung unterstrich der CDU-Außenpolitiker Polenz die Notwendigkeit, zur Lösung des Transportproblems "militärische Kapazitäten" zu berücksichtigen, um die "logistischen Herausforderungen" lösen zu können. Polenz erklärte: "Wir haben in Haiti oder beim Tsunami bereits erleben müssen, dass nur die Vereinigten Staaten in der Lage waren, dank ausreichender Transportkapazitäten unmittelbar Soforthilfe leisten zu können."

Seitens der in Pakistan tätigen Katastrophenhelfer wird diese Problemanalyse nicht unbedingt geteilt. So haben Hilfsorganisationen den überaus spärlichen Geldfluß kritisiert. So erklärte beispielsweise der Pressesprecher von CARE Deutschland, Thomas Schwarz, gegenüber afp [2]: "Die Dimension dieses Desasters ist so groß, dass die bisher eingetroffene Hilfe vorn und hinten nicht reicht." Sollte ihm entgangen sein, daß, wie Polenz und andere nahezulegen suchen, die desaströse Lage auf ein logistisches Problem zurückzuführen ist? Wohl kaum. Schwarz ist seit Anfang August in den Flutregionen Pakistans engagiert, wo bereits eine "Mischung aus Verzweiflung und Apathie" herrsche.

"Wir können nicht noch länger warten, bis weitere Kinder verhungern" [2], mahnte der Vorsitzende von CARE Deutschland und forderte die reichen Länder auf, deutlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen für die Flutopfer Pakistans. Schwarz kritisierte zudem, daß bei der Diskussion um Hilfsgelder sehr oft von radikalislamischen Taliban und Terrorismus die Rede sei und machte seinen Standpunkt dazu deutlich mit den Worten: "Es muss keine politischen Gründe geben, um Hilfe zu leisten." [2] Der deutsche Helfer berief sich zur Begründung auf das Menschenrecht auf Nahrung sowie eine Verpflichtung zur Solidarität.

Ein solches humanitäres Bewußtsein wird bei vielen Helfern vorherrschen, die oftmals bis über die Grenzen ihrer eigenen Belastbarkeit hinaus bemüht sind, die extreme Not der Menschen in Pakistan zu lindern, so recht und schlecht wie es ihnen anhand der mangelhaften Versorgungslage möglich ist. Es kommt einer logistischen Kraftanstrengung gleich, in den oft schwer zugänglichen Hochwasserregionen 500.000 Menschen mit dem Lebensnotwendigsten versorgt zu haben. Doch da mindestens sechs Millionen Pakistaner auf Überlebenshilfen angewiesen sind, ist in den betroffenen Gebieten bereits ein furchtbarer Kampf um die wenigen Lebensmittel entbrannt.

So soll es nach Angaben des österreichischen Kuriers [3] bei den Hilfskonvois immer wieder zu Prügeleien kommen, weil Hungernde sich um die wenigen Säcke Reis schlagen. Viele Flutopfer seien mit Stöcken bewaffnet, um die wenigen Lebensmittel, die sie ergattern konnten, vor den Angriffen anderer zu schützen. Unter den gegebenen Verhältnissen ist damit ein Sozialkrieg entbrannt, der die häßlichsten Seiten im Menschen zu Tage fördert, und überleben werden unter diesen Voraussetzungen nur die Stärksten. Längst wurde bekannt, daß Kinder an Unterernährung und Durchfallerkrankungen bereits gestorben sind. Nach UN-Angaben befinden sich 3,5 Millionen Kinder in akuter Gefahr, weil sie von tödlichen Infektionskrankheiten bedroht sind.

Machen Schreckensmeldungen dieser Art, unterstützt durch aufwühlende Bilder, in der westlichen Welt erst einmal die Runde, wird das Spendenaufkommen, wie bereits erkennbar, mehr und mehr anwachsen. Doch zugleich wird einer weiteren Militarisierung der sogenannten Nothilfe Vorschub geleistet, weil sich gegenüber den Bevölkerungen der NATO-Staaten plausibel begründen lassen wird, daß die Verteilung der Hilfsgüter am besten durch militärische Kräfte organisiert wird - zum Vorteil der notleidenden Menschen, die sich andernfalls in einem Kampf jeder gegen jeden gegenseitig zerfleischen würden. Dies stellt eine vorgeschützte Argumentation dar. Die gewaltsamen Proteste der Flutopfer entzünden sich daran, daß die Menschen sich - auch von ihrer eigenen Regierung - im Stich gelassen fühlen. Je stärker nun militärische Kräfte, sei es der pakistanischen Armee oder gar ausländischer Staaten, in die praktische Nothilfe eingebunden werden, umso mehr gewinnt die damit scheinbar wie im nebenherein installierte Aufstandsbekämpfung zuungunsten der tatsächlichen humanitären Unterstützung an Stellenwert.

Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß zumindest die USA ihren Afghanistankrieg längst auf das Territorium ihres eigenen pakistanischen Verbündeten ausgeweitet haben und in diesem eher stillen Krieg nicht einmal angesichts der akuten Katastrophe, ausgelöst durch eine in Pakistan nie dagewesene "Jahrhundertflut", eine Bombardierungspause einzulegen bereit sind. So hat die US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton am vergangenen Samstag mit dem pakistanischen Präsidenten Asif Ali Sardari telefonisch über US-Hilfen für die Flutopfer gesprochen. Doch noch am selben Abend soll ein Dorf in Nordwest-Pakistan von der US-Luftwaffe bombardiert worden sein, weil das amerikanische Militär dort ein Versteck der Taliban vermutet habe. Ein solches Vorgehen stellt aus Sicht vieler Menschen eine Katastrophe dar. Schafi Naqi Jamie, Leiter des pakistanischsprachigen BBC-Dienstes in Islamabad, kommentierte dies mit den Worten [4]: "Noch in zweihundert Jahren wird ein Paschtune auf einem Berg stehen und seinem Sohn erklären, dass die Amerikaner während der großen Flut des Jahres 2010 die Dörfer bombardierten und man nun die Urururgroßväter rächen müsse."

Mit Stellungnahmen dieser Art wird das Vorgehen der westlichen Staaten kritisiert, aber auch, was wiederum in deren Interesse liegen dürfte, die Dämonisierung des Kriegsgegners aufrechterhalten selbst in Zeiten größter humanitärer Not. Was läge näher, als sich um einen Waffenstillstand zu bemühen, um wenn nicht mit gebündelten, so doch zumindest mit einander nicht behindernden Kräften beider Seiten zu versuchen, das Überleben der Millionen Flutopfer sicherzustellen? Welch eine naive Frage. Der Krieg in "Afpak", wie die US-Streitkräfte ihn wegen seiner Ausweitung von Afghanistan auf Pakistan längst der Kürze halber nennen, wird seitens der westlichen wie auch der pakistanischen Streitkräfte mit kaum verminderter Intensität weitergeführt. So versicherte ein Sprecher der pakistanischen Armee, Major-General Athas Abbas, daß der Einsatz der eigenen Truppen im Kampf gegen die Militanten wegen der Flutkatastrophe nicht beeinträchtigt werde [5]. Von einer Armee mit 550.000 Soldaten werden 60.000 als Katastrophenhelfer eingesetzt.

In den USA ist inzwischen in aller Offenheit von einem "Kampf um die Herzen" [6] die Rede, den die amerikanische und die pakistanische Regierung nicht verlieren dürften. Dies zielt auf bzw. gegen die humanitäre Hilfe, die die pakistanischen Taliban und andere, westlicherseits den Kriegsgegnern zugeordnete Organisationen ihren Landsleuten leisten. Sie waren vielfach die Retter der ersten Stunde, doch nach drei Wochen Flut und Fluthilfe gehen ihnen, so zumindest ist es westlichen Medien zu entnehmen, die Mittel aus. Was der "Kampf um die Herzen" in einer solchen Situation, in der das Leben und Überleben einer so großen Anzahl von Menschen, daß man sich eigentlich gar keinen Begriff davon machen kann, akut bedroht ist, bedeuten könnte, wenn die (völlig unzureichenden) Hilfsbemühungen auch noch dem Kriegsgeschehen nachgeordnet werden, läßt sich aus folgender Passage aus einem in der Zeit erschienenen Artikel entnehmen [7]:

Pakistan ist ein islamischer Staat mit einer zutiefst religiösen Gesellschaft. Dass auch die einheimischen Hilfsorganisationen religiös motiviert sind, muss niemanden wundern. Aber es sind nicht der Rote Halbmond oder moderate NGOs, die seit Wochen in Khyber Pakhtunkhwa die Hilfseinsätze dominieren. Es sind die Radikalen. Und um einen Eindruck von ihrer Präsenz zu bekommen, muss man nur östlich von Peschawar die dicht besiedelten Distrikte Nowschera und Charsadda besuchen. Gebiete mit Hunderttausenden von Flutopfern, die alles verloren haben: Haus, Vieh und Ernte. (...)

Nach mehreren Tagen und Nächten kamen Freiwillige der Falah-e-Insaniyat in Holzbooten und brachten Essen und Trinkwasser. Falah-e-Insaniyat ist der politische Arm der Terrorgruppe Laskar-e-Taiba, die für die Anschläge in Mumbai im November 2008 verantwortlich gemacht wird.

"Von der Regierung haben wir bis heute nichts bekommen", sagt Gulhabib. Auch nicht von internationalen Hilfsorganisationen. Er hat sich jetzt den Helfern der Falah-e-Insaniyat angeschlossen. Deren Vizepräsident sitzt ein paar Meter weiter unter einem Zeltdach. Mian Adil ist gekommen, um sich vor Ort einen Eindruck von den Hilfsleistungen seiner Gruppe zu verschaffen und redet wie ein Sprecher der Vereinten Nationen. "Wir brauchen mehr Essen, mehr Zelte und mehr Medikamente für die Kinder. Viele haben jetzt Hautausschläge vom Flutwasser."

Der hier erwähnte Distrikt Nowschera ist verkehrstechnisch keineswegs abgelegen. In eineinhalb Stunden ist diese Region auf einer sechsspurigen Autobahn von der Hauptstadt Islamabad aus zu erreichen. Gleichwohl mußten hier "Zigtausende Menschen tagelang in Todesangst auf Hügeln und Hausdächern" hocken [1]; ihnen half "niemand außer den islamistischen Gruppen". Dieses Vorgehen hat der pakistanischen Regierung massivste Kritik in der Presse des Landes wie auch seitens einheimischer Experten eingetragen, sie wird als "unverantwortlich, inkompetent und unsensibel" bezeichnet. Als der pakistanische Präsident Asif Ali Sardari, der nach Beginn der Flutkatastrophe noch tagelang durch die Hauptstädte Europas reiste, während große Teile seines Landes bereits in den Wasserfluten versanken, sich schließlich doch noch in den Distrikt Nowschera wagte, mußte er komplett von Sicherheitskräften vor der aufgebrachten Bevölkerung geschützt werden.

Mittlerweile warnt die Weltwetterorganisation der Vereinten Nationen (WMO) vor immer gravierenderen Wetterphänomenen [8]. Die jüngsten, wetterbedingten Katastrophen wie die Hitze in Rußland und die extremen Regenfälle in Asien stünden, wie die WMO erklärte, in einem eindeutigen Zusammenhang und würden, wie auch die Erdrutsche in China sowie das Losbrechen eines riesigen Gletscherbrockens in Grönland, mit veränderten Luftströmen in der Erdatmosphäre bzw. der Blockade eines solchen Luftstroms zusammenhängen.

Unabhängig davon, ob Erklärungsversuche dieser Art stichhaltig sind oder nicht, steht zu erwarten, daß die maßgeblichen Kräfte einer längst international organisierten Mangelverwaltung die von Wissenschaftlern errechnete Zunahme solch extremer Wetterphänomene längst ernstgenommen und daraus die Schlußfolgerung gezogen haben, daß eine massive Aufstandsbekämpfung und präventive Kontrolle der großen Elendsregionen der Erde das Gebot der Stunde seien, um den Herausforderungen der womöglich nahen Zukunft in einer Weise Rechnung tragen zu können, die den privilegierten Eliten westlicher Industriestaaten zumindest für eine bestimmte Frist das Überleben sichert. Die Flutkatastrophe in Pakistan wäre dann ein nicht unwillkommener Anlaß, die Militarisierung einer solchen Elendsverwaltung voranzutreiben bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Versprechens, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die millionenfache Not zu lindern bzw. zu beheben.

Anmerkungen

[1] Flutkatastrophe. USA und Taliban buhlen um die Pakistaner, Zeit online, 18.08.2010,
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-08/pakistan-hilfsgueter

[2] Hilfsorganisationen sind enttäuscht. Polenz fordert internationale Geberkonferenz für Pakistan, Rheinische Post, 18.08.2010,
http://www.rp-online.de/panorama/ausland/Polenz-fordert-internationale-Geberkonferenz-fuer-Pakistan_aid_895303.html

[3] Pakistan: Millionen warten auf Hilfe. Die Einsatzkräfte im Katastrophengebiet sind am Limit: Die Hilfe reicht nicht für alle, hungernde Flutopfer prügeln sich um Lebensmittel, 19.08.2010, http://kurier.at/nachrichten/2024448.php

[4] Flut in Pakistan. Ein Land ertrinkt, von Georg Blume, 18.08.2010, veröffentlicht in: DIE ZEIT Nr. 34, S. 3, 19.08.2010,
http://www.zeit.de/2010/34/Pakistan?page=3

[5] Schlangen, die durch die Flut herauskommen, von Thomas Pany, telepolis, 13.08.2010,
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33130/1.html

[6] Flutkatastrophe. USA und Taliban buhlen um die Pakistaner, Zeit online, 18.08.2010,
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-08/pakistan-hilfsgueter

[7] Flut in Pakistan. Ein Land ertrinkt, von Georg Blume, 18.08.2010, veröffentlicht in: DIE ZEIT Nr. 34, S. 1, 19.08.2010,
http://www.zeit.de/2010/34/Pakistan?page=1

[8] Hochwasser Asien. Wetterphänomene in Russland und Pakistan hängen zusammen, Schweizer Fernsehen, 19.08.2010,
http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/08/19/International/Hochwasser-Asien/Wetterphaenomene-in-Russland-und-Pakistan-haengen-zusammen

19. August 2010