Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/2064: US-Kampfbrigade für Africom (SB)


Die Vereinigten Staaten setzen in Afrika weiter aufs Militär zur Durchsetzung ihrer Interessen



Die Ankündigung von US-Außenministerin Hillary Clinton im November vergangenen Jahres in Foreign Policy [1], daß die USA ins "Pazifische Jahrhundert" eintreten, ist nicht so zu verstehen, daß die mit Abstand größte Militärmacht des Planeten andere Weltregionen vernachlässigen wird. Das zeigt sich an dem im Laufe der letzten Jahren zunehmenden militärischen Engagement der Vereinigten Staaten in Ostafrika und auf der Arabischen Halbinsel. Von Camp Lemonnier in Dschibuti aus führen die US-Militärs und der Geheimdienst CIA immer wieder Angriffe gegen Ziele in Somalia und Jemen durch, mal mit Drohnen, mal mit F-15-Kampfjets; auch Kriegsschiffe am Horn von Afrika sind mitunter an Angriffen auf Landziele beteiligt.

Am Mittwoch vergangener Woche berichtete der Generalstabschef der US-Army, General Raymond T. Odierno, beim News Briefing im Pentagon, daß im kommenden Jahr im Rahmen eines Pilotprojekts eine Brigade der 10. Gebirgsjägerdivision (10th Mountain Division) dem U.S. Africa Command (Africom) zugeteilt werden soll [2]. Später sollen auch andere Kommandos (Southcom, Centcom, Pacom), je nach Bedarf, eine oder mehrere Brigaden an die Seite gestellt bekommen.

Einen Tag nach dieser Ankündigung erklärte zwar Pentagonsprecher George Wright, daß sich General Odierno versprochen habe. Die 10. Gebirgsjägerdivision werde nicht die erste Brigade im Rahmen dieses Pilotprojekts stellen [3]. Aber der Nachricht, daß Africom und später auch anderen Kommandostellen, Kampfbrigaden zugeordnet werden, widersprach Wright nicht.

Odierno stellte es beim Briefing so dar, als bestünde die Aufgabe der Brigade in der Ausbildung örtlicher Kräfte, der Durchführung von Übungen sowie logistischer Unterstützung und Hilfe bei Sicherheitsfragen. Auch wenn es jetzt nicht die 10. Gebirgsjägerdivision sein sollte, die im nächsten Jahr in Afrika eingesetzt wird, und es nach Angaben von Colonel Andrew Dennis, der bei der Army leitender Offizier für Sicherheitszusammenarbeitspolitik und -konzepte ist, auch nicht darum geht, sofort eine ganze Brigade nach Afrika zu entsenden, sondern kleinere Einheiten (Platoons oder Battalions) [4], so zeigt sich doch an diesem Konzept die Neigung der Obama-Administration zur weiteren Militarisierung.

Die Brigade der 10. Gebirgsjägerdivision wird eigens für rasche Einsätze unter klimatisch und geographisch schwierigen Bedingungen ausgebildet. Neben der Funktion der Stabilisierung einer Region war sie in der Vergangenheit auch an Kampfmaßnahmen beteiligt. Wenngleich diese Einheit offenbar nicht an vorderster Stelle des Pilotprogramms steht, dürfte General Odierno nicht so weit daneben gelegen haben, was Ausbildung und Aufgabe der ersten Africom zugeordneten Brigade betrifft.

Die USA haben bereits Special Forces nach Uganda entsandt, damit sie helfen, den langjährigen ugandischen Rebellenführer Joseph Kony, der sich mit seinen Kämpfern von der Lord's Resistance Army (LRA) vermutlich in der Demokratischen Republik Kongo versteckt hält, gefangenzunehmen (abgesehen von Norduganda war die LRA auch in Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik aktiv). Anfang dieses Jahres befreite ein Team der Navy Seals bei einer Nacht- und Nebelaktion gewaltsam zwei Geiseln, die sich in der Hand somalischer Piraten befanden. Beide Militäraktivitäten sind Puzzlesteinchen, aus denen sich ein unmißverständliches Gesamtbild zusammensetzt: Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama setzt in keinem geringeren Maß aufs Militär als unter seinem Vorgänger George W. Bush.

Wenngleich das Rotationsprinzip auf Sparmaßnahmen des Pentagons zurückgeht und die US-Streitkräfte formal einige ihrer Auslandsaktivitäten zurückfahren, ist es berechtigt von einer Zunahme der Militarisierung zu sprechen, weil dazu erstens die Ausbildung befreundeter Militärs gehört, die auf diese Weise an die Vereinigten Staaten gebunden werden (was im übrigen bereits durch intensive Austauschprogramme der Militärapparate untereinander und der Ausbildung von Offizieren afrikanischer Länder in den USA geschieht), und zweitens eine weitere Konzentration damit einhergeht, Konflikte mit militärischen Mitteln lösen zu wollen.

Die extralegalen Tötungen von mutmaßlichen Al-Qaida-Mitgliedern und Personen, die angeblich zu Organisationen gehören, die auf der US-Terrorliste aufgeführt sind, im Rahmen asymmetrischer Angriffe [5] und der Umbau der US-Streitkräfte zu noch größerer Effizienz könnten sich als Vorboten nicht eines pazifischen, sondern eines kriegerischen Jahrhunderts der USA erweisen. Im Pentagon und dem Weißen Haus rechnet man offenbar damit, daß die zukünftigen Konflikte auch auf afrikanischem Boden ausgetragen werden. Das ist jedenfalls eine unmißverständliche Botschaft der Entsendung einer US-Brigade (aus welcher Division auch immer) unter anderem zur Unterstützung von "Sicherheitsmaßnahmen" (General Odierno) in afrikanischen Ländern.


Fußnoten:

[1] "America's Pacific Century. The future of politics will be decided in Asia, not Afghanistan or Iraq, and the United States will be right at the center of the action", Hillary Clinton, in: Foreign Policy, November 2011
http://www.foreignpolicy.com/articles/2011/10/11/americas_pacific_century?page=full

[2] "DOD News Briefing with Gen. Odierno from the Pentagon", 16. Mai 2012
http://www.defense.gov/Transcripts/Transcript.aspx?TranscriptID=5034

[3] "Update: Army Chief Of Staff 'Misspoke' About Fort Drum Troops In Africa", 17. Mai 2012
http://www.wwnytv.com/news/local/Army-Chief-Of-Staff-10th-Mountain-Division-Brigade-Will-Be-Assigned-To-Africa-151779295.html

[4] "AFRICOM First to Test Regional Brigade Concept", Stars and Stripes, 17. Mai 2012
http://www.stripes.com/news/africom-first-to-test-new-regional-brigade-concept-1.177476

[5] Die Bezeichnung "Asymmetrische Kriegführung" wird meist im umgekehrten Sinn verwendet, als wenn von weniger stark bewaffneten Kräften eine besonders große Gefahr für die US-Soldaten ausginge.

20. Mai 2012