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AFRIKA/1940: Angola - Vertreibung und Tod beim "Wiederaufbau" (SB)


Angolas Nationaler Wiederaufbau

... gilt vor allem den dicken Taschen einer kleinen Oberschicht


Mit großer Regelmäßigkeit werden in Angola ärmere Bevölkerungsgruppen vertrieben, meistens im Auftrag des Staates. Ökonomische Interessen werden unter der Regierung von Präsident José Eduardo dos Santos auf brutalste Weise Geltung verschafft, da spielt es keine Rolle, ob Menschen ihre gesamte Habe verlieren, physisch oder psychisch verletzt werden oder gar umkommen. An Anlässen für Vertreibungen mangelt es nicht, mal geht es um den Bau einer neuen Straße oder eines neuen Gebäudes, mal um die Ausbeutung der ressourcenreichen Bodens, mal "stören" Slumsiedlungen das Stadtbild, mal wird eine neue Eisenbahnstrecke gebaut.

Angola ist reich. Mit einer täglichen Fördermenge von rund 1,9 Mio. Barrel Erdöl (im Jahr 2009) ist das Land zur Zeit der führende Erdölexporteur der Subsaharastaaten. Die steigenden Ölpreise bescheren ihm voraussichtlich auch in Zukunft üppige Einnahmen. Ein 27 Jahre währender Bürgerkrieg endete 2002. Vor zwei Jahren versprach der angolanische Präsident den Bau von einer Million Häusern bis 2012. Nationaler Wiederaufbau lautet das Zauberwort. Bereicherung weniger, Verarmung vieler ist sein Resultat.

Bei der jüngsten Welle von Vertreibungen in der Stadt Lubango in der Provinz Huíla kamen sieben Personen ums Leben, darunter vier Kinder. Je nach Quelle verloren 3000 bis 3800 Familien ihre Unterkunft. [1, 2] Allem Anschein nach ging der Auftrag für die Vertreibung von der Regierung aus. Demnach wurden die Bewohner einer Siedlung entlang einer Eisenbahnstrecke in Lubango völlig davon überrascht, als sie am 8. März von der Aufstandsbekämpfungspolizei umzingelt und vertrieben wurden; anschließend wurden ihre Häuser von Bulldozern niedergerissen. Das berichteten Mitglieder SOS Habitat und der Kinderrechtsorganisation OMUNGA, beides angolanische Partnerorganisationen von Christian Aid.

Im Anschluß kamen die Vertriebenen vorübergehend auf Schulgeländen oder in Fußballstadien unter und wurden dann gezwungen, neun Kilometer außerhalb des Stadtzentrums von Lubango in Tchavola zu zelten, und das bei starken Regenfällen. Die bereitgestellten 700 Zelte genügten allerdings nicht, um alle Vertriebenen unterzubringen, so daß ein Gutteil von ihnen woanders nach Unterschlupf gesucht hat. José Patrocínio von OMUNGA berichtete, daß einige der Vertriebenen nachts von Banditen ausgeraubt wurden. [1]

Es hat den Anschein, als seien die Vertriebenen im November 2009 von Bahnmitarbeitern darüber informiert worden, daß ihre Hütten abgerissen werden, aber man habe ihnen erklärt, daß sie neue Häuser erhalten sollen. Nur, wenn die angolanische Regierung neue Häuser verspricht, dann sagt sie damit noch lange nicht, daß der Staat für die Baukosten aufkommt. Die Bürger müssen die Häuser selber bauen, und sie müssen für den Baugrund bezahlen. In diesem Fall anscheinend 250 US-Dollar für ein kleines Stück Land - unerschwinglich für die meisten Vertriebenen. Wäre es anders, so hätten sie wahrscheinlich gar nicht erst an der alten Bahnlinie gesiedelt. Zu allem Unglück kommt noch hinzu, daß teilweise Baugrund ausgewiesen wurde, auf dem die angestammte Bevölkerung von Tchavola Landwirtschaft betrieben hat. Da sind Spannungen mit den Hinzugezogenen vorprogrammiert.

Für Freitag dem 25. März war eine Solidaritätsdemonstration für die Vertriebenen geplant. Der zweite Sekretär der Huíla-Provinz, Virgílio Tyova, hat sich im Namen der regierenden MPLA vom Verhalten der Regierung distanziert, die Vertriebenen um Entschuldigung gebeten und ihnen Entschädigungen zugesagt. Der Provinzgouverneur verlangte den Rücktritt des Bürgermeisters von Lubango, gilt aber seinerseits als einer der Hauptverantwortlichen für Vertreibungen. Die katholische Kirche hat die Vertreibungen heftig kritisiert, und die Zentralregierung hat einen vorübergehenden Stopp der Vertreibungen angeordnet. Später wurden sie fortgesetzt. Statt den geplanten Trassenverlauf der neuen Eisenbahnstrecke zu jeder Seite um 50 Meter zu "säubern", wurde die Entfernung nun auf 25 bis 30 Meter begrenzt. Dadurch durften 100 Häuser stehen bleiben.

Während in Lubango MPLA-Fahnen verbrannt wurden, weilte der Minister für Stadtentwicklung und Aufbau José Ferreira auf dem 5. Weltstädteforum in Brasilien und hat über die Fortschritte der Stadtentwicklung in seinem Land referiert. Die Zahl der Vertriebenen in Angola in diesem Jahrzehnt liegt im fünfstelligen Bereich. Ein erheblicher Teil der wenigen "Glücklichen", die in ein festes Haus ziehen konnten, siedelt nun in stadtfernen Gebieten, in denen es an Infrastruktur mangelt. Elektrischer Strom, fließend Wasser, Schulen, Ärzte, Krankenhäuser und andere wichtige Dienstleistungseinrichtungen sind in Angola Mangelware, wie Amnesty USA berichtete. [3]

"Der Fluch des Erdöls" ist eine in Afrika weit verbreitete Bezeichnung. Damit wird ausgesagt, daß in fast allen Ölförderländern des Kontinents die Einnahmen in die Taschen weniger Oligarchen und Regierungsmitglieder fließen, während ein Großteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Bei dieser Bezeichnung wird jedoch nicht berücksichtigt, daß sich der "Fluch" nicht auf die Erdöleinnahmen beschränkt, sondern auch für andere Ressourcen gilt. Afrikas Reichtum ist der Reichtum weniger Afrikaner und nicht zuletzt der Reichtum ausländischer Konzerne, die an der Spitze der Ausbeutungskette stehen. Vertreibungen und andere Verarmungs- und Verelendungsfolgen bilden die Basis für die Staatenhierarchie.


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Anmerkungen:

[1] "Angola: Seven killed in brutal land evictions", Chancy Namadzunda, Africa News, 24. März 2010
http://www.africanews.com/site/Angola_Seven_killed_in_brutal_land_evictions/list_messages/30818

[2] "Angola: Rebuilding by demolishing. The politics of national reconstruction", Sylvia Croese für Pambazuka, Nr. 475, 25. März 2010
http://www.pambazuka.org/en/category/features/63298

[3] "Background Information on forced eviction in Angola", Zugriff am 26. März 2010
http://www.amnestyusa.org/all-countries/angola/background-information-on-forced-eviction-in-angola/page.do?id=1650040

26. März 2010