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AFRIKA/2119: Forschungslücke Denguefieber - systematische Fehldiagnose (SB)


Studienergebnis aus Ghana: Denguefieber wird häufig als Malaria diagnostiziert


Denguefieber zählt zu den "vernachlässigten" tropischen Krankheiten. Die meisten Pharmafirmen haben kein Interesse an der Entwicklung von Gegenmitteln oder wirksamen Diagnosetests zu Infektionskrankheiten, die in den hiesigen Breiten so gut wie nicht auftreten. In Ghana werden die Symptome dieser von Viren ausgelösten fiebrigen Erkrankung oft mit Malaria verwechselt, fanden Forscher um Justin Stoler, Assistenzprofessor für Geographie am College of Arts and Sciences der Universität von Miami, heraus. Beide Krankheiten werden von Mücken übertragen.

Wenn eine Infektion mit Denguefieber als Malaria behandelt wird, dann verringert das nicht nur den Therapieerfolg. Durch die häufig überflüssige Verwendung von Antimalariamitteln erhöht sich die Gefahr der Resistenzentwicklung bei den Malariaerregern. Von diesen sprechen sowieso immer mehr nicht auf die häufig verwendeten Artemisinin-haltigen Medikamente an, was für die Betroffenen womöglich katastrophale Folgen hat.

Mangels ausreichender Gesundheitseinrichtungen werden Patientinnen und Patienten in Ghana meist nur klinisch untersucht, für eine definitive Diagnose von Malaria und Dengue müßte aber ein Labortest durchgeführt werden. Nur ein Drittel aller Malariadiagnosen wird durch eine labortechnisch Blutuntersuchung bestätigt.

Die Forscher haben nun Laborproben des Bluts von 218 Kindern im Alter von zwei bis vierzehn Jahren, bei denen zwischen 2011 und 2014 in lokalen Gesundheitseinrichtungen von drei ökologischen Zonen Ghanas - Navrongo, Kintampo und Accra - Malaria festgestellt worden war, einer weiteren Analyse hinsichtlich Indizien für eine Erkrankung an Denguefieber unterzogen. Tatsächlich sprachen 21,6 Prozent der Proben positiv auf Dengue-IgG-Antikörper an, die auf eine langanhaltende Infektion mit Dengue schließen lassen, und 3,2 Prozent auf Dengue-IgM-Antikörper, die typischerweise bei einer Infektion innerhalb der letzten 90 Tage auftreten. Ohne eine Infektion gäbe es keine Antikörper.

Deshalb nimmt Stoler an, daß Denguefieber oftmals mit Malaria verwechselt wird. Seiner Einschätzung nach ist nicht nur in Ghana, sondern auch anderen Ländern Westafrikas bis zu einem Drittel der mutmaßlichen Malariafälle in Wirklichkeit Denguefieber. Da sich Preis und Genauigkeit von Schnelltests und anderen diagnostischen Instrumenten verbessert, sieht der Forscher eine echte Chance, daß Fehldiagnosen bei akuten fiebrigen Infektionen in Zukunft verringert werden. [1]

Seit längerem richtet sich die Aufmerksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit unter anderem der Bundesrepublik Deutschland auf die Bekämpfung vernachlässigter tropischer Krankheiten. Dennoch bleiben die Aufwendungen hierfür weit hinter denen beispielsweise für HIV/Aids zurück, und wiederum die Aufwendungen dafür sehr weit hinter denen für Lifestyle-Präparate und typische Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Diabetes II und Bluthochdruck. Was nicht bedeutet, daß die Zahl der Menschen mit einer "vernachlässigten" Krankheit geringer ist. Laut einer Studie vom April 2013 erkranken jährlich 390 Millionen Menschen an Denguefieber. [2]

Von 850 neuen Gesundheits- oder Medizinprodukten, die im Zeitraum 2000 bis 2011 auf den Markt kamen, entfielen nur 4,4 Prozent auf die gesamte Gruppe der vernachlässigten Krankheiten, zu denen auch Tuberkulose und Malaria gerechnet werden, berichtete Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. Bei den Wirkstoffen war das Verhältnis noch krasser. Nur vier der in diesem Zeitraum 336 neu auf den Markt gebrachten Wirkstoffe waren für vernachlässigte Krankheiten gedacht, und drei der vier für Malaria. [3]

Wenn in Deutschland systematisch medizinische Fehldiagnosen zu einer bestimmten Krankheit gestellt würden, wäre das ein riesiger Skandal. In Ghana und vermutlich auch anderen Subsaharastaaten hat die Fehldiagnose vor allem mangels Interesse der Pharmaindustrie System.


Fußnoten:

[1] http://www.miami.edu/index.php/news/releases/studying_incidence_of_dengue_fever_in_west_africa/

[2] http://www.nature.com/nature/journal/v496/n7446/full/nature12060.html

[3] tinyurl.com/onxbn9s

5. März 2015


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