Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


AFRIKA/2159: Lobosourcing - Markt mit umgekehrtem Vorzeichen ... (SB)



VW läßt in Ruanda als erster ausländischer Fahrzeughersteller Autos zusammenschrauben und will in dem kleinen ostafrikanischen Land auch Mobilitätsanbieter werden. Später sollen dort sogar Elektroautos vom Band rollen und auf die Straße gebracht werden. Damit dient Ruanda, das als ziemlich repressiv gilt, VW sowohl als neuer Markt, der erschlossen werden soll, als auch als überschaubar großes Testgebiet für Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing (Auto teilen) und Ride Hailing (Auto auf Abruf), wie sie beispielsweise auch für Deutschland geplant sind. Zugleich bläst der Konzern offensichtlich zum Angriff auf seinen Konkurrenten Toyota, der bislang den afrikanischen Automarkt beherrscht. Im Mai 2017 hat Volkswagen Subsahara-Afrika zu einer weiteren Region für seine Unternehmungen erklärt. Im Rahmen dieser Strategie wurde in Ruanda das Unternehmen Volkswagen Mobility Solutions Rwanda gegründet.

Im Mai sollen in einer Fabrik in der Hauptstadt Kigali die ersten Autos vom Band rollen, zunächst 1000 im Jahr, später bis zu 5000. Es ist an die Fertigung von drei Modellen gedacht, Polo, Passat und der SUV Teramont. In dem Ende 2016 in Kenia eröffneten Werk wird bislang nur der Polo gebaut. Laut der Zeitung "The East African" liegt das daran, daß Ruanda dem Konzern großzügige Investitionsanreize unterbreitet hat. [1]

Die Fahrzeuge werden im VW-Werk in Südafrika vollständig zusammengeschraubt, anschließend partiell wieder auseinandergenommen und als Einzelteile nach Mombasa (Uganda) verschifft, von wo sie auf dem Landweg nach Ruanda befördert werden. Was sich absurd anhört, macht ökonomisch Sinn. Für die Einfuhr fertiger Autos werden hohe Zölle genommen, die Einfuhr von Einzelteilen ist dagegen teilweise zollfrei. Das Verfahren macht sich für VW bezahlt. Zumal die geplanten Investitionen in Höhe von 20 Mio. Dollar gering sind, und ein Scheitern des Vorstoßes kein Problem darstellte.

Doch danach sieht es ganz und gar nicht aus. Das Straßennetz Ruandas gilt als relativ gut ausgebaut, auch Breitbandkabel sind vielerorts verlegt. Kigali gelte als am besten vernetzte Stadt Afrikas, schreibt automobilwoche.de. [2] Gute Voraussetzungen für weitere Konzepte, die VW dort verfolgt. Noch in diesem Jahr sollen 150 Fahrzeuge für "Ride Hailing" zur Verfügung stehen. Diese können via Smartphone-App angefordert werden - das dazu erforderliche System wird zur Zeit von dem ruandischen Unternehmen Awesomity entwickelt. Ride Hailing wird damit beworben, daß es eine Lücke zwischen öffentlichem Nahverkehr und Taxis schließt. Der Autoexperte Stephan Krull kommt jedoch nach seiner Analyse des gleichen Konzepts in Hannover zu der Einschätzung, daß VW damit beide Mobilitätsangebote übernehmen möchte. [3]

Im nächsten Jahr will VW in Ruanda ein öffentliches Car-Sharing-System mit zunächst 250 Fahrzeugen einführen. Der Konzern weiß, daß sich in absehbarer Zeit nicht viele Ruander ein eigenes Auto werden leisten können. Aber sich eines zu teilen kommt vielleicht eher in Frage. Man geht davon aus, daß die junge Generation offen für solche Konzepte ist - und in Ruanda ist über die Hälfte der zwölf Millionen Einwohner unter 20 Jahre alt. Bei all dem darf die Elektromobilität nicht fehlen. Auch in Verbindung mit seinen Mobilitätskonzepten will VW irgendwann in Ruanda Elektroautos bauen lassen. Die flächendeckende Ausstattung des kleinen Landes - es ist vergleichbar mit der Größe Hessens - mit Ladestationen dürfte kein unüberwindliches Hindernis darstellen.

Zwischen 500 und 1000 Arbeitsplätze will VW in Ruanda schaffen, für dessen Regierung dies ein Pilotprojekt ist, das hervorragend zu der eigenen, neoliberalen Wirtschaftslinie paßt. Das jährliche Wachstum von gut sieben Prozent ist relativ stabil, und die Frage, wie dieser Ergebnis zustandekommt, wird von VW nicht gestellt. An dieser Einstellung hat sich anscheinend seit Jahrzehnten nichts geändert. Die Rolle des Volkswagenkonzerns während der Militärdiktatur in den 1980er Jahren in Brasilien ist mehr als zwielichtig, gleiches gilt für die Kooperation mit dem Apartheid-Regime in Südafrika. Die sogenannte Erfolgsgeschichte Ruandas hat ihre Schattenseiten. Oppositionspolitiker und -politikerinnen dürfen sich glücklich schätzen, wenn sie "nur" ins Gefängnis geworfen und mit Prozessen überzogen werden. Viele, die den langjährigen Machthaber Paul Kagame politisch herausgefordert haben, wurden umgebracht. Wenngleich die Fälle ungeklärt blieben - unerklärlich waren sie nicht.

Das solide Wirtschaftswachstum Ruandas kommt nicht zuletzt dadurch zustande, daß dessen Truppen Rohstoffplünderung im überaus ressourcenreichen Nachbarland DR Kongo, das unter anderem über 65 Prozent der Weltvorräte an Kobalt verfügt, betrieben haben oder daß Ruandas Regierung Stellvertretermilizen vor Ort installiert hat, die den Abtransport der Beute sicherstellten. Beides wurde ausreichend von mehreren Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen dokumentiert, zuletzt im Jahr 2010. [4]

Ruandas wachsender Wohlstand beruht somit auch auf dem nicht endenden Elend jenseits der Grenze zum konfliktreichen Ostkongo. Worin genau die Investitionsanreize der Regierung für VW bestanden, ist nicht bekannt. Man kann jedoch annehmen, daß die ruandische Regierung, sollte sie noch über die engen Kontakte zu den Rebellen in Ostkongo verfügen, ein gutes Wort für VW, das einen großen Bedarf an Kobalt für seine Elektroautos hat, einlegen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.theeastafrican.co.ke/business/Volkswagen-taxi-hailing-service-sell-cars-Rwanda--/2560-4271140-fijovxz/index.html

[2]  https://www.automobilwoche.de/article/20161222/NACHRICHTEN/161229934/vw-goes- africa-volkswagen-plant-integriertes-mobilitaetskonzept-in-ruanda

[3] http://schattenblick.de/infopool/buerger/report/brri0163.html

[4] http://www.taz.de/taz/pdf/DRC_RAPPORT_FINAL_ENG_18062010-2.pdf

23. Januar 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang