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AFRIKA/1853: Wer darf Beendigung des Ruanda-Genozids für sich reklamieren? (SB)


Verhältnis zwischen Ruanda und Uganda regelmäßig zwischen An- und Entspannung

Streit in der ugandischen und ruandischen Presse über historische Verantwortung für Beendigung des Ruanda-Genozids


Zwischen Uganda und Ruanda ist ein kleiner Streit über die Bedeutung des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni für die Machtübernahme der RPF (Ruandische Patriotische Front) 1994 in Ruanda gekommen. Es handelt sich um ein typisches Sommerlochthema, bei dem jedoch neben regionalen auch einige interessante globale Aspekte angesprochen werden.

Von 1990 bis 1993 war die RPF immer wieder von Uganda ausgehend nach Ruanda vorgestoßen. Im Juli 1993 wurde unter UN-Vermittlung ein Friedensvertrag, das Arusha-Abkommen, zwischen den von dem Warlord Paul Kagame angeführten Milizen und der ruandischen Regierung unter Präsident Juvenal Habyarimana abgeschlossen und die Bildung einer gemeinsamen Regierung vereinbar. Mit dieser Lösung war jedoch keine der beiden Seiten glücklich. Sie rüsteten sich für den nächsten Waffengang, der dann mit einem Fanal eingeläutet wurde: Am 6. April 1994 wurde Habyarimana, der von völlig ergebnislos verlaufenen Verhandlungen mit der RPF in der tansanischen Stadt Arusha zur ruandischen Hauptstadt Kigali zurückflog, beim Landeanflug mit zwei Boden-Luft-Raketen abgeschossen. An Bord der Falcon-50 befanden sich unter anderem auch der Oberbefehlshaber der ruandischen Streitkräfte und der Präsident Burundis, Cyprien Ntaryamira. Verantwortlich für den Abschuß war höchstwahrscheinlich Paul Kagame; ungeachtet dessen lautet die "offizielle", wenig glaubhafte Version, die auch von den Vereinten Nationen vertreten wird, daß radikale Hutu ihren eigenen Präsidenten abgeschossen haben.

Kurz darauf errichtete das ruandische Militär Straßensperren, und es setzte ein blutiges Massaker an der Volksgruppe der Tutsi ein. Sie wurde mit dem Feind, der RPF, assoziiert, da diese von Tutsi dominiert war und auch von einem Tutsi angeführt wurde. Die in Ruanda lebenden Tutsi hatten aber wenig bis gar nichts mit den milizionären Tutsi gemein, sie waren nicht einmal an der allgemeinen militärischen Aufrüstung beteiligt. In den nächsten hundert Tagen wurden rund 800.000 Tutsi und moderate Hutu umgebracht.

Zu den vielen Widersprüchen, Ungereimtheiten oder Vernachlässigungen der offiziellen Geschichtschreibung über den Ruanda-Genozid gehört auch die Entstehungsgeschichte der RPF. In der allgemeinen Berichterstattung wird der Eindruck erweckt, daß es sich bei ihr um eine Rebellenarmee handelte, die das berechtigte Interesse der unterdrückten Tutsi-Minderheit gegenüber einem repressiven Regime vertrat. Das weckt natürlich von vornherein Sympathien. Doch der Eindruck täuscht. Die RPF war die Kampforganisation jener Tutsi, die nach der sogenannten Hutu-Revolution im November 1959 ins Exil geflohen waren.

Viele Exil-Ruander hatten in der National Resistance Army (NRA) Yoweri Musevenis, der 1986 die Macht in Uganda übernahm, gekämpft. Darunter auch Fred Rwigema, stellvertretender Verteidigungsminister Musevenis, und Paul Kagame, der es immerhin bis zum stellvertretenden militärischen Geheimdienstchef in der ugandischen Armee gebracht hatte. Sie gründeten 1986 die RPF und reklamierten ein Rückkehrrecht nach Ruanda. Ein Teil der ugandischen Tutsi aus Musevenis Armee schloß sich der RPF an.

Museveni, der seine Macht noch konsolidieren mußte, wußte angeblich nichts von den Invasionsabsichten der RPF, dürfte aber in jedem Fall froh gewesen sein, daß diese starke Kraft ihr Interesse auf Ruanda ausrichtete. Auf Dauer hätte ihm die RPF gefährlich werden können. Anfangs kämpften die RPF-Soldaten noch in der Uniform der ugandischen Armee. Auch daran läßt sich ablesen, daß es 1990 in Ruanda zu keinem Bürgerkrieg kam, sondern daß die RPF einen Invasionsversuch unternahm. Innere Streitigkeiten hatten die rasche Einnahme Kigalis verhindert.

Um die Komplexität der Abläufe einigermaßen zu berücksichtigen, sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß abgesehen vom blutigen Jahr 1959 auch später immer wieder Tutsi aus Ruanda fliehen mußten, woraus die RPF das Rückkehrrecht der Ruander ableitete. Dennoch sollte nicht vernachlässigt werden, daß es sich um eine Invasion einer ausländischen Gruppierung handelte. Nicht, weil sie aus Uganda stammte, sondern wegen des brutalen Vorgehens der RPF gegen die Zivilbevölkerung.

Wenn man aber den Ruanda-Konflikt zwischen 1990 und 1993 nicht als Bürgerkrieg bezeichnet, sondern als Invasionsversuch der RPF und Abwehr durch die ruandischen Regierungssoldaten, müßte man folgerichtig sagen, daß Kagame, der von USA militärisch ausgebildet und unterstützt wurde, einen Angriffskrieg geführt und damit gegen die Genfer Konventionen verstoßen hat. Die Behauptung, er habe Ruanda "befreit", könnte dann nicht mehr aufrechterhalten werden, sie bekäme zumindest einen sehr schalen Beigeschmack, der keineswegs dadurch gemildert wird, daß die gegnerische Seite - vor allem jugendliche Hutu-Milizen - noch mehr Grausamkeiten begangen hat.


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Anmerkungen:

[1] "Uganda: Museveni Taught Kagame Bad Manners", The Weekly Observer (Kampala), 22. Juli 2009
http://allafrica.com/stories/200907230805.html

"President Yoweri museveni squandered an opportunity", The New Times, (Zugriff am 27. Juli 2009)
http://www.newtimes.co.rw/index.php?issue=13955&article=17473

"Uganda: 'Museveni Never Undermined Rwandans'", The Monitor (Kampala), 25. Juli 2009
http://allafrica.com/stories/200907270194.html

27. Juli 2009