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ASIEN/889: Krisenherde - Wechselbündnisse schlagen durch ... (SB)


Krisenherde - Wechselbündnisse schlagen durch ...


Während sich die NATO-Mächte und Rußland in den letzten Wochen wegen der Skripal-Affäre und ihrer unterschiedlichen Positionen im Syrien-Konflikt in den Kalten Krieg 2.0 hineinmanövriert haben, ist es im selbem Zeitraum zu einer deutlichen Entspannung in der Korea-Krise gekommen. Die Befürchtungen hinsichtlich des möglichen Ausbruchs eines Atomkriegs haben sich geografisch gesehen also vom Schauplatz Ostasien in den östlichen Mittelmeerraum verlagert. US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Oberster Führer Kim Jong-un, die sich quasi das ganze Jahr 2017 über einen Wettbewerb der gegenseitigen Beschimpfungen und Drohungen geliefert haben, wollen sich demnächst treffen. Auf Zeitpunkt und Ort hat man sich noch nicht geeinigt. Doch dafür, daß die historische erste Begegnung eines amerikanischen mit einem nordkoreanischen Staatsoberhaupt zustandekommt, stehen die Zeichen derzeit gut.

Die Entscheidung Kims für die Teilnahme nordkoreanischer Sportler an der Winterolympiade im Februar in Südkorea im Rahmen einer gemeinsamen koreanischen Mannschaft hat das Eis zwischen Pjöngjang und Seoul zum Schmelzen gebracht. Seitdem hat Kim mit verschiedenen Gesten die demonstrativen Bemühungen des seit 2017 amtierenden südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in um Annäherung und Frieden auf der koreanischen Halbinsel gewürdigt. Er schickte seine Schwester Kim Yo-jong als Friedensbotschafterin zu der Eröffnungs- und Abschlußzeremonie der Winterolympiade in Pyeongchang und ließ über sie seinen Amtskollegen Moon nach Nordkorea einladen. Aus dieser Initiative ist das konkrete Vorhaben eines Gipfeltreffens Kim-Moon geworden, das am 27. April im sogenannten Friedenshaus, einem südkoreanischen Konferenzsaal in Panmunjom, dem Waffenstillstandsdorf in der Demilitarisierten Zone (DMZ) am schwerbewaffneten 38. Breitengrad, stattfinden soll.

Bei den ersten innerkoreanischen Konsultationen auf Ministerebene nach der Winterolympiade am 5. und 6. März in Pjöngjang ist Kim völlig überraschend am zweiten Tag aufgetaucht und hat Berichten zufolge mit Humor und Freundlichkeit den perfekten Gastgeber beim anschließenden vierstündigen Abendessen gespielt. Als am nächsten Tag die südkoreanische Delegation über Seoul nach Washington flog, um die US-Regierung über den Verlauf der Beratungen mit den Nordkoreanern zu informieren, hatte ihr Leiter Chung Eui-yong, der auch Moons Nationaler Sicherheitsberater ist, eine wichtige Botschaft im Gepäck, nämlich die persönliche Grußbotschaft Kims an Trump mit der Einladung zum baldigen Treffen der beiden Regierungschefs. Kaum hatte Chung am 8. März Trump die Mitteilung überbracht, als der US-Präsident auch schon aus dem Oval Office trat und - ehe seine Berater bzw. Bewacher ihn daran hindern konnten - gegenüber der wartenden Presse seine Annahme der Einladung Kims verkündete. Die impulsive Handlung Trumps zugunsten des Friedens hat bei den außenpolitischen "Experten" in Politik und Medien der USA Entsetzen ausgelöst. Diese haben offenbar Angst, daß sich der New Yorker Baulöwe mit dem Kommunisten Kim doch noch verständigen, die "Regimewechsel"-Pläne Washingtons für Pjöngjang auf den Müllhaufen der Geschichte werfen und den Waffenstillstand auf der koreanischen Halbinsel in einen dauerhaften Frieden verwandeln könnte.

Am 27. und am 28. März hat der 34jährige Kim heimlich seine erste Auslandsreise, seit er 2011 seinen Vater Kim Jong-il als nordkoreanischer Oberbefehlshaber und Vorsitzender der kommunistischen Partei beerbt hat, unternommen. Ziel der Reise war die chinesische Hauptstadt Peking, die Kim in einem gepanzerten Sonderzug erreichte. Dort kam der junge Nordkoreaner mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zusammen. In letzter Zeit hatten die Atom- und Raketentests Nordkoreas dessen wichtigsten Verbündeten, die Volksrepublik China, in eine schwierige diplomatische Position gebracht. Die chinesische Regierung sah sich gezwungen, sich von Nordkorea zu distanzieren und der Verabschiedung einer ganzen Reihe schwerer Sanktionen gegen Pjöngjang durch den UN-Sicherheitsrat zuzustimmen.

Nach den angeblich gelungenen erstmaligen Tests sowohl einer Wasserstoffbombe als auch einer Interkontinentalrakete im vergangenen Jahr fühlt sich Nordkorea inzwischen so stark, daß es offenbar bis auf weiteres auf solche Provokationen verzichten kann. Bei der Begegnung mit Xi hat Kim Nordkoreas Wertschätzung der chinesischen Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Hinter verschlossenen Türen haben die beiden Staatsführer den effektivsten diplomatischen Umgang mit den USA beraten. Schließlich befindet sich China aktuell in einem zunehmenden Handelskrieg mit den USA, den zu entschärfen Xi bislang nicht gelungen ist. Im Gegenzug lobte Xi seinen Gast wegen dessen jüngstem Einsatz für eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel.

Am 8. April berichtete das Wall Street Journal, bei den bisherigen Hintergrundsgesprächen zwischen Vertretern der USA und Nordkoreas hätten die Abgesandten Pjöngjangs mehrmals unterstrichen, daß Kim es mit seiner erklärten Bereitschaft zur "Entnuklearisierung" auf der koreanischen Halbinsel ernst meine. Tatsächlich hat die nordkoreanische Regierung in den letzten Wochen mehr als einmal das Szenario einer vollständigen Beseitigung ihres Atomwaffenarsenals in Aussicht gestellt, sofern die USA ihrerseits ihre feindliche Haltung auf- und Sicherheitsgarantien abgeben. Wiederholt hat Kim die friedliche Wiedervereinigung Nord- und Südkoreas zu seinem obersten politisches Ziel erklärt. In einer solchen Vision haben Kernwaffen sicherlich keinen Platz. Weder für die USA, noch für Japan, China oder Rußland wäre ein vereinigtes und atomar bewaffnetes Korea akzeptabel.

Bis zum Abschluß eines Friedensvertrags zwischen Nordkorea und den USA ist es noch ein langer Weg. Vor dem Treffen zwischen Kim und Trump, währenddessen und auch danach kann eine Menge passieren, was das gegenseitige Säbelrasseln erneut auslösen könnte. Beispielsweise könnte eine militärische Auseinandersetzung zwischen amerikanischen und russischen Streitkräften in Syrien auch Auswirkungen auf die strategische Lage in Ostasien haben. Schließlich hat der neue chinesische Verteidigungsminister, General Wei Fenghe, am 3. April beim Besuch in Moskau Rußland die Unterstützung der Volksrepublik im Falle einer Eskalation im Syrien-Konflikt öffentlich zugesichert. Auch Trumps Ernennung des neokonservativen Hardliners John Bolton, der UN-Botschafter George W. Bushs war und dessen Lösung des "Problems" Nordkorea ein überwältigender Überraschungsangriff der USA ist, läßt einen nicht unbedingt optimistisch in die Zukunft blicken. Vor diesem Hintergrund ist die Information beruhigend, die Asien-Experte Tim Shorrock in einem am 22. März bei The Nation erschienenen Artikel exklusiv präsentiert hat, daß nämlich Mike Pompeo seit Monaten als CIA-Chef und im Auftrag Trumps Geheimgespräche mit der nordkoreanischen und südkoreanischen Führung führt. Demnächst tritt Pompeo die Nachfolge Rex Tillersons als US-Außenminister an. In dieser Funktion kann er vielleicht in den kommenden Monaten den erhofften großen Durchbruch in den Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA erzielen.

10. April 2018


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