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AFRIKA/1882: Drohende Konflikte um Tschad-(Rest)see (SB)


FAO gibt dem Tschadsee noch 20 Jahre ...

es sei denn, es wird ein radikaler Wandel im Wassermanagement vorgenommen


Zu den schwerwiegenden Folgen eines globalen Klimawandels als Folge der Erwärmung der Erde gehört der Verlust an natürlichen Süßwasserspeichern wie dem Tschadsee. Viele Millionen Menschen sind unmittelbar auf das Gewässer angewiesen, sie leben in einer tiefen wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem See und verfügen über fast keine Kompensationsmöglichkeiten, sollte er eines Tages gänzlich verschwinden. Und das wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie der UN News Service vergangene Woche im Vorfeld des Welternährungstags unter Berufung auf einen FAO-Bericht meldete. [1]

Innerhalb der nächsten 20 Jahre dürfte der Tschadsee verschwunden sein, vermuten die Experten, die ihre Prognose auf einen jahrzehntelangen Trend stützen. 1963 umfaßte der Tschadsee noch 25.000 Quadratkilometer. Bis 2001 ist er um 90 Prozent geschrumpft und war nicht einmal mehr 1500 Quadratkilometer groß. Seitdem hat sich der Verlust fortgesetzt. Erstens führen die Zuflüsse als Folge des Klimawandels und geringeren Niederschläge nicht mehr so viel Wasser wie einst und zweitens werden die Zuflüsse und der Restsee intensiver genutzt denn je.

Um die 30 Millionen Einwohner in Tschad, Kamerun, Niger und Nigeria leben im Tschadseebecken. Diese Länder stehen vor dem Problem, die sich widerstreitenden, teils einander diametral gegenüberstehenden Interessen der Anwohner auszutarieren, um bewaffnete Kämpfe um das knappe Wasser zu vermeiden. Der Grundkonflikt zwischen nomadisierenden und seßhaften Völkern wird sich zuspitzen. Die Lebensgrundlage beider Lebensformen ist ebenso gefährdet wie die der Fischer.

"Die humanitäre Katastrophe, die der ökologischen Katastrophe folgen könnte, erfordert dringend Interventionen", wird Parvis Koohafkan, Direktor der Land and Water Division der FAO, zitiert. Die UN-Organisation arbeitet mit der 1964 gegründeten Tschadseebecken-Kommission LCBC (Lake Chad Basin Commission) zusammen. Diese fordert einen radikalen Wandel der Wassermanagementtechniken, damit die Zuflüsse des Sees nicht noch weiter schwinden. Das ist eine gewaltige Aufgabe, denn die Bauern in der Region verfügen meist über keine hochwertige, wassersparende Bewässerungstechnologie, so daß große Mengen des kostbaren Wassers ungenutzt versickern oder verdunsten.

Eine intensivere Bewässerungswirtschaft wird allerdings unverzichtbar sein, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Da aber die Länder nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, um den Bauern aufwendige Bewässerungssysteme zur Verfügung zu stellen, hängt das Wohl des Tschadsees nicht zuletzt davon ab, ob die reicheren Länder willens sind, die afrikanischen Staaten so weit zu unterstützen, daß diese von ihrem ökonomischen Zwang des Schuldenabtrags befreit und nicht genötigt werden, staatliche Schutzmaßnahmen (Zölle, Subventionen) für die heimische Wirtschaft abzubauen, während gleichzeitig auf dem sogenannten Weltmarkt kaum zu überwindende Mauern gegen ihre zarten Versuche, dort wirtschaftlich in Aktion zu treten, errichtet werden.


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Anmerkungen:

[1] "Chad: Shrinking Lake Chad Could Trigger Humanitarian Disaster, UN Agency Warns", UN News Service (New York), 15. Oktober 2009
http://allafrica.com/stories/200910160007.html

18. Oktober 2009