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AFRIKA/1827: CBP - Klimaschutz führt zur Enteignung (SB)


CBP - Carbon Benefits Project

Forscher erfassen Kohlenstoffgehalt kenianischer Böden und Wälder

Durch neue Klimaschutzmechanismen droht lokalen Gemeinschaften das Nutzungsrecht auf Wälder und andere Naturschätze entzogen zu werden


Mit bunten Tüchern, Holzperlen und anderem billigen Tand zog einst der weiße Mann nach Afrika und die in der Regel gutgläubigen Bewohner des afrikanischen Kontinents gehörig über den Tisch. Er bereicherte sich an ihren Ländereien und Naturschätzen mittels des Tauschs - der nicht zufällig eng verwandt mit dem Begriff "Täuschung" ist. Längst haben bunte Tücher und Perlen ihre Anziehungskraft verloren, die heutigen Tauschgeschäfte kommen mit anderen Namen daher. Sie tragen Akronyme wie CDM, CBP und REDD [1], doch nach wie vor geht es um Ländereien und Naturschätze, die sich im Besitz der afrikanischen Einwohner befinden, aber deren Nutzungsrecht ihnen abgekauft werden soll.

Hintergrund dieser neuen Form der Handelsbeziehung ist der Klimawandel, der seit Beginn der Industriealisierung mehr und mehr durch anthropogene Verbrennungsvorgänge bestimmt und angetrieben wird. Die Industriestaaten, zu denen von dem afrikanischen Kontinent allenfalls Südafrika gerechnet werden kann, da es mit seiner Schwerindustrie und dem Bergbau aus den übrigen Staaten Afrikas herausragt, tragen die Verantwortung für die Erderwärmung und schlagen Methoden vor, wie das globale Problem zu beheben sei. Ein alles andere als unbedeutender Mitnahmeeffekt: Durch eben diese Methoden verschieben sich Nutzungsrechte, was nichts anderes bedeutet, als daß eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse vorgenommen wird.

Am Montag, den 11. Mai, wurde im Westen Kenias das sogenannte Carbon Benefits Project (CBP) gestartet. [2] In mehreren Gemeinden am Victoriasee werden Experten unter anderem des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und des World Agroforestry Centre [3] Messungen vornehmen, wieviel Kohlenstoff in Bäumen und im Boden gespeichert werden kann, wenn das Land auf nachhaltige und klimafreundliche Weise bewirtschaftet wird. Die innerhalb der nächsten Monate gewonnenen Daten werden mit Satellitenbildern abgeglichen, so daß Referenzwerte gebildet werden können, anhand derer auch andere Weltregionen hinsichtlich ihrer Kohlenstoff-Speicherfähigkeit bewertet werden können. Ähnliche CBPs laufen bereits in China, Niger und Nigeria.

Die Ergebnisse sollen in drei Jahren im Nachfolgevertrag des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls Einfang finden. Sollten sich die Regierungen auf ein Kyoto II einigen, dann bilden die unter anderem seit gestern in Kenia erfaßten Daten die Grundlage für den Klimaschutzhandel. Vorstellbar wäre zum Beispiel, daß ein Industriestaat, der sein CO2-Reduktionsziel nicht einhält, sich dergestalt freikauft, daß er einen Wald in einem anderen Land "erwirbt". Er darf ihn zwar nicht abholzen, aber aufgrund des Vertrags dürfen es die ursprünglichen Eigentümer ebenfalls nicht. Das stellt eine Form der Enteignung dar.

Aber die Staaten bekommen auch etwas dafür, damit sie ihren Wald nicht abholzen, lautet ein naheliegender Einwand. Einige Industriestaaten sind bereit, Investitionen in Milliardenhöhe vorzunehmen, um Kohlenstoff einzufangen, bevor es durch die Schornsteine der Kraftwerke entweicht, und es unterirdisch zu lagern, will UNEP-Direktor Achim Steiner den Braten schmackhaft machen. [3] Land und Vegetation auf intelligentere und klimafreundlichere Weise zu behandeln könne Gemeinschaften, die arm sind, zu einem dringend benötigten Einkommen verhelfen.

Seit wann, bitte schön, profitieren die ärmeren Bevölkerungsschichten, wenn westliche Konzerne Verträge mit Regierungen abschließen? Hier soll nicht detailliert beschrieben werden, welche Versprechungen den Bewohnern Afrikas bereits gemacht wurden, ohne daß sie je erfüllt worden wären. Weder der Monokulturanbau der postkolonialen Jahre noch die von IWF und Weltbank verhängten Strukturanpassungsprogramme noch die Entschuldungsinitiative der G8-Staaten haben gehalten, was sie versprachen. Und auch die Millenniumsziele zur Halbierung von Armut und Hunger bis zum Jahre 2015 werden weit, weit verfehlt. Wer behauptet, daß die neuen Mechanismen des Klimaschutzes das erfüllen, was all die früheren Versprechungen zum vermeintlichen Wohle Afrikas nicht taten, versucht sich in Bauernfängerei.

Die Erfassung der Kohlenstoffspeicher und -prozesse sowie die Erforschung von Klimaschutzmethoden wird von der Global Environment Facility (GEF), einem Zusammenschluß von Regierungsinstitutionen aus 178 Ländern, Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft finanziert. Einem Schwerpunkt der Forschung ist die Kohlenstoff-Sequestrierung (Kohlenstoffbindung) gewidmet. In den Böden weltweit ist mehr Kohlenstoff gespeichert als in der Vegetation und der Atmosphäre zusammengenommen. Darum besteht nun ein Ansatz darin, den Kohlenstoff im Boden zu belassen. Das betrifft unter anderem die Art der Bewirtschaftung. Wird ein Boden tief umgepflügt, werden dabei größere Mengen Kohlenstoff freigesetzt und der Atmosphäre zugeführt, als wenn der Boden belassen wird, wie er ist. Bauern können zum Klimaschutz beitragen und sogar den CO2-Gehalt der Atmosphäre reduzieren helfen, wenn sie das Kohlenstoff-Rückhaltevermögen der Böden stärken und für eine gute Ernte sorgen, heißt es.

Bis heute liegen noch keine ausreichenden Daten vor, um die verschiedenen Techniken der Bewirtschaftung und Kohlenstofftransportwege definitiv für künftige Vertragsverhandlungen bestimmen zu können. In einer Presseerklärung schreibt die UNEP: "Diese zentrale Frage muß geklärt sein, wenn Bauern, Naturschützer, Gemeinden und Landbesitzer pro Tonne Verschmutzung, die der Atmosphäre entzogen wird, bezahlt werden sollen." [3]

Mit Hochrechnungen wie, daß Länder wie Indonesien jährlich eine Milliarde Dollar einnehmen können, wenn es es die Abholzung der Wälder um eine Million Hektar pro Jahr verringert [4], soll den Länder des Südens die Kröte schmackhaft gemacht werden, damit sie von ihnen geschluckt wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sich die Regierungen der Entwicklungsländer darauf einlassen, was dazu führen dürfte, daß sie schwere Repressionen etablieren, um die angestammte Bevölkerung von der Nutzung der Waldgebiete abzuhalten. Für diese Form des Sozialkonflikts gibt es bereits Beispiele. Menschen wurden und werden aus Gründen des Natur- oder Klimaschutzes vertrieben. Mit den zukünftigen Programmen, die sich hinter den oben genannten Akronymen verbergen, dürfte dieser Trend sogar noch weiter zunehmen.


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Anmerkungen:

[1] CDM - Clean Development Mechanism
CBP - Carbon Benefits Project
REDD - Reduced Emissions from Deforestation and forest Degradation

[2] "Kenya: Villagers to Test Out UN Carbon Benefits Project", UN News Service, 11. Mai 2009
http://allafrica.com/stories/200905111438.html

[3] Zu den am CBP beteiligten Partnern der UNEP gehören unter anderem: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), neun Entwicklungsländer, World Wildlife Fund for Nature (WWF), Colorado State University und Michigan State University, International Soil and Reference Information Centre, Overseas Development Group der University of East Anglia, Kenya Agricultural Research Institute, International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics, Asian Development Bank, Centro de Energia Nuclear na Agricultura, Macaulay Land Use Research Institute, Centre for International Forestry Research und zahlreiche örtliche Agrargemeinschaften.

[4] "Lake Victoria Communities Could Be Key to Millions of 'Climate' Dollars For Poor Around the World", Presseerklärung der UNEP, 11. Mai 2009
http://www.unep.org/Documents.Multilingual/Default.asp?DocumentID=585&ArticleID=6159&l=en

12. Mai 2009