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AFRIKA/2101: Niger - Demo für höheren Profit aus Uran-Abbau (SB)


Proteste gegen französischen Nuklearkonzern Areva



Am Samstag sind rund 5000 Einwohner Nigers auf die Straße gegangen, um gegen den französischen Nuklearkonzern Areva zu protestieren. Dieser baut in dem westafrikanischen Binnenstaat seit fast 50 Jahren Uran ab und muß dafür nur geringe Abgaben entrichten. Zudem verbraucht der Konzern großen Mengen an Wasser, das die Menschen in dieser niederschlagsarmen Region sehr gut anderweitig nutzen könnten. Als gesundheitsgefährdend erweist sich die hohe Staubbelastung, die sowohl vom Minengelände, seinem Umfeld und den Zufahrtswegen als auch von den Abraumhalden ausgeht. Die sind inzwischen auf 50 Millionen Tonnen angeschwollen. [1]

Wenngleich der Anteil an radioaktiven Partikeln im Ausgangsgestein gering ist und der Abraum einen demgegenüber nochmals niedrigeren Anteil an Strahlenpartikeln enthält, werden die Einwohner der Region dauerhaft gesundheitlich durch den uranhaltigen Staub geschädigt. Zumal es sich bei Uran um ein Schwermetall handelt, das auf den menschlichen Organismus toxisch wirkt.

Zu den Forderungen der Demonstranten, wie im übrigen auch der Regierung, an Areva gehört unter anderem, daß der Konzern eine mehr als 1000 Kilometer durch Niger führende Straße, die im Hafen von Cotonou in Benin beginnt, quer durchs Land zu den Minen bei Arlit erneuert. Vor allem aber wollten die Demonstranten, die lautstarke Parolen gegen Areva skandiert haben, ihrer Regierung den Rücken stärken.

Denn Ende des Jahres laufen die 2003 beschlossenen Verträge zwischen Areva und der nigrischen Regierung aus. Niger überprüft zur Zeit die Vereinbarungen mit der erklärten Absicht, deutlich höhere Einnahmen aus der Uranförderung von Arevas beiden Minen Somair (Jahresproduktion knapp 3000 Tonnen) und Cominak (Jahresproduktion 1500 Tonnen) zu erstreiten. Zwar machen die Einnahmen aus der Uranförderung "nur" fünf Prozent des nigrischen Staatshaushalts aus, dennoch ist das Land vom Uranbergbau abhängig. Auf der anderen Seite bestückt Frankreich etwa ein Drittel seiner Atomkraftwerke, mit denen wiederum rund 70 Prozent des elektrischen Stroms des Landes generiert werden, mit nigrischem Uran und ist somit ebenfalls sehr an einer Fortsetzung der Zusammenarbeit interessiert.

Die Weltmarktpreise für Uran sind nach der Fukushima-Katastrophe vom 11. März 2011 in den Keller gerutscht, was sowohl für Niger als auch Areva Mindereinnahmen zur Folge hatte. Im vergangenen Jahr fuhr der Konzern Verluste in Höhe von 99 Millionen Euro ein, erwartet allerdings für dieses Jahr einen Profit von mehr als 1,1 Milliarden Euro. Über die bisherigen Verhandlungsergebnisse liegen keine konkreten Informationen vor. Man respektiere Areva als strategischen Partner und möchte eine Partnerschaft auf Augenhöhe, sagte der Minister für Bergbau, Omar Hamidou Tchiana, gegenüber Reuters. [2]

Dabei gehe es seiner Regierung nicht um eine Erhöhung des Anteils an der Somair-Mine von gegenwärtig 36,4 Prozent (Areva: 63,6 Prozent) und der Cominak-Mine von 31 Prozent (Areva: 34 Prozent). Man strebe eine Kostenreduzierung der Uranproduktion an, von der sich Niger als Teilhaber Vorteile verspricht. Mit diesem Verhandlungsziel dürfte die Regierung bei Areva auf offene Ohren stoßen.

Der Anteil der Staatseinnahmen aus dem Uranbergbau soll auf mindestens 20 Prozent gesteigert werden. Falls es Areva gelingt, wie vereinbart bis zum Jahr 2015 eine weitere Mine, Imouraren, in Betrieb zu nehmen, die eine geschätzte Jahreskapazität von 5.000 Tonnen hat, stiege Niger damit zum weltweit zweitgrößte Uranexporteur auf. [3] So nachvollziehbar das Anliegen der nigrischen Regierung auch ist, zu bedenken bleibt, daß dadurch die Abhängigkeit des Landes von einem einzigen Rohstoff und dessen Preis auf dem Weltmarkt steigt.

Das Bruttosozialprodukt Nigers betrug nach IWF-Einschätzung im Jahr 2012 rund 5,5 Milliarden Euro. Arevas Einnahmen waren mit 9,3 Milliarden Euro beinahe doppelt so hoch. Allein diese Gewichtung zeigt, wer bei den Verhandlungen das Sagen haben dürfte. Und selbst wenn sich der anteilige Nutzen am Bergbau zu Gunsten der Regierung verschieben sollte, wird damit die Frage der gesundheitlichen Belastung der Bevölkerung kaum berührt. Viele haben einen Job in der Mine oder ihrem Umfeld, befinden sich also in direkter oder indirekter ökonomischer Abhängigkeit vom Uranabbau.

Sich vollständig vom Uranbergbau loszusagen, ist ein Ideal, das weder die Regierung noch die Bevölkerung anstreben, auch wenn es vom gesundheitlichen Gesichtswinkel aus durchaus begründbar wäre. Das Ideal zu erfüllen, war jedoch nicht das Anliegen der Demonstrierenden. Deshalb könnte man folgerichtig die Bedeutung des "Ressourcenfluchs", mit dem normalerweise ausgesagt werden soll, daß ausgerechnet in den rohstoffreichen Ländern Afrikas große Armut herrscht, weil sich ausländische Konzerne und eine kleine heimische Oberschicht die Einnahmen aus dem Geschäft aneignen, weiter fassen und ihn auch auf die Abhängigkeit jener Menschen anwenden, die im vergleichsweise bescheidenen Maßstab vom Rohstoffabbau profitieren und dafür gesundheitliche Einbußen hinnehmen.


Fußnoten:

[1] http://www.nuclearpowerdaily.com/reports/Thousands_protest_against_Areva_in_Niger_999.html

[2] http://www.reuters.com/article/2013/09/20/us-niger-areva-idUSBRE98J0MY20130920

[3] Im Jahr 2007 endete Arevas Monopolstellung in Niger, dessen Regierung eine Förderlizenz an das chinesische Unternehmen SinoU vergeben hat, das inzwischen die Somina-Mine betreibt.

13. Oktober 2013