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AFRIKA/2167: Fracking - Zünder an der Lunte ... (SB)



Weite Landschaft mit sandigem Boden, auf dem Halbkakteen wachsen und lila Pflanzen blühen - Foto: Winfried Bruenken (Amrum), CC BY-SA 2.5 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en]

Blühende Karoo im Frühling, nahe Willowmore, Ostkap, Südafrika Foto: Winfried Bruenken (Amrum), CC BY-SA 2.5 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en]

Anfang April hat der Shell-Konzern seine Fracking-Vorbereitungen im südafrikanischen Karoo-Becken auf Eis gelegt. Doch handelt es sich um keinen Sieg der Umweltschutzbewegung und örtlichen Landbevölkerung, sondern in erster Linie um eine Folge des niedrigen Weltmarktpreises für Erdgas sowie politisch bedingter Verzögerungen. Shell kann seine Aktivitäten jederzeit wieder hochfahren; außerdem sind noch weitere Unternehmen in die Exploration involviert. Ebenfalls ein wichtiger Faktor, der mitentscheidend dafür ist, ob in Zukunft in dieser ökologisch einzigartigen, semiariden Landschaft gefrackt wird, ist die Abschätzung des Lagerstättenpotentials. In einer aktuellen Studie, an der auch das Geoforschungszentrum Potsdam beteiligt ist, wird festgestellt, daß die förderbare Erdgasmenge der Karoo möglicherweise als zu gering bewertet wurde.

Bei Fracking bzw. der hydraulischen Frakturierung wird eine erdgas- oder erdölhaltige Gesteinsschicht in teils mehreren Kilometern Tiefe zunächst vertikal, dann allmählich horizontal übergehend bis zu 1000 Meter weit angebohrt. Mittels einer Perforationskanone wird sowohl das Rohr selbst durchschossen als auch das Gestein durchlöchert, so daß in einem möglichst großen Volumen Frackfluide - bestehend aus Wasser, diversen Chemikalien und Spezialsand - unter hohem Druck in den Untergrund gepreßt werden können. Dadurch wird das Gestein aufgebrochen, und das in kleinen Poren vorliegende Gas kann nun mit der Frackingflüssigkeit hinaufgepumpt werden. Pro Bohrung wird viele Male in die gleiche Richtung gefrackt, um dann die nächste Richtung anzubohren und dort erneut viele Male zu fracken, und so weiter. Pro Quadratkilometer an der Erdoberfläche werden womöglich mehrere Bohrplätze eingerichtet.

Genaugenommen hat sich Shell nicht aus der Karoo zurückgezogen, sondern nur die entsprechende Belegschaft für das Projekt reduziert. Unternehmenssprecherin Dineo Pooe begründete dies mit dem niedrigen Ölpreis sowie damit, daß man unterdessen Klarheit hinsichtlich der Gesetzgebung seitens des Minerals and Petroleum Resources Development Acts, der technischen Bestimmungen und einer Explorationsgenehmigung abwarten will. Shell stehe weiterhin zu seinen Unternehmungen in Südafrika [1].

Hinsichtlich des Lagerstättenpotentials in 2,5 bis 3,5 Kilometer Tiefe des Karoo-Beckens wurden inzwischen deutlich voneinander abweichende Einschätzungen publiziert. So erklärte der Rechtsanwalt Derek Light, der 400 Farmer vertritt, die das Fracking ablehnen, ihn überrasche die Entscheidung Shells nicht. Denn keine der Erkundungsbohrungen in Gebieten, die als aussichtsreich galten, habe nennenswerte Gasmengen ergeben.

In einer Studie, die im September vergangenen Jahres im Journal "Science" veröffentlicht wurde und an der die drei Universitäten von Johannesburg, Kapstadt und Portsmouth sowie der südafrikanische Council for Geoscience beteiligt waren, wurde berichtet, daß die Lagerstätte im Karoo-Becken weniger Gas enthält als gedacht, da sich dieses aufgrund des Einflusses von Wärmequellen im Untergrund zerstreut hat. Die zu erwartende Fördermenge wurde drastisch von ursprünglich 485 Trillionen Kubikfuß (Tcf) auf rund 13 Tcf reduziert.

Nochmals anders klingt es hingegen in einem Bericht unter deutscher Beteiligung von Anfang April dieses Jahres, der im South African Journal of Geology der Geologischen Gesellschaft von Südafrika veröffentlicht wurde. In der Neubewertung und -untersuchung einer Reihe von Bohrkernen, die bereits in der Vergangenheit in der Karoo nördlich der Cape Mountains gezogen worden waren, wird das förderbare Schiefergasvolumen an einer Stelle (Rock 1) auf 10 bis 50 Tcf und an einer anderen (Rock 2) auf 65 bis 400 Tcf geschätzt [2]. Mit diesen Mengen nähert man sich wieder dem ursprünglichen Wert an.

Ohne hier die stark voneinander abweichenden Einschätzungen bewerten zu wollen, zeigt dieses Beispiel eines sehr deutlich: Man kann nicht sicher sein, daß die Karoo dauerhaft zu unattraktiv für die Gasförderindustrie bleiben wird. Selbst wenn die vielen hundert Millionen Liter an Wasser, die für das Fracking gebraucht werden, nicht vor Ort gewonnen werden, sondern von weiter entfernt per Tankwagen herangebracht werden müssen, wie in einer strategischen Umweltbewertung vorgeschlagen, schließt das nicht aus, daß eines Tages in der Karoo gefrackt wird. Es gibt eigentlich keine Weltregion, ob polar, gemäßigt oder tropisch, in der keine fossilen Energieträger auf teils sehr aufwendige und mitunter umweltzerstörerische Weise gewonnen werden.


Seesternartige, rote Pflanze mit gelben Noppen auf sandigem Boden zwischen trockenem Altholz - Foto: Abu Shawka, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de]

Haworthia pumila im Robertson Karoo Habitat - Worcester
Foto: Abu Shawka, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de]

Es besteht ein hohes Risiko, daß die Karoo mit ihrer empfindlichen Pflanzen- und Tierwelt sowie der landwirtschaftlichen Produktion unter vermehrten Frackingaktivitäten leiden wird. Auch wenn die oberirdische Fläche einer einzelnen Bohrstelle nicht groß ist, muß bedacht werden, daß Dutzende, möglicherweise Hunderte Bohrungen ausgebracht werden. Alles Material, von Wasser über Chemikalien bis zu Dieselaggregaten, Kompressoren, Rohren und anderen Ausrüstungsgegenständen, würde per Lkw herangefahren und auch wieder weggeschafft. Entweder würden dazu geteerte Straßen angelegt oder Sandpisten befahren; auch das gewonnene Gas würde per Lkw abtransportiert - in allen Fällen wäre das ökologisch verheerend.

Wasser ist in der Karoo knapp. Beim Anlegen der Bohrlöcher werden Grundwasserhorizonte durchstoßen. Dabei besteht die Gefahr, daß Wasser abfließt, vor allem aber, daß das mit einem Chemikaliencocktail versetzte Produktionswasser oder auch Gas ins Grundwasser gelangt und es kontaminiert. Darüber hinaus sind die geophysikalischen Folgen des Frackings noch gar nicht ausgelotet. Immerhin werden ganze Gesteinsschichten horizontal aufgebrochen. Es können sich tektonische Spannungen aufbauen oder auch lösen, was die Gefahr der Entstehung von Erdbeben birgt. Der US-Bundesstaat Oklahoma ist dafür ein beredtes Beispiel.

Mag auch in der Karoo vorläufig nicht gefrackt werden, der Rückzug von Shell muß nicht von Dauer sein. Da Dealer keine Bedeutung hätten, wenn es keine Kundschaft für ihre Drogen gäbe, würde die alleinige Kritik an Shell und anderen Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft zu kurz greifen. Gegen den politischen Willen dürfte kein Unternehmen in der Welt irgendwo fracken, und Regierungen gehen in der Regel aus Wahlen hervor, bei denen sie die Zustimmung der Bevölkerung erhalten haben.

Das Problem ist also um einiges umfangreicher, als daß es damit zu lösen wäre, mit dem Finger auf einzelne Beteiligte zu zeigen. Was wiederum nicht ausschließt, an einer Stelle in der Kette der Verantwortlichkeiten den Hebel anzusetzen, um sich dafür stark zu machen, daß kein Fracking betrieben wird.


Zwei parallele Rohre, am unteren Rohr Schußlöcher, die von innen nach außen  gebördelt sind - Foto: Bill Cunningham, USGS. Public domain.

Perforationskanone im Vergleich: Oberers Rohr vor und unteres Rohr nach der Benutzung.
Foto: Bill Cunningham, USGS. Public domain


Fußnoten:


[1] https://www.heraldlive.co.za/news/2018-04-11-shell-pulls-back-from-the-karoo/

[2] https://pubs.geoscienceworld.org/gssa/sajg/article-abstract/120/4/541/530473/lateral-and-temporal-variations-of-black-shales


26. April 2018


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