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AFRIKA/2104: Äthiopien eröffnet größten Windpark des Kontinents - wer profitiert? (SB)


Hohes Wirtschaftswachstum, starker Energiehunger

Äthiopien schließt letzte Phase des Ashegoda-Windparks ab



Am 26. Oktober hat der äthiopische Premierminister Hailemariam Desalegn den bislang größten Windpark des Kontinents eröffnet. Die 84 Windräder des Parks haben eine Gesamtkapazität von 120 Megawatt, was etwa einem Zehntel eines durchschnittlichen Kernkraftwerks entspricht, und sollen 400 Millionen Kilowattstunden pro Jahr (400GWh/a) elektrische Energie ins Netz einspeisen. Der 210 Millionen Euro teure Ashegoda-Windpark steht nahe der Stadt Mekelle im Bundesstaat Tigray, rund 775 Kilometer nördlich der Hauptstadt Addis Abeba. [1]

Die deutsche Entwicklungsorganisation GTZ (heute GIZ) und die Beratungsfirma Lahmeyer International GmbH aus Bad Vilbel in Hessen hatten zunächst eine landesweite Machbarkeitsstudie für den Bau von Windenergieanlagen in Äthiopien erstellt und elf geeignete Standorte ausgemacht. Ashegoda ist nach Adama (Nazreth) der windreichste Ort in dem ostafrikanischen Binnenstaat, die durchschnittliche Windgeschwindigkeit beträgt in 40 Metern Höhe zwischen 8,5 und 9,4 Meter pro Sekunde. [2] Das entspricht sehr guten Windstandorten in Deutschland.

Betrieben wird der Windpark, mit dessen Bau im Jahr 2009 begonnen wurde, von dem französischen Unternehmen Vergnet SA, und er wurde hauptsächlich von der französischen Regierung und zu neun Prozent von Äthiopien finanziert. Auch einheimische Unternehmen und Experten sind an dem Projekt beteiligt. Die Windräder haben in den ersten drei Aufbauphasen bereits 90 GWh/a generiert.

Das Ashegoda-Projekt ist Bestandteil des "Wachstums- und Transformationsplans" der äthiopischen Regierung, den aufgrund der Industrialisierung und des Bevölkerungswachstums stetig steigenden Energiehunger zu einem guten Teil mit der Produktion regenerativer Energien zu stillen, um die hohen Kosten für den Erdölimport zu senken. In den nächsten Jahren soll die selbst erzeugte Energie des Landes von 2.000 MW auf 10.000 MW gesteigert werden. Der kleinere Teil entfällt auf die Windenergie (890 MW) und Geothermie (mind. 1.000 MW), der größere auf die Wasserkraft.

Ähnlich wie bei anderen Formen der "sauberen" Energieproduktion, beispielsweise durch hydroelektrische Staudämme oder Monokulturplantagen mit "Energiepflanzen" für die Biospritproduktion, ist auch die Nutzung der Windenergie nicht a priori davor gefeit, soziale Mißstände zu produzieren bzw. bestehende Mißstände zu verstärken. So verloren für den Bau des Ashegoda-Windparks rund 700 Bauern ihr Land oder mußten zumindest Teile der von ihnen genutzten Gebiete aufgeben, wie AFP vor zwei Jahren schrieb. [3]

Die Bauern erhielten zwar eine Entschädigung, aber es besteht natürlich immer die Frage, ob eine gleichwertige Fläche zur Verfügung steht. So berichtete AFP, daß der Bauer Abraha Woldu 4.000 Dollar für sein Land von einem Hektar erhalten hat. Damit sei er nicht glücklich, denn er hätte darauf ein gutes Einkommen erzielt. Für das Geld könne er kein anderes Stück Land pachten, wird er zitiert.

Ob die anderen Bauern, die Land für den Windpark hergeben mußten, diese Einschätzung teilen, ist unklar. In Äthiopien besitzt der Staat alles Land, er weist es den Bauern zu und verpachtet es seit einigen Jahren auch im großen Umfang an ausländische Investoren, die dort beispielsweise Blumen sowie Pflanzen für die Biospritproduktion, die für den Export bestimmt sind, anbauen. So soll der indische Milliardär Ram Karuturi in Äthiopien große Ackerflächen für einen Dollar pro Hektar auf 99 Jahre hinaus übernommen haben.

Im südlichen Afrika wird gutes Agrarland für rund 700 Dollar pro Hektar verkauft, wobei das nur eine sehr allgemeine Angabe sein kann, da der Wert des Bodens von vielen Faktoren abhängig ist. Wenn also jener äthiopische Bauer 4.000 Dollar Entschädigung erhalten hat, dann deckt das womöglich nicht seine Verluste, klingt aber verglichen mit anderen, gewaltsamen, mitunter blutigen Vertreibungen ganzer Dörfer im Auftrag der äthiopischen Regierung wiederum nicht so nachteilig.

Für die Bevölkerung dürfte ein Windpark in dieser entlegenen Region wie der Einzug der Moderne in den ländlichen Raum anmuten. Die positive Einstellung, die dem Windpark Ashegoda jetzt noch von den Einwohnern entgegengebracht wird, liefe allerdings dann Gefahr ins Gegenteil umzuschlagen, sollten sich die Erwartungen an eine flächendeckende Elektrifizierung des ländlichen Raums nicht erfüllen, die Regierung jedoch bereits ihr Vorhaben, elektrischen Strom an die Nachbarstaaten zu exportieren, verwirklichen. Dann würden die riesigen, mit Drahtseilen abgespannten Windräder zum weithin sichtbaren Fanal, daß eine angeblich saubere und kostengünstige Technologie gesellschaftlich nicht per se zum Vorteil aller gereicht, sondern sich auch bei der Windenergie die Frage stellt, wer davon profitiert und wer daran gehindert wird, an den Vorteilen zu partizipieren.


Fußnoten:

[1] http://www.theguardian.com/global-development/2013/oct/28/ethiopia-opens-africa-biggest-windfarm?CMP=twt_gu

[2] http://www.eepco.gov.et/project.php?pid=29&pcatid=4

[3] http://tinyurl.com/k6sdrjj

29. Oktober 2013