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ASIEN/691: Nordkorea um Versöhnung mit den USA bemüht (SB)


Nordkorea um Versöhnung mit den USA bemüht

Kalter Krieger McCain hält am kommunistischen Feindbild fest


Die Staatsführung Nordkoreas ist zur Aussöhnung mit den USA bereit und Pjöngjang hat darüber hinaus "starke und eindeutige Signale" gesetzt, daß das kommunistische Land auf sein rudimentäres Atomwaffenarsenal verzichten würde, wenn es im Gegenzug von Washington eine Nicht-Angriffsgarantie erhielte. Dies berichtete der ehemalige US- Präsident Jimmy Carter in einem am 16. September bei der New York Times erschienenen Gastbeitrag mit dem Titel "North Korea Wants to Make a Deal". Der Friedensnobelpreisträger war Ende August auf Einladung Nordkoreas und nach Absprache mit dem Weißen Haus nach Pjöngjang gereist, um den US-Bürger Aijalon Gomes, der im Januar bei einer Verletzung der nordkoreanischen Grenze zur Volksrepublik China verhaftet worden war, mit nach Hause zu nehmen.

Während seines Aufenthalts in Pjöngjang traf sich Carter unter anderem mit Kim Yong-nam, dem zweitwichtigsen Mann in der nordkoreanischen Staatsführung, und Kim Kye-gwan, dem Chefunterhandler Nordkoreas in Atomfragen. Beide Männer sollen ihm gegenüber ihre Sorge um die "unberechtigten Sanktionen", welche die USA gegen Nordkorea verhängten, und die "provokativen" Militärmanöver der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte zum Ausdruck gebracht haben. Seit dem Untergang der südkoreanischen Korvette Cheonan im März in der Nähe der in ihrem Verlauf umstrittenen Seegrenze zu Nordkorea und dem Tod von 46 der 104 Besatzungsmitglieder herrschen gefährliche Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Die USA und Südkorea behaupten, die Cheonan wäre durch ein nordkoreanisches Torpedo versenkt worden. Pjöngjang hat den Vorwurf als haltlos von sich gewiesen. Beiderseits der Grenze glauben viele Menschen, daß die Cheonan aufgrund eines Unglücks bei einem amerikanisch-südkoreanischen Kriegsspiel gesunken ist, und daß Seoul und Washington sich die Geschichte mit dem Torpedo ausgedacht haben, um einen politischen Nutzen aus der Havarie zu ziehen.

Rußland und China waren von den "Beweisen" für die Verantwortung Nordkoreas für den Untergang der Cheonan zu keinem Zeitpunkt überzeugt und haben eine von den USA, Südkorea und Japan angestrengte Verurteilung Nordkoreas durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhindert. Angesichts der Rückendeckung Moskaus und Pekings für Pjöngjang rücken Washington und Seoul von ihrer Forderung nach einer Entschuldigung Nordkoreas für den Vorfall ab. Wie John Pomfret am 16. September in der Online-Ausgabe der Washington Post berichtete, würden sich die Südkoreaner und das Außenministerium Hillary Clintons mit einer Erklärung des Bedauerns seitens Nordkoreas zufrieden geben.

Laut Pomfret haben Washington und Seoul inzwischen eingesehen, daß eine Isolierung Nordkoreas das Land nur noch weiter in die Arme Chinas treibt, und wollen deshalb demnächst wieder die Sechsergespräche in Gang bringen. Dafür stehen die Chancen gar nicht so schlecht. In den letzten Wochen hat Nordkorea die Besatzung eines südkoreanischen Fischerboots, das sich in die Gewässer des kommunistischen Staats verirrt hatte, ohne große Verzögerung freigelassen, und Gespräche mit Seoul über die Zusammenführung von Familienmitgliedern, die durch den Koreakrieg getrennt worden waren, angeregt. Im Gegenzug hat die südkoreanische Regierung humanitäre Hilfe für die Opfer von Überschwemmungen in Nordkorea angeboten. Am 16. September haben Vertreter der nordkoreanischen Streitkräfte bei einem Treffen mit ihren südkoreanischen Kollegen in der De-Militarisierten Zone (DMZ) Gespräche zur Beilegung aller Grenzstreitigkeiten vorgeschlagen.

Bereits vor zehn Jahren standen die USA und Nordkorea kurz davor, das Kriegsbeil endlich zu begraben. Doch der Machtwechsel 2001 in Washington von der demokratischen Regierung Bill Clintons zur republikanischen Administration George W. Bushs hat eine neue Ära der Konfrontation eingeläutet. Ohne die Unterstützung des Kongresses wird die Obama-Regierung den Koreakrieg, der sich seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindet, nicht offiziell beenden können. Derzeit haben Obamas Demokraten in Repräsentantenhaus und Senat jeweils eine Mehrheit, doch rechnen politische Beobachter damit, daß die Republikaner nach den Zwischenwahlen in November in beiden Häusern das Sagen haben werden. Sollte dies tatsächlich erfolgen, so dürften die Bemühungen um eine Aussöhnung zu einer zähen und langwierigen Angelegenheit werden. Daraufhin deuten die Anhörungen vor dem verteidigungspolitischen Ausschuß des Senats am 16. September hin, bei denen der Militarist und Vietnamkriegsveteran John McCain wie üblich Nordkorea wegen dessen angeblicher Waffenlieferungen an den Iran und Atomwaffen zur überlebensgroßen Bedrohung aufbauschte.

Interessant waren bei diesem Anlaß die Antworten, die Vertreter des Obama-Administration auf die einseitigen Fragen des republikanischen Senators aus Arizona gaben. Wallace Gregson, der im Pentagon für Sicherheitfragen in der ostasiatischen und pazifischen Region zuständige Untersstaatssekretär, konnte nicht bestätigen, daß die Nordkoreaner im Besitz von Atomwaffen wären, sondern erklärte, die US-Geheimdienste verfügten lediglich über Hinweise auf die Existenz einer "Nuklearwaffenfähigkeit" Pjöngjangs. Auf die Frage McCains, ob nicht derzeit alles darauf hindeute, daß Nordkoreas kränkelnder Staatsführer, der 68jährige Kim Jong-il, gerade die Machtübergabe an seinen Sohn Kim Jong-eun vorbereitet, erwiderte Kurt Campbell, der im US-Außenministerium für Angelegenheiten der ostasiatischen und pazifischen Region zuständige Untersstaatssekretär: "Da können wir auch nur raten, Herr Senator".

18. September 2010