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AFRIKA/1837: Shell wendet Klage im Fall "Ken Saro-Wiwa" ab (SB)


Der Ölkonzern Shell und der Sohn Ken Saro-Wiwas einigen sich außergerichtlich

Mutmaßliche Beweise für die Mitverantwortung des Konzerns an der Hinrichtung von Menschenrechtlern in Nigeria bleiben in der Schublade


Die Förderung von Erdöl geht stets mit gravierenden Umweltverschmutzungen einher. Ob im Golf von Mexiko, in der saudiarabischen Wüste, in der Nordsee oder im Nigerdelta, nirgendwo bleiben Förderung und Transport des Schwarzen Golds ohne negative Folgen für die Umwelt. In Nigeria kommt jedoch der besondere Umstand hinzu, daß die Förderregion relativ dicht besiedelt ist und die Einwohner von jeder Form der Erdölkontamination unmittelbar betroffen sind. Da wundert es nicht, wenn sich Bevölkerung gegen das Treiben der Konzerne zur Wehr setzt, und es wundert noch viel weniger angesichts dessen, daß sich die nigerianische Bundesregierung und die ausländischen Erdölkonzerne den saftigen Kuchen teilen, während für die Bewohner des Nigerdeltas nur ein paar Krümel abfallen. Heute kämpfen vor allem Mitglieder des Volks der Ijaw mit Waffengewalt gegen die Plünderung, im vergangenen Jahrzehnt waren es die Ogoni, die ihr Anliegen allerdings noch auf vergleichsweise harmlose Weise vortrugen.

Vor wenigen Tagen hat der britisch-niederländische Ölkonzern Shell einem außergerichtlichen Vergleich zugestimmt, wonach er eine Summe von 15,5 Millionen Dollar zahlt, um sich von seiner mutmaßlichen Beteiligung an der Hinrichtung des Menschenrechtsanwalts und Schriftstellers Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter von der Bewegung MOSOP (Movement for the Survival of the Ogoni People) im Jahre 1995 freizukaufen. Der Konzern vertritt weiterhin den Standpunkt, daß ihm keine Schuld anzulasten ist [1], wohingegen die Kläger, respektive der Sohn Saro-Wiwas, angeblich jede Menge Beweise für die Kumpanei des Konzerns mit der damaligen Militärregierung Nigerias vorlegen können. [2]

Nun hat also Shell nach vierzehn Jahren Ermittlungsarbeit eingelenkt. Aus naheliegenden Gründen, denn in wenigen Tagen sollte vor einem Gericht des Southern District von New York ein Verfahren gegen den Konzern eröffnet werden, in dem die Hinterbliebenen der Opfer die indirekte Beteiligung Shells an den Hinrichtungen beweisen wollten. Es ist anzunehmen, daß es dem Unternehmen, das schon einige unliebsame Erfahrungen mit Imagekampagnen gesammelt hat - am bekanntesten ist der Boykott von Shell-Tankstellen wegen der geplanten Versenkung des schwimmenden Öltanks Brent Spar 1995 in der Nordsee - und umgekehrt um Verbesserung seines Rufs bemüht ist ("Wir werden uns bessern"), mit einer Zahlung von 15,5 Mio. Dollar keinen schlechten Deal gemacht hat. Ein Ausfechten des Rechtsstreits hätte ihn womöglich einiges mehr gekostet.

"Mit dieser Geste erkennen wir an, dass die Kläger und andere gelitten haben, auch wenn Shell an der Gewalt nicht beteiligt war", schlug Malcom Brinded von der Shell-Konzernleitung einen kreideweichen Ton an. [3]

Zur Versöhnung soll es vermutlich deshalb kommen, weil Shell noch einige Projekte in Nigeria angestoßen hat, um an das Schwarze Gold heranzukommen. Dazu kann auf die Kooperation der örtlichen Bevölkerung nicht verzichtet werden, da die zahlreichen Fördereinrichtungen - im Nigerdelta wurden allein rund 5000 Kilometer Pipelines oberirdisch verlegt - anfällig gegen Sabotage sind.

Obgleich dem britisch-niederländischen Konzern unter den vielen Ölgesellschaften in Nigeria eine Führungsrolle zukommt, hat die Konkurrenz seit 1995 aufgeholt. Damals jedoch besaß Shell einen enormen Einfluß auf die Regierung, was die Vermutung nahelegt, daß das Unternehmen die Hinrichtung der neun MOSOP-Mitglieder hätte verhindern können. Ob das für eine Verurteilung zu einer Schadensersatzleistung reicht, hängt von den präsentierten Dokumenten ab. Nach Ansicht der Kläger belegen diese, daß Shell unter anderem Waffen importiert und das Militär bezahlt hat, damit es mit harter Hand gegen die aufständische Bevölkerung im Nigerdelta vorgeht. Falls das zutrifft, hat sich Shell mit der außergerichtlichen Einigung billig davongestohlen. Um vieles schlimmer wäre der Schaden, wenn solch eine enge Kooperation gerichtlich bestätigt worden wäre. Das hätte die geplante Erschließung weiterer Erdölfelder im Konfliktgebiet Nigerdelta massiv erschwert.


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Anmerkungen:

[1] "Shell settles Wiwa case with humanitarian gesture", Presseerklärung des Shell-Konzerns, 8. Juni 2009
http://www.shell.com/home/content/media/news_and_library/press_releases/2009/shell_settlement_wiwa_case_08062009.html

[2] "Channel 4 News Expose Unpublished Evidence Of Shell´s Military Partnership", Ben Amunwa, 9. June 2009
http://remembersarowiwa.com/channel-4-news-expose-unpublished-evidence-of-shells-military-partnership/#more-376

[3] "Furcht vor Imageschaden. Shell zahlt Schadensersatz in Nigeria", Financial Times Deutschland, 10. Juni 2009
http://www.ftd.de/politik/international/:Furcht-vor-Imageschaden-Shell-zahlt-Schadensersatz-in-Nigeria/524994.html

10. Juni 2009