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ASIEN/676: Pakistan wünscht sich Abzug der NATO aus Afghanistan (SB)


Pakistan wünscht sich Abzug der NATO aus Afghanistan

Unterschiedliche Vorstellungen im Vorfeld des großen Gipfels in Kabul


In der Afghanistan-Frage richten sich alle Blicke auf die große internationale Konferenz, die am 20. Juli in Kabul stattfinden soll. Während die Amerikaner wichtige Impulse für die Eskalationstrategie samt der laufenden Truppenaufstockung von Präsident Barack Obama und General David Petraeus erwarten, geht der deutsche Außenminister Guido Westerwelle davon aus, daß die Konferenz die Ära der Afghanisierung - das heißt der Übernahme der Verantwortung für die Sicherheit im Lande durch einheimische Polizei und Armee - einleiten wird. Die westlichen Bündnispartner eint jedenfalls die Vorstellung, daß der Einsatz in Afghanistan noch lange andauern wird, bis entweder die "terroristische" Gefahr dort gebannt ist oder die Taliban besiegt bzw. in eine Nachkriegsordnung von NATO-Gnaden eingebunden worden sind. Das Nachbarland Pakistan, das die Hauptlast der NATO-Besatzung in Afghanistan durch den Aufstand von Pro-Taliban-Gruppen zu tragen hat, wünscht sich von der Kabuler Konferenz nicht weniger als ein Signal zum Abzug der westlichen Streitkräfte vom Hindukusch.

Bei einer Pressekonferenz am 8. Juli in Islamabad hat Abdul Basit, Sprecher des pakistanischen Außenministeriums, die Erwartungen Pakistans bezüglich des bevorstehenden Gipfeltreffens in Kabul unmißverständlich dargestellt. Basit erklärte, er gehe davon aus, daß sich die am Treffen beteiligten Außenminister die Anregungen, die von der Friedensdschirga, die von 2. bis zum 4. Juni in Kabul stattgefunden hatte, zu eigen machen werden. Damals haben sich die afghanischen Stammesführer und Präsident Hamid Karsai für die Eröffnung von Friedensverhandlungen mit den Taliban ausgesprochen. Wie man weiß, haben sich die Taliban zur Teilnahme an der Suche nach einer gerechten Friedenslösung bereit erklärt, die auch Rücksicht auf die Menschenrechte, speziell die der Frauen, nimmt, machen jedoch zur Bedingung, daß sich die NATO auf einen Zeitplan für ihren Rückzug festlegt. Vor diesem Hintergrund erklärte Basit, Pakistan werde den Abzug der NATO aus dem Nachbarland begrüßen; es sei "den USA und den anderen Koalitionspartnern überlassen" zu entscheiden, "wann sie Afghanistan verlassen". Basit machte erneut geltend, daß die Pakistaner durch die schweren Kämpfe im Grenzgebiet zwischen talibanfreundlichen Kräften und der regulären Armee großes Leid erfahren hätten.

Berichten zufolge soll die Regierung Karsai bereits Vorgespräche mit Vertretern der Hisb-i-Islami von Gulbuddin Hektmatjar, des Hakkani- Netzwerks von Sirajuddin Hakkani und sogar mit den Taliban Mullah Muhammed Omars aufgenonmen haben. Am Zustandekommen beider letzter Verbindungen soll der pakistanische Geheimdienst Inter-Services Intelligence Directorate (IS) maßgeblichen Anteil gehabt haben. Doch inwieweit die Friedensbemühungen Kabuls und Islamabads den Segen Washingtons genießen, ist unklar. In der Obama-Regierung herrscht Uneinigkeit zwischen den Realisten um Vizepräsident Joseph Biden, die den Krieg in Afghanistan längst als nicht gewinnbar erkannt haben, und den Hardlinern um Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates, die nicht nur weiterhin an den militärischen Sieg der US-Streitkräfte über die Taliban glauben, sondern diesen sogar für zwingend notwendig halten - um der Glaubwürdigkeit Amerikas in der Welt willen.

10. Juli 2010