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AFRIKA/2190: CRISPR-Cas - Versuchsstadium ... (SB)



Malaria ist für den Tod von weltweit über 435.00 Menschen jährlich verantwortlich. Eine Forschergruppe unter anderem vom Imperial College London will noch in diesem Jahr in Burkina Faso Mücken (Anopheles gambiae) freisetzen, deren Genom so verändert wurde, daß sie als Malariaüberträger ausgerottet werden. Obschon die Voruntersuchungen und Versuche seit Jahren laufen und die Forscher mit - aus ihrer Sicht - großer Umsicht zu Werke gehen, hat das Projekt Kritik auf sich gezogen, die nicht von der Hand zu weisen ist. [1]

Die mittels der Gen-Schere CRISPR-Cas vorgenommenen Genomveränderungen verbreiten sich möglicherweise nicht nur in den Ziel-Insekten, sondern auch in verwandten Arten und bewirken dort unerwünschte Veränderungen. Burkina Faso würde zum ersten Testfeld dieser Art auf afrikanischem Boden. In mehreren Ländern Lateinamerikas wurden schon Experimente mit genetisch veränderten Mücken in diesem Fall im Kampf gegen Dengue- und Zika-Viren durchgeführt, doch in Burkina Faso soll erstmals die Methode des Gene-Drive (Gen-Antrieb) eingesetzt werden.

Beim Gene-Drive wird nicht nur das Genom mittels eines Gen-Schere-Enzyms aufgeschnitten, um eine bestimmte Eigenschaft auszuschalten (oder umgekehrt eine Eigenschaft einzubauen), so daß die Veränderung an die Hälfte der nächsten Generation weitergegeben wird, sondern es wird die Gen-Schere selbst vererbt. Die verrichtet ihr Werk dann bei nahezu allen Nachkommen, da sie sowohl das mütterliche als auch das väterliche Erbgut zerschneidet.

Der bereits von der Regierung Burkina Fasos genehmigte Versuch des Forschungszusammenschlusses Target Malaria, an dem 16 Institutionen beteiligt sind, läuft letztendlich darauf hinaus, genomveränderte Mückenmännchen freizusetzen, die sich mit Weibchen paaren und dabei die Gen-Schere weitergeben. Nur Weibchen übertragen den Malariaerreger. Kommen die weiblichen Nachkommen steril zur Welt, wie mittels der Gen-Schere CRISPR-Cas herbeigeführt, könnten sie keine Nachkommen zeugen. Innerhalb weniger Reproduktionszyklen bzw. rund zwei Jahren besäßen nahezu alle Mücken die Gen-Schere und wären auch keine Malaria-Überträger mehr.

Zu den Voruntersuchungen von Target Malaria gehörte beispielsweise ein Experiment, bei dem 500 normale Mücken mit einem fluoreszierenden Puder bestäubt und freigesetzt wurden. So fand man heraus, daß sich ein Gene-Drive-Experiment innerhalb eines Jahres rund 20 Kilometer um den Freilassungsort herum ausbreitet. [2] Solche Versuche begründen die Idee der Bill und Melinda Gates Stiftung, die hier als Hauptgeldgeber auftritt, irgendwann im Abstand von 50 Kilometern genomveränderten Mücken auszusetzen und Malaria großmaßstäblich auszurotten. Ein weiterer Sponsor ist das Open Philanthropy Project, hinter dem unter anderem Facebook steckt.

Der für dieses Jahr angekündigte Versuch sieht die Freilassung von 10.000 sterilen Männchen vor. Sie sind gentechnisch verändert, aber noch nicht mit Gene Drive ausgerüstet. Ein solcher Versuch folgt später. Mit dem Gen Drive wird ein Mechanismus vom Labor in die freie Wildbahn entlassen, und niemand kann kontrollieren, was anschließend geschieht.

Zum Vergleich zwischen Gentechnik und Gene-Drive: Ein Kritikpunkt an der Herstellung von GMOs (gentechnisch manipulierten Organismen) lautet, daß sich die gentechnischen Eigenschaften in der freien Natur ausbreiten können. So hat der US-Konzern Monsanto Landwirte verklagt, weil sie angeblich sein genetisch verändertes Saatgut verwendet haben, ohne dafür Lizenzen zu entrichten. Die Landwirte selbst jedoch behaupten, die GMO-Veränderung sei mit dem Pollenflug in ihr Feld geweht worden und habe es kontaminiert. So kontrovers dieses Szenario auch ist, Gene-Drive geht weit darüber hinaus. Denn es könnte bedeuten, daß sich die Genveränderung innerhalb kurzer Zeit über das ganze Feld ausbreitet (da das Gen-Schere-Enzym mit dem Wachstum der Pflanze in allen Pflanzenzellen verankert werden könnte) und/oder daß auch die nachfolgenden Generationen, sofern sie überhaupt noch über die ursprüngliche Eigenschaft verfügen, ebenfalls genomisch verändert würden.

Das bedeutet, daß der Mensch in die Biodiversität eingreift und womöglich ganze Ökosysteme dauerhaft verändert. Das macht er zwar sowieso, denn menschliche Aktivitäten bewirken zur Zeit das sechste Massensterben unter Tier- und Pflanzenarten in der Erdgeschichte, aber das ist sicherlich nichts, worauf man die Befürwortung der Gene-Drive-Versuche stützen sollte.

Vielleicht gelingt es der Forschung im Rahmen von Target Malaria, die Gen-Schere mit einem Mechanismus auszustatten, so daß sie irgendwann unwirksam wird. Damit wäre die Gefahr jedoch weiterhin nicht gebannt, denn, wie gesagt, die Gen-Schere könnte, noch bevor sie stumpf wird, auf artverwandte Arten übergehen. So hat das renommierte Pasteur-Institut in Paris vor acht Jahren in Burkina Faso einen neuen Mückentyp entdeckt, der ebenfalls zu der Gruppe der Anopheles gambiae gehört, aber bis dahin nicht erkannt worden war, weil er außerhalb der menschlichen Siedlungen brütet. Dieser neue Typ nimmt den Malariaerreger (Plasmodium falciparum) leichter auf als seine Verwandten. [3] Was die Gen-Schere im Genom der verschiedenen Subtypen der Mücken anrichtet, weiß man nicht, warnt die Website testbiotech. Theoretisch vorstellbar sei, daß der massenhafte Mückentod Lücken im Ökosystem öffnet, die von anderen Insekten gefüllt werden. Das könnten dann zum Beispiel Pflanzenschädlinge sein. [4]

In dem Fall hätte man den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Doch das Problem existiert hier nicht, behauptet Target Malaria. Innerhalb des Ökosystems Westafrikas gilt die Mücke nicht als Schlüsselspezies, deren Verschwinden große Lücken reißen würde. Auch sind keine Predatoren bekannt, die geschädigt würden, wenn es die Mücke nicht mehr gäbe. Das Mückenweibchen ist nach der Befruchtung auf die Proteine menschlichen oder tierischen Bluts angewiesen, um Eier entwickeln zu können. In Regionen, in denen die Malariamücken durch konventionelle Methoden, vor allem durch die Verbreitung von Moskitonetzen, sehr stark zurückgedrängt wurden, seien keine ökologischen Folgeschäden dieser Art der Reduzierung bekannt. [5]

Bei Laborversuchen in London war es vorgekommen, daß der Gene Drive nach wenigen Generationen bei einigen Mücken unwirksam wurde und sich diese Insekten daraufhin stark vermehrten. Andererseits war es im Labor gelungen, das Mückengenom mittels CRISPR-Cas so zu bearbeiten, daß aus den Eiern nur noch Männchen und unfruchtbare Weibchen schlüpften. In einem Versuch dauerte es acht in einem anderen elf Generationen, bis die Weibchen keine Eier mehr legten und die Mückenpopulation zusammenbrach. [6]

Würde das in der freien Wildbahn passieren, wäre das Malariaproblem gelöst, so die unausgesprochene Botschaft. Target Malaria gibt sich viel Mühe, nicht als typisches postkoloniales Experiment über die Köpfe der Menschen in Afrika hinweg zu erscheinen. Vor Ort arbeitet man mit dem Institut de Recherche en Sciences de la Santé (IRSS) in Bobo-Dioulasso zusammen.

Jene 10.000 Mücken, für deren Freisetzung in den Dörfern Bana und Sourkoudingan man die Genehmigung eingeholt hat, tragen noch nicht den Gene-Drive-Mechanismus in sich. Der Versuch dient dazu, die Ausbreitung zu erforschen, die eigenen Sicherheitssysteme zu testen und auch herauszufinden, inwiefern die Versuche in der lokalen Bevölkerung, die angeblich über den jeweiligen Stand der Forschungen informiert wird, akzeptiert werden. Außerdem würde es nicht genügen, nur die Mücken zu beseitigen, denn auch jeder vierte Mensch in Westafrika ist Überträger des Malariaerregers. Das heißt, zu der Kampagne gehört ebenfalls die klassische Malariabekämpfung mit der Vergabe von Medikamenten. Dabei verfolgt Target Malaria einen interdisziplinären Ansatz und sorgt dafür, daß in Burkina Faso sowie den ebenfalls beteiligten Ländern Uganda und Mali Fachkräfte ausgebildet werden, welche die Forschungen weiterbetreiben. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Terre à Vie bemängeln jedoch die Intransparenz der Versuche. [7]

In Burkina Faso sterben jedes Jahr mehrere tausend Menschen an Malaria, hauptsächlich Kinder. Darüberhinaus verschlingt die Malariabekämpfung und -behandlung einen beträchtlichen Teil des Gesundheitshaushalts des Landes. Angesichts dessen wundert es nicht, daß die Regierung Burkina Fasos Forschungen unterstützt, die ein solches Massaker, das jeden bewaffneten Konflikt zahlenmäßig weit in den Schatten stellt, fördert. Allerdings wäre die Regierung gut beraten, auch auf kritische Stimmen zu hören und die Versprechungen der Gentechniklobby sorgsam zu prüfen. Zumal das Land bereits schlechte Erfahrungen mit der Gentechnologie gemacht hat. Der Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle ist gescheitert. Bei der Ausrottung von Malaria steht noch mehr auf dem Spiel als "nur" die ökonomischen Verluste zahlreicher Kleinbauern.


Fußnoten:

[1] http://www.etcgroup.org/content/do-not-betray-africa-synbio-and-gene-drives

[2] http://www.heise.de/-3326265

[3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3065189/

[4] http://www.testbiotech.org/sites/default/files/Fragen_und_Antworten_zu_Gene-Drive-Mu%CC%88cken.pdf

[5] https://targetmalaria.org/category/blog/

[6] https://www.nature.com/articles/nbt.4245.pdf

[7] tinyurl.com/y2gagg7e

12. März 2019


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