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AFRIKA/1880: Nigeria - Waffenstillstand nach Amnestie-Angebot (SB)


Nigerianische Regierung und Rebellen stehen vor der Einigung

Internationale Unternehmen haben ihre wegen dem Verteilungskonflikt unterbrochene Ölförderung wieder aufgenommen


Werden sämtliche Milizen im Nigerdelta ihre Waffen niederlegen und den bewaffneten Kampf für bessere Lebensverhältnisse sowie eine Beteiligung am Ölexportgeschäft aufgeben? Diese bange Frage beschäftigt die Bewohner des erdölreichen Nigerdeltas gegenwärtig sehr, denn am 15. Oktober endet das Amnestie-Angebot des nigerianischen Präsidenten Umahu Yar'Adua an die Kämpfer. Zur Bekräftigung seines Standpunkts hat er versprochen, daß abgesehen von den dreizehn Prozent der Öleinnahmen, die bereits an die Gouverneure der dreizehn Bundesstaaten (Akwa Ibom, Cross River, Rivers, Bayelsa, Imo, Delta, Ondo, Abia, Edo) in den Erdölfördergebieten fließen, weitere fünf Prozent an die Kommunen gehen sollen, in denen nach Erdöl gebohrt wird. Am Freitag, den 9. Oktober, wird Yar'Adua eine entsprechende Ankündigung machen. [1] Ihm zur Seite stehen dann neben einer Reihe von Gouverneuren voraussichtlich die Milizenführer Henry Okah von der Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND), Government Ekpemupolo (alias Tompolo), Ateke Tom und Victor Ben (alias Boyloaf).

Mit dem Versprechen auf eine bescheidene Umverteilung und der Amnestie im Rahmen eines sieben Punkte umfassenden Befriedungsplans für das konfliktträchtige Nigerdelta könnte es der Regierung gelingen, die Region zu befrieden und die Ölfördermenge und damit die Staatseinnahmen wieder beträchtlich nach oben zu schrauben. Medienberichten zufolge haben die Ölgesellschaften, die wegen der Unruhen im Nigerdelta abgezogen waren oder ihre Aktivitäten reduziert hatten, ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Die OPEC, die Organisation der erdölexportierenden Länder, ist zufrieden mit der Entwicklung, sagte Präsidentenberater Tanimu Kurfi am Mittwoch gegenüber der Presse. Die Ölförderung habe wieder zugelegt, alle Gesellschafter seien an ihre Arbeit gegangen, man habe die OPEC-Vorgaben fast erreicht.

Doch noch immer ist die Lage prekär. Am Mittwoch hatten rund 500 Milizen vor dem Regierungsgebäude des nigerianischen Bundesstaats Benin protestiert, da sie sich vernachlässigt fühlten. Die Organisation MEND wiederum sieht sich nicht ausreichend durch Henry Okah repräsentiert und hat eine Gruppe von bekannten Persönlichkeiten des Landes einberufen, die mit der Regierung verhandeln sollen. Das sogenannte Aaron-Team besteht aus dem Nobelpreisträger Prof. Wole Soyinka (als Beobachter), dem ehemaligen Generalstabschef Konteradmiral im Ruhestand Mike Okhai Akhigbe, dem ehemaligen Kommandanten der African Mission in Sudan, Generalmajor m Ruhestand Luke Aprezi, Dr. Sabella Abidde und der Aktivistin Annkio Briggs. Nun hat allerdings der Verteidigungsminister Generalmajor Godwin Abbe, der vom Präsidenten zum Vorsitzenden eines Komitees für die Amnestie und Entwaffnung der Milizen ernannt wurde, erklärt, daß die Bundesregierung nicht mit dem Aaron-Team verhandeln wird - zumindest gegenwärtig nicht. [2]

Es wird wohl noch reichlich Wasser den Niger hinabfließen, bis daß in seinem Mündungsgebiet weder Repressionen seitens der Sicherheitskräfte verübt noch Übergriffe seitens der Milizen vorgenommen werden. Es wäre nicht das erste Mal in der postkolonialen Geschichte Nigerias, wenn eine Regierung ihre Zusagen nicht einhielte. Die wiederholte Verschiebung des Termins, bis zu dem die Ölgesellschaften das extrem umweltschädliche Abfackeln von Erdgas, das mit dem Erdöl gefördert, aber bislang weitgehend ungenutzt bleibt, abstellen müssen, spricht Bände. Die Bewohner des Nigerdeltas wollen nicht nur an den Öleinnahmen beteiligt werden, sondern auch endlich saubere Luft atmen und Wasser trinken können, das nicht nach Erdöl schmeckt, weil die Tag und Nacht teils in unmittelbarer Nähe zu den Dörfern und mit viel Getöse brennenden Gasfackeln einen Rußschleier über die ganze Gegend legen.


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Anmerkungen:

[1] "Nigeria: Amnesty - Yar'Adua to Announce Five Percent Royalty For Oil Communities", Daily Independent (Lagos), 8. Oktober 2009
http://allafrica.com/stories/200910080488.html

[2] "Nigeria: MEND Threatens to Resume Attacks On Oil Installations", Vanguard (Lagos), 8. Oktober 2009
http://allafrica.com/stories/200910080002.html

8. Oktober 2009