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AFRIKA/2144: Nicht mal Brotkrumen von der G7 (SB)


Auf Augenhöhe mit Afrika!

... man will sich ja nicht immer bücken müssen ...


"Afrikas Sicherheit, Stabilität und nachhaltige Entwicklung haben für uns hohe Priorität", schreiben die G7-Staaten in ihrem Abschlußkommuniqué. Und an anderer Stelle: "Wir sind zutiefst besorgt über das verheerende Ausmaß der Nahrungsunsicherheit, die von Konflikten und Instabilität befeuert werden und die in Teilen Südsudans zu einer Hungersnot sowie in Somalia, Jemen und Nordostnigeria zu einer ernsthaften Hungergefahr, von der mehr als 20 Millionen Menschen betroffen sind, geführt haben." [1]

Um ihnen diese wichtige Botschaft und viele weitere warme Worte mit auf den Weg zu geben, waren eigens die Staatschefs der afrikanischen Länder Äthiopien, Kenia, Niger, Nigeria und Tunesien zum Gipfeltreffen nach Sizilien eingeflogen worden. Denn einer von sechs Themenkomplexen des diesjährigen G7-Gipfels in Taormina handelte von Afrika. Man will ja nicht immer "über" Afrika reden, sondern auch mal "mit" Afrika. Wobei das Bücken zu anstrengend ist, deshalb also: Auf Augenhöhe!

Auf die G7-Staaten ist bei der Hungerbekämpfung insofern Verlaß, als man sich mit Sicherheit nicht auf sie verlassen kann. 20 Millionen Hungernde werden von hohlen Versprechungen nicht satt, und wenn die G7-Staaten ernsthaft zusagen, daß sie "rasch humanitäre Hilfe mobilisieren" wollen, ist das den notleidenden Menschen noch ins Gesicht gespuckt. Denn schon vor Wochen, nein, mehreren Monaten haben Entwicklungsorganisationen vor der bereits damals voll ausgebauten Hungerlage in weiten Teilen Afrikas gewarnt und eben jene Staaten um Hilfe gebeten, die jetzt auf einmal schnelle Hilfe versprechen. Man muß kein Augure sein, um mit Gewißheit feststellen zu können: Es wird keine Hilfe geben.

Die Vereinten Nationen haben einen Hilfsappell in Höhe von 6,9 Milliarden US-Dollar an die Weltgemeinschaft gerichtet. Dafür liegen erst Zusagen über rund 30 Prozent vor. Und "Zusage" bedeutet noch lange nicht, daß dieser Wert auch eingehalten wird. Beispielsweise hat Deutschland im vergangenen Jahr nur deshalb seine Zusage, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, erstmals erreicht, weil es die Flüchtlingshilfe im eigenen Land mit eingerechnet hat. [2] Das machen andere reiche Länder auch, weswegen das Verfahren als zulässig gilt, aber in der Konsequenz bedeutet, daß Deutschland seine Entwicklungshilfe sogar noch kürzt, wenn die Not in den Ländern des globalen Südens und damit die Zahl der Flüchtlinge wächst.

Hilfe für Afrika sieht in der Lesart der G7-Staaten so aus, daß sie die Grenzbefestigungen weiter ausbauen wollen, um die Heere von Menschen auf dem Weg in die klimatisch vorteilhafteren Regionen des globalen Nordens abzuwehren. Es ist keineswegs nur US-Präsident Donald Trump, der sein Land gegenüber Flüchtlingen abschotten will. Mitten drin und nicht nur dicht dabei ist auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière mit seinem Vorschlag von Mitte Mai, so schnell wie möglich eine EU-Grenzschutzmission an die libysche Südgrenze zu entsenden. Es befänden sich Hunderttausende Flüchtlinge "in den Händen von Schmugglern" und riskierten ihr Leben in Libyen und im Mittelmeer. [3] Mit diesem Vorschlag stieß der deutsche Innenminister bei den EU-Granden auf offene Ohren.

Wie weit die völlige Ignoranz der G7-Staaten gegenüber den hungernden Menschen entwickelt ist, wird auch an einem eklatanten Widerspruch innerhalb der Abschlußerklärung deutlich. In ein- und demselben Dokument bekennt sich die G7 zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs), andererseits heißt es unter Punkt 27 der Abschlußerklärung: "Wir bekräftigen unser gemeinsames Ziel, 500 Millionen Menschen in Entwicklungsländern bis zum Jahr 2030 von Hunger und Unterernährung zu befreien." Die UN-Nachhaltigkeitsziele besagen jedoch, daß bis 2030 der Hunger "beendet" werden soll. [4]

Der Unterschied ist zahlenmäßig nicht gering. Derzeit hungern nach UN-Angaben fast 800 Millionen Menschen. Nach den neu formulierten Taormina-Ziel fallen also 300 Millionen Menschen kurzerhand unter den Tisch. Das ist dreieinhalbmal so viel wie die Einwohnerzahl Deutschlands.

Verachtung wäre wohl das passende Wort zur Beschreibung dieses Kommuniqués. Daß die afrikanischen Staatschefs nicht gegen diese Behandlung aufbegehren, zeigt ihre Beteiligung an der Farce. Obgleich keines der genannten Ländern Afrikas im Verdacht steht, die vorherrschenden Produktionsverhältnisse in Frage stellen zu wollen, wurde ihnen mit Jugoslawien, Irak, Libyen und Syrien - Venezuela ist der nächste auf der Abschußliste - klipp und klar vor Augen geführt, mit welchen verheerenden Strafmaßnahmen sie zu rechnen haben, sollten sie auch nur den Versuch wagen, die Fessel der neokolonialistischen Ausbeutung von Mensch und Natur durch die militärisch überlegenen Länder, die sich zum Gespräch in Taormina getroffen haben, lockern zu wollen.


Fußnoten:

[1] http://www.g7italy.it/sites/default/files/documents/G7%20Taormina%20Leaders%27%20Communique_27052017_0.pdf

[2] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/entwicklungshilfe-deutschland-erfuellt-erstmals-ziel-der-uno-a-1142928.html

[3] https://www.welt.de/politik/deutschland/article164533029/De-Maiziere-fordert-EU-Grenzschutzmission-in-Libyen.html

[4] http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_agenda/17_ziele/ziel_002_hunger/index.html

28. Mai 2017


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