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AFRIKA/2202: Angola - und willst du nicht mein Bruder sein ... (SB)



Regelmäßig, wenn die deutsche Bundeskanzlerin ins Ausland reist, ventiliert die Presse schulmeisterlich "unbequeme" Themen, die sie anzusprechen habe oder mit denen sie konfrontiert werde. Diese Woche ist Angela Merkel mit einer hochrangigen Handelsdelegation im Gefolge ins südliche Afrika geflogen, wo sie Südafrika und Angola besucht. Die "Welt" moniert im Vorwege, daß Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Idee einer erzwungenen Landreform ins Gespräch gebracht hat. Er wiederhole "gebetsmühlenartig", daß dies nur Ausnahmefälle betreffen werde, weiß die Zeitung zu vermelden. [1]

Die Formulierung "gebetsmühlenartig" soll wohl heißen, daß die Erklärung des südafrikanischen Präsidenten unglaubwürdig, nur so dahergesagt sei. Dabei befindet sich in Südafrika mehr als ein Vierteljahrhundert nach Ende der Apartheid noch immer der bei weitem größte Teil des Agrarlands in der Hand von Weißen. Die bisherigen Versuche der Regierung, allein auf freiwilliger Basis das Land umzuverteilen, sind weitgehend gescheitert.

"Focus" wiederum sieht Merkel in Angola mit der "K-Frage" konfrontiert, wobei die Zeitung das "K" für Korruption gesetzt hat. [2] Ob und inwieweit Merkel solche Streitthemen auf ihrer Reise auch nur ein einziges Mal angesprochen hat, ist nicht bekannt. In den offiziellen Verlautbarungen jedenfalls ist davon nicht die Rede. Vielmehr geht es um handfeste wirtschaftliche Interessen, und was die Korruption betrifft, so sind daran stets zwei Seiten beteiligt. Mit Joe Kaeser war der Chef von Siemens mitgereist, eines Konzerns, der in den Nuller Jahren eine Strafzahlung in Höhe von 800 Mio. Dollar akzeptiert hat. Davon gingen 450 Mio. Dollar an das US-Justizministerium und 350 Mio. Dollar an die Börsenaufsicht SEC. Siemens waren weltweit Hunderte Bestechungsprojekte und Tausende von illegalen Zahlungen vorgeworfen worden. Unter anderem in Afrika. Wer also wie "Focus" im deutschen Glashaus sitzt ...

Was die von Südafrikas Präsident Ramaphosa angeblich "gebetsmühlenartig" vorgetragene Beteuerung betrifft, nur in Ausnahmefällen Land der Weißen zu enteignen, so sei daran erinnert, daß in Deutschland der Staat gemäß Grundgesetz zum Wohle der Allgemeinheit Land enteignen darf und dies auch tut. Ohne dieses Recht gäbe es wahrscheinlich keine Braunkohletagebaue und der fossile Energieträger würde ungehoben bleiben - zum Wohle des globalen Klimas. Doch wenn es darum geht, schulmeisterlich gegenüber anderen Ländern aufzutreten, wird so etwas gerne vernachlässigt.

Zudem zählt die "Welt" zum Medienkonzern Springer, der Südafrikas Apartheidregime gestützt hat und somit zumindest indirekt an der Landenteignung beteiligt war. Beispielsweise war Zeitungsgründer Axel Cäsar Springer laut "Der Spiegel" mit dem ehemaligen südafrikanischen Finanzminister Nicolaas Diederichs befreundet und 1975 zu dessen Vereidigung als Staatspräsident als Ehrengast nach Kapstadt geflogen. [3]

Wenn also Korruption und Landenteignung überhaupt Themen auf der Reise Merkels waren, so dürfte ihre Bedeutung weit hinter den wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik in diesen zwei sehr unterschiedlichen Ländern zurückbleiben. Südafrika ist das wirtschaftlich stärkste Land südlich der Sahara. Dort haben sich bereits rund 600 deutsche Unternehmen angesiedelt, die 100.000 direkte und weitere 100.000 indirekte Arbeitsplätze geschaffen haben. Der Umsatz der Unternehmen liegt zusammen bei rund 17 Mrd. Euro.

Südafrika wie auch Deutschland sitzen zur Zeit im UN-Sicherheitsrat, und in Kürze wird Ramaphosa den Vorsitz der Afrikanischen Union einnehmen, dem Pendant zur Europäischen Union. Deutschland wiederum bekommt im Sommer von Kroatien den Staffelstab für den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft überreicht. Es gibt also neben den rein wirtschaftlichen Interessen, die unter anderem bei einem Runden Tisch mit Wirtschaftsvertretern besprochen wurden, auch politische bzw. geopolitische Ausrichtungen abzustimmen.

Beispielsweise die Frage, wie es mit Libyen weitergeht. Als vor neun Jahren ein von der NATO zusammengestelltes Angriffsbündnis den libyschen Regierungschef Muamar al-Gaddafi aus dem Amt bombardiert hat, hatte sich Deutschland nicht daran beteiligt und deswegen Pluspunkte bei der Afrikanischen Union eingehandelt. Die hatte nämlich bis zum Schluß versucht, den Konflikt in Libyen mit diplomatischen Mitteln zu lösen, war aber von Frankreich und dem Vereinigten Königreich brüskiert worden, indem sie kurzerhand ihre Kampfjets in den Einsatz schickten. Mit der kürzlich in Berlin abgehaltenen Libyen-Konferenz versucht Deutschland nun das Pfund seiner angeblich neutralen Vermittlerrolle in klingende Münze zu verwandeln.

Das nordafrikanische Land stellt nicht nur mit seinen üppigen Erdölvorkommen eine Verlockung dar, ihm kommt auch eine besondere Bedeutung für die Flüchtlingsabwehr der Europäischen Union zu.

Der Handel der Bundesrepublik mit der regionalen Wirtschaftsmacht Angola, dem zweitwichtigsten Erdölexporteur des Kontinents, ist vergleichsweise gering. Obwohl die DDR einst gute Beziehungen zu seinem Brudervolk in der Republik Angola gepflegt hat, sind hier zur Zeit nur 25 deutsche Unternehmen engagiert. Das Handelsvolumen liegt bei 183 Mio. Euro. Merkel eröffnete gemeinsam mit Angolas Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço ein deutsch-angolanischen Wirtschaftsforum, um wirtschaftlich, nicht ideologisch an alte Zeiten anzuknüpfen. Weniger Bürokratie und mehr Rechtssicherheit lauteten die Forderungen der Kanzlerin an ihren Gastgeber, der als Gegenleistung engere Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht stellte.

Mit dem dualen Ausbildungssystem Deutschlands, das anderen Ländern als Vorbild dient und von dem nun auch Südafrika lernen will, sichert die Bundesregierung langfristig der deutschen Industrie den notwendigen Nachschub an Fachkräften. Dank des allgemein sehr niedrigen Lohnniveaus in Südafrika kann es sich ein Unternehmen wie BMW leisten, höhere Löhne zu zahlen und vergleichsweise günstige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Es lohnt sich für das bayerische Unternehmen allemal, hier jährlich 75.000 Autos zu produzieren und damit nicht nur den afrikanischen Markt zu beliefern, sondern die Fahrzeuge auch nach Übersee zu schicken.

Merkels Besuch von Südafrika und Angola zählt sicherlich zu ihren ruhigeren, wenig spektakulären Reisen auf den afrikanischen Kontinent. Das Anbahnen von Geschäftsbeziehungen, die Sicherung von Ressourcen, das Erschließen von Absatzmärkten und die gemeinsame Abstimmung von geopolitischen Fragen - man könnte dies als ein Besinnen auf "gemeinsame Werte" bezeichnen - sollen die afrikanischen Länder enger an die Bundesrepublik Deutschland binden. Die steht zeitgleich in Kooperation mit wie auch Konkurrenz zu anderen Industriestaaten, die keine anderen Interessen verfolgen.

Die gemeinsame Grundlage des Wirtschaftens hingegen wird schon lange nicht mehr thematisiert. Von allen Beteiligten wird vielmehr unausgesprochen ein Gesellschafts- und Produktivitätsmodell bestätigt, das sich rund um die Verwertung von Arbeit dreht und die Möglichkeit geschaffen hat, Privateigentum anzuhäufen. Zu den wichtigsten Anliegen gehört deshalb die Wahrung des Arbeitsfriedens. Danach wird dann die Höhe des Lohns bemessen, der den Menschen als partielle Gegenleistung zu dem zurückgegeben wird, was sie zuvor qua ihres physischen Einsatzes in Form von Arbeit geleistet haben.

Gerade das zählt zu den "gemeinsamen Werten", über die nicht gesprochen wird, die aber vorausgesetzt werden. Wobei die "Gefahr", daß Angola bzw. die Regierungspartei MPLA noch einmal zu marxistischen oder sozialistischen Verhältnissen zurückkehrt, wie sie auch ursprünglich nie konsequent umgesetzt worden waren, doch eher als gering einzuschätzen ist. Insofern verlief Merkels Reise offenbar harmonisch wie selten, auch wenn im gleichen Zeitraum an der thüringischen Heimatfront vermeintliche Fronten aufgebrochen und angeblich schnell wieder geschlossen wurden.


Fußnoten:

[1] https://www.welt.de/wirtschaft/article205621991/Staatsbesuch-Deutsche-Firmen-in-Suedafrika-setzen-auf-Angela-Merkel.html

[2] https://www.focus.de/politik/deutschland/kanzlerin-auf-reise-in-afrika-wird-angela-merkel-mit-neuer-k-frage-konfrontiert_id_11633273.html

[3] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/korruptionsaffaere-siemens-akzeptiert-800-millionen-dollar-strafe-1.372394-2

[4] https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41496175.html

7. Februar 2020


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