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ASIEN/815: Japan maßt sich Rolle als Ordnungsmacht in Asien an (SB)


Japan maßt sich Rolle als Ordnungsmacht in Asien an

Amerikas asiatischer Hilfssheriff will seine Muskeln spielen lassen



Angefeuert durch das Ringen der USA und Chinas um die Vorherrschaft im pazifischen Raum nehmen dort die Spannungen immer mehr zu. Deutlichstes Zeichen der sich verschlechternden Verhältnisse im asiatisch-pazifischen Raum, die nicht wenige Beobachter fatal an die diplomatische Fehlentwicklung in Europa vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 erinnert, waren die gewalttätigen Massenproteste in mehreren Städten Vietnams Mitte Mai gegen die provokante Stationierung einer chinesischen Bohrinsel in Gewässern, die im Nordwesten des Südchinesischen Meers nahe den Paracel-Inseln von Hanoi und Peking gleichermaßen beansprucht werden. Verkompliziert wird die Konfrontation zwischen der Volksrepublik und den Vereinigten Staaten durch das zunehmend aggressive Auftreten Japans, das offenbar nicht nur als Washingtons Hilfssheriff agieren, sondern eigene Hegemonialansprüche durchsetzen will.

Wenige Tage nachdem es in der chinesischen Luftraumüberwachungszone um die von Japan kontrollierten Senkaku/Diaoyu-Inseln zu einem Zwischenfall zwischen den Luftwaffen dieser beiden Staaten gekommen war, hat Japans konservativer Premierminister Shinzo Abe am 30. Mai auf der 13. asiatischen Sicherheitskonferenz in Singapur, die den verharmlosenden Namen Shangri-La Dialogue trägt, das Wiedererwachen Nippons als Militärmacht verkündet. Im modernen nationalen Sicherheitssprech erklärte Abe: "Japan beabsichtigt, eine noch größere und proaktivere Rolle als bisher zu spielen, um Frieden in Asien zu schaffen und die Welt etwas sicherer zu machen." Künftig sollen die japanischen Streitkräfte dabei helfen, "die Sicherheit des Meeres und des Luftraums zu gewährleisten sowie die freien Schiffahrtsrechte und Überflugsrechte ganz durchzusetzen". In einem Bericht der Washington Post wurde Abes Shangri-La-Rede vor den versammelten Verteidigungsministern der pazifisch-asiatischen Region, darunter auch Pentagon-Chef Chuck Hagel, als "selbstbewußt" und als eine "direkte Herausforderung" an die Adresse Chinas bezeichnet.

Gestützt auf eine komfortable Mehrheit der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) in beiden Häusern des Parlaments in Tokio ist die Abe-Regierung gerade dabei, die japanische Verfassung zu revidieren bzw. neu auszulegen, um dem Land der aufgehenden Sonne größeren Handlungsspielraum im militärischen Bereich zu verschaffen. Die derzeit als "pazifistisch" geltende Verfassung, die Japan nach der Niederlage 1945 im Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern aufgezwungen wurde, erlaubt es Tokio nur, seine Streitkräfte ausschließlich zum Zweck der Selbstverteidigung einzusetzen. Gegen den Willen der meisten Japaner, die sich in allen bisherigen Umfragen dagegen aussprechen, wollen Abe und die LDP künftig auch die "kollektive Selbstverteidigung" als zulässigen Auftrag der japanischen Streitkräfte verstanden wissen.

Hier geht es nicht nur um die schon lange bestehenden Verpflichtungen Japans aufgrund des bilateralen Sicherheitsabkommens mit den USA, sondern um die Möglichkeit Tokios, sich in die Streitereien anderer Nachbarstaaten wie Südkorea, der Philippinen und Vietnam mit China einzumischen. Ein ganz gefährliches Szenario entstünde in diesem Zusammenhang, sollte Japan separatistische Kräfte auf Taiwan dazu ermutigen, sich für unabhängig von China zu erklären, um dem Inselstaat anschließend militärisch beizustehen. Bekanntlich unterhalten die japanischen Rechten enge Verbindungen zu den taiwanesischen Nationalisten. Schließlich hielten die Japaner von 1895 von 1945 Taiwan besetzt.

Bereits jetzt ist Japan sehr bestrebt, die militärische Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten Chinas zu vertiefen. Japan und Vietnam beraten derzeit, ob Tokio Hanoi nicht irgendwelche Patrouillenboote verkaufen bzw. überlassen könnte, damit sich die Vietnamesen in ihrem Streit um den Verlauf der Meeresgrenze mit China besser durchsetzen können. Man kann davon ausgehen, daß Patrouillenboote nur der Anfang wären und daß sich Vietnam bald zu einem der wichtigsten Importeure japanischer Rüstungstechnologie entwickeln könnte. Premierminister Abe möchte die Exportbestimmungen für japanische Rüstungsgüter ohnehin lockern. Der erste große Schritt in diese Richtung dürfte in den nächsten Wochen erfolgen. Im Juni treffen sich die Außen- und Verteidigungsminister Japans und Australiens in Tokio. Im Juli wird Abe zu einem Besuch in Australien erwartet. Ganz oben auf der Liste der Themen bei den Konsultationen Abes in Canberra mit seinem konservativen Amtskollegen Tony Abbott dürfte der milliardenschwere Kauf einer neuen Generation hochmoderner, extrem leiser U-Boote vom Typ Soryu, die von den Konzernen Mitsubishi und Kawasaki gemeinsam gebaut werden, an die australische Marine sein.

31. Mai 2014