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AFRIKA/2117: Tansania - Jatropha-Traumblase geplatzt (SB)


Unternehmenspleite bringt Zehntausende Kleinbauern in Tansania in wirtschaftliche Schwierigkeiten



Es ist erst wenige Jahre her, da hatten sich in Nordtansania 60.000 Bauern auf den Anbau einer neuen Pflanze, Jatropha, eingelassen, nun müssen sie sich abermals umorientieren. Denn das in den Niederlanden ansässige Unternehmen Diligent Energy System, an das sie ihre Jatrophanüsse verkaufen konnten, hat im vergangenen Jahr Konkurs angemeldet. [1]

Jatropha curcas, auch Purgiernuß oder Brechnuß genannt, wurde im vergangenen Jahrzehnt als "Wunderpflanze" gehandelt. Aus ihren ölhaltigen Nüssen sollte ein Ersatz für fossile Brennstoffe gewonnen werden. Eine Konkurrenz zwischen Tank und Teller, also zwischen dem Anbau für Nahrung und für Treibstoff, besteht angeblich nicht, da die Pflanze ungenießbar ist. Doch längst ist die Jatropha-Traumblase geplatzt, etliche Anbauprojekte in Afrika und darüber hinaus wurden entweder gar nicht erst begonnen oder im Laufe der letzten Jahre aufgegeben. Die Gründe dafür sind vielfältig. So blieben die Erntemengen in einigen Regionen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Pflanze ist zwar genügsam, doch wenn sie wenig Wasser erhält, sinkt die Erntemenge drastisch. Zudem erwies sich die Produktion von Jatrophaöl als nicht so klimafreundlich, wie es gepriesen worden war.

Viele tansanische Bauern, insbesondere in der Region um die Wirtschaftsmetropole Daressalam, hatten vor dem Millenniumswechsel Cashewnüsse angebaut. Weil deren Weltmarktpreis tief in den Keller gerutscht war und sich davon zwar wieder erholt hat, ohne jedoch je wieder den alten Stand zu erreichen, ließen sich einige Bauern auf das Wagnis ein, im größeren Ausmaß Jatropha aufzuziehen. Andere, die von Anfang an ihre Bedenken geäußert hatten, dürfen sich im nachhinein durch die eingetretene Entwicklung bestätigt sehen.

Das Produktionskonzept Diligents wirkte durchaus attraktiv, auch wenn die Bauern sehr viel weniger für ihre Ernte erhielten als bei anderen Händlern. Das niederländische Unternehmen hat jedoch nicht das Land der Kleinbauern gepachtet oder gekauft - ein Phänomen, das unter dem Stichwort "Land Grabbing" bekannt ist -, sondern mit ihnen Verträge über eine Laufzeit von zehn Jahren abgeschlossen. Die Bauern erhielten einen festen Abnahmepreis und die Garantie, daß ihnen die gesamte Menge, die sie an Jatrophanüssen liefern würden, abgekauft wird. Das sollte den Kleinbauern planerische Sicherheit verschaffen und sie ermutigen, auch langfristige Ziele der landwirtschaftlichen Inwertsetzung ins Auge zu fassen. Mit ihrem Konzept, das selbst von der Website "The Ecologist" [2] positiv beurteilt wurde, hat die Firma schwankende Weltmarktpreise von den Erzeugern abgehalten.

"Wir dachten, wir hätten mit der Gründung Diligents zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, zum einen den Klimawandel und zum anderen die Armut in Afrika zu bekämpfen", erklärte Unternehmenschef Ruud van Eck. Bedauerlicherweise sei er nicht in der Lage gewesen, das Unternehmen profitabel zu machen, deshalb habe er die Firma verkaufen müssen. Ein Jahr darauf sei sie aufgelöst worden. [3]

Diligent ist nicht das erste gescheiterte Agrosprit-Unternehmen in Tansania. Vor ihm hatten schon BioShape Holdings - ebenfalls aus den Niederlanden - und Sun Biofuels Plc aus Großbritannien ihre Jatrophaplantagen aufgegeben. Andere Länder haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Damit ist die "Wunderpflanze" noch nicht endgültig aus dem Rennen, doch hat sie ihre Attraktivität erheblich eingebüßt.

Zu diesem Niedergang beigetragen haben auch mehrere Studien, unter anderem von der Umweltorganisation Friends of the Earth, ab dem Jahre 2009. Darin wurde aufgezeigt, daß Jatrophaöl nicht per se eine klimafreundliche Alternative zu fossilen Energieträgern ist, wenn man die gesamte Produktionskette in die Bilanz einbezieht. Die niederländische Fluggesellschaft KLM, die ein wichtiger Kunde Diligents für Jatrophaöl war und dies dauerhaft hätte werden sollen, folgte schließlich einem Appell der Umweltorganisationen, keinen Biosprit mehr zu verwenden, der die CO2-Emissionen verstärkt, und verwarf seine Pläne zur Verwendung von Jatrophaöl.

Wer nun die These vertritt, daß die Untersuchungen von Umweltorganisationen wie Friends of the Earth der Todesstoß für den Jatropha-Anbau im großen Stil und damit auch für die Hoffnungen der Kleinbauern in Tansania waren, macht den Überbringer der schlechten Nachricht zu ihrem Auslöser. Die Umweltorganisationen haben lediglich nachgeholt, was längst hätte geschehen müssen: Eine realistische Klimabilanz aufzustellen und dabei die gesamte Produktionskette von Jatropha einzubeziehen.

KLM hat sich nun weitgehend auf die Verwendung von Biosprit aus der in Spanien wachsenden Pflanze Camelia verlegt, was von der Europäischen Union durch das Projekt ITAKA (Initiative Towards sustAinable Kerosene for Aviation) unterstützt wird. [4] Diese Folge einer politischen Weichenstellung in Europa hat mit dazu beigetragen, daß sich rund 60.000 Bauern in Tansania nun nach einer neuen Einnahmequelle umsehen müssen. Erst Cashew, dann Jatropha - wieder einmal hat sich das Konzept der Exportorientierung als bitterer Fehlschlag für Kleinbauern in Afrika erwiesen.


Fußnoten:

[1] http://www.dailynews.co.tz/index.php/biz/40110-dutch-firm-goes-bust-leaving-thousands-of-farmers-in-limbo

[2] http://www.theecologist.org/trial_investigations/414648/jatropha_biofuels_the_true_cost_to_tanzania.html

[3] http://www.diligent.nl/

[4] http://www.greenaironline.com/news.php?viewStory=1876

13. Januar 2015


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