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ASIEN/586: Taliban zum Waffenstillstand in Afghanistan bereit (SB)


Taliban zum Waffenstillstand in Afghanistan bereit

Vertrauter Mullah Omars spricht sich für nationale Versöhnung aus


In Afghanistan haben sich die Taliban erneut zur Beendigung aller Kampfhandlungen und einer nationalen Versöhnung der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen des Landes bereiterklärt. Als einzige Bedingung fordern die afghanischen Widerstandskämpfer den Abzug aller ausländischen Streitkräfte. Bei der US-Generalität, die in Washington und innerhalb der NATO den Kurs in der Afghanistan-Politik zu bestimmen scheint, dürfte der Aufruf der Taliban auf taube Ohren stoßen. Im Pentagon will man offenbar nicht einsehen, daß der Krieg in Afghanistan militärisch nicht zu gewinnen ist. US-General David McKiernan, der Oberbefehlshaber der ausländischen Streitkräfte in Afghanistan, der vor wenigen Tagen Präsident Barack Obama zur Entsendung weiterer 17.000 amerikanische Soldaten nach Afghanistan bewegen konnte, hat sich sich gegen jeden Vergleich der NATO-Präsenz mit früheren gescheiterten Okkupationen der Briten oder Sowjets am Hindukusch verwahrt und bereits durchblicken lassen, daß der Krieg noch mindestens weitere drei bis vier Jahre anhalten, wenn sich nicht sogar eskalieren könnte.

Vor allem bei europäischen Militärs und Politiker macht sich allmählich die Erkenntnis breit, daß der seit Ende 2001 anhaltende Krieg in Afghanistan für die NATO nicht zu gewinnen ist, sondern lediglich nur noch größeres Chaos verursachen und sogar die Atommacht Pakistan völlig destabilisieren könnte. In Großbritannien, deren Streitkräfte am 25. Februar mit dem Tod vierer Soldaten die höchsten Verluste an einem Tag seit dem Einmarsch vor mehr als sieben Jahre erlitten, plädieren bereits hochrangige Generäle und Regierungsmitglieder für Friedensverhandlungen mit "gemäßigten" Elementen der Taliban. Dies tut seit längerem der afghanische Präsident Hamid Karsai unter Hinweis auf die vielen zivilen Opfer der NATO-Luftangriffe, weshalb seitens Militaristen in den USA an seinem Stuhl kräftig gesägt wird.

Wie verantwortungslos die Haltung derjenigen ist, die meinen, die USA bzw. die NATO dürften sich aus Prestigegründen nicht aus Afghanistan abziehen, zeigen brisante Details des Treffens Obamas am 28. Januar mit Verteidigungsminister Robert Gates und den Vereinigten Stabschefs. Wie Militärexperte Jeff Huber in dem am 24. Februar bei Antiwar.com erschienenen Artikel "Obamas Bananastan" unter Verweis auf Jim Miklaszewski, Pentagon-Korrespondenten der Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders NBC berichtete, hat Amerikas neuer Präsident bei der ersten formellen Begnegnung mit seinen führenden Generälen seine Verantwortung als Oberbefehlshaber der Streitkräfte wahrgenommen und offen die Frage gestellt, wie das "end game" für Afghanistan aussehen sollte. Darauf soll der Nachfolger George W. Bushs die unglaubliche Antwort, "Ehrlich gesagt, wir haben keines", zu hören bekommen haben. Unter anderem deshalb hat Obama die Forderung von McKiernan, CENTCOM-Chef General David Petraus und Generalstabschef Michael Mullen nach der sofortigen Entsendung von weiteren 30.000 Mann zurückgewiesen und lediglich 17.000 zugestimmt.

Angesichts der desaströsen Lage in Afghanistan fühlt man sich unweigerlich an Vietnam erinnert, nachdem Richard Nixon von Lyndon B. Johnson 1969 die US-Präsidentschaft unter anderem mit dem Versprechen geerbt hatte, für einen "Frieden mit Ehre" zu sorgen. Um die "Ehre" Amerikas zu retten und um die Waffenlieferungen der Vietkong aus Nordvietnam zu unterbrechen, weiteten auf illegale Weise Nixon und sein Nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger den Vietnam-Krieg auf das Nachbarland Kambodscha aus. Unter Nixon kamen dadurch weitaus mehr US-Soldaten und Bewohner Indochinas ums Leben als zuvor unter Johnson und dessen Vorgänger John F. Kennedy. Wie aussichtslos die aktuelle Situation für die NATO in Afghanistan ist, zeigt ein Bericht der US-Zeitungsgruppe McClatchy vom 25. Februar mit der Überschrift "In Afghanistan, U.S. mounts offensive in Taliban haven". Darin berichtete Jonathan S. Landay über eine Offensive der NATO-Streitkräfte im Tal Jalrez, das sich, obwohl es nur fünfzig Kilometer von der Hauptstadt Kabul liegt, "fest in der Hand der Taliban" befindet. Am selben Tag wie der Bericht Landays erschien, wurden im Südafghanistan nahe der Grenze zu Pakistan vier US-Soldaten von einer Straßenmine in den Tod gerisssen.

Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen, die Mullah Mutassim, der ehemalige Finanzminister der Taliban-Regierung, in einem ebenfalls am 25. Februar in der Zeitschrift Al Samoud gemacht hat, nicht uninteressant. Mutassim, der heute noch zum höchsten Führungszirkel der Taliban gezählt wird, erklärte, diese wollten lediglich die Eindringlinge aus Afghanistan vertreiben, erhoben ihrerseits keinen Anspruch auf Regierungsbeteiligung im Rahmen einer nationalen Versöhnung und hätten prinzipiell nichts gegen die Schulbildung von Mädchen, da diese genauso wichtig wie die von Jungen sei. Der Vertraute von Mullah Omar lobte die jüngsten Vermittlungsbemühungen Saudi-Arabiens und verurteilte gleichzeitig die aktuelle Truppenaufstockungspläne der USA. Diese "unvernünftige Strategie" Washingtons würde den Tod "vieler" US-Soldaten zur Folge haben, so Mutassim. Mit dieser traurigen Prognose dürfte der Taliban-Vertreter Recht haben.

28. Februar 2009