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ASIEN/618: Empörung in Pakistan über geplantes US-Hilfsabkommen (SB)


Empörung in Pakistan über geplantes US-Hilfsabkommen

Kerry-Lugar-Gesetz belastet das Verhältnis Islamabad-Washington


Der inzwischen seit acht Jahren andauernde Krieg in Afghanistan hat nicht nur dort, sondern auch in Pakistan großes Leid über die Menschen gebracht. Wie man weiß, stand die Mehrheit der Pakistaner von Anfang an dem Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen die afghanischen Taliban skeptisch bis ablehnend gegenüber. Nichtsdestotrotz wurde die Regierung in Islamabad nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 unter Androhung einer Bombardierung "zurück in die Steinzeit" zur Zusammenarbeit im sogenannten "Antiterrorkrieg" gezwungen.

Unter Präsident Pervez Musharraf hat Pakistan sich von seinen früheren Zöglingen, den Taliban, trennen, der Luftwaffe der NATO Überflugsrechte gewähren und seine Häfen und Straßen für den Transport von NATO-Nachschubmaterial freigeben müssen. Weil jedoch General Musharraf Standfestigkeit bewies und sich weigerte, gegen die Rückzugsgebiete der Taliban in der Nordwestfrontierprovinz (NWFP) und den autonomen Federally Administered Tribal Areas (FATA) so vorzugehen, wie es die damalige Regierung George W. Bushs wollte, wurde er geschaßt und 2008 durch den korrupten und dadurch leicht manipulierbaren Ali Asif Zardari, den Witwer Benazir Bhuttos, als Staatsoberhaupt ersetzt. Seitdem ist der zuvor in erster Linie schwelende Konflikt zwischen den pakistanischen Streitkräften und den radikal-islamischen Paschtunen, die ihre Stammesverwandten in Afghanistan im Krieg gegen die NATO unterstützen, vollends ausgebrochen - siehe die blutigen Großoffensiven in der Provinz Bajaur und im Swat-Tal. Presseberichten zufolge bereitet die pakistanische Armee derzeit eine weitere Offensive gegen Südwasiristan vor. Daß die pakistanischen Taliban trotz des Verlusts ihres Anführers Baitullah Mehsud im August noch lange nicht besiegt sind, haben diese durch die Anschläge am 5. Oktober auf das Büro des UN-Welternährungsprogramms in Islamabad und am 9. Oktober auf einem Markt in der NWFP-Hauptstadt Peshawar, die jeweils sechs und mehr als 40 Menschen das Leben kosteten, bewiesen.

In der Bevölkerung Pakistans - selbst bei denen, die keine Sympathien für die Taliban hegen - wächst der Unmut über die zunehmende Destabilisierung ihres Landes. Jüngsten Umfragen zufolge lehnt 80 Prozent der pakistanischen Bevölkerung die Unterstützung Islamabads für den sogenannten "Antiterrorkrieg" ab. Ein ähnlicher hoher Prozentsatz hat kein Vertrauen in Präsident Zardari und hält ihn für eine willfährige Marionette Washingtons. Zu diesem Umstand haben unter anderem die zahlreichen illegalen Drohnenangriffe der CIA in der pakistanischen Grenzregion, die Hunderten von Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, das Leben kosteten, und Berichte über den massiven Ausbau der US-Botschaft in Islamabad und dessen Bewachung durch schwerbewaffnete Söldner amerikanischer "Sicherheitsunternehmen" beigetragen.

Im Mittelpunkt der Diskussion über die Beziehungen zu den USA steht seit Tagen in der pakistanischen Öffentlichkeit jenes Gesetz, das am 30. September von beiden Häusern des Kongresses in Washington verabschiedet wurde und den Namen "Enhanced Partnership with Pakistan Act of 2009" trägt. Das Gesetz, das der Einfachheit halber nach seinen beiden Autoren, die Senatoren John Kerry und Richard Lugar, genannt wird, sieht Finanzhilfe der USA für Pakistan in Höhe von jährlich 1,5 Milliarden Dollar über die kommenden fünf Jahren vor. Mit dem Geld soll vor allem die zivile Infrastruktur, speziell der Erziehungsbereich, ausgebaut werden. Darüber hinaus gibt es Klauseln, die verhindern sollen, daß das Geld anderweitig benutzt wird oder in irgendwelchen dunklen Kanälen verschwindet. Darüber regt sich in Pakistan niemand auf, sondern die allermeisten finden diese Ansätze sogar gut.

Was jedoch die Abgeordneten im Bundesparlament und die oberste Militärführung auf die Palme bringt, sind Vorgaben, wonach das pakistanische Militär auf Geheiß Washingtons gegen alle vorgehen muß, welche die USA als "Militanten" bezeichnen, und regelmäßig Berichte über seine Erfolge im "Antiterrorkampf" abliefern muß. Hinzu kommen Textpassagen, welche eine stärkere Kontrolle des pakistanischen Geheimdienstes und Militärs durch die politische Führung in Islamabad - in Absprache mit Washington versteht sich - einschließlich einer Zurückdrängung des "Islamismus" dort vorsehen. Darüber hinaus wird vorgeschrieben, daß Pakistan den US-Behörden einen stärkeren Einblick in sein Atomwaffenprogramm gewährt und ihnen endlich erlaubt, den Wissenschaftler Abdul Qadeer Khan zu seinen früheren Handelsaktivitäten in Sachen Nukleartechnologie zu befragen.

Momentan sieht es nicht aus, als würde das Parlament in Islamabad, sollte Barack Obama, wie erwartet, demnächst das Kerry-Lugar-Gesetz unterzeichnen, dem Hilfsabkommen mit den USA zustimmen. Vertreter sowohl der Opposition um Nawaz Sharifs Moslemliga als auch von Präsident Zardaris Pakistanischer Volkspartei lehnen das Abkommen als "strategischen Ausverkauf der Souveränität Pakistans" ab. Zum Widerstand gegen das Abkommen tragen Erkenntnisse bei, wonach der pakistanische Botschafter in Washington, Husain Haqqani, geholfen hat, die umstrittensten Passagen im Kerry-Lugar-Gesetz zu formulieren. Haqqani, ein früherer Berater Bhuttos, der als enger Vertrauter Zardaris gilt, wird Verbindungen zu denjenigen neokonservativen Kräften in den USA nachgesagt, die den Islam für eine Globalbedrohung halten und deshalb den moslemischen Glauben "reformieren" wollen.

10. Oktober 2009