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ASIEN/958: Hongkong - auf Provokationen angelegt ... (SB)


Hongkong - auf Provokationen angelegt ...


Mit der formellen Feststellung Mike Pompeos vom 27. Mai, die USA betrachteten die Autonomie von Hongkong als nicht mehr existent und das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme", dessen Einhaltung die Volksrepublik China 1997 Großbritannien bei der Rückgabe der einstigen Kronkolonie bis 2047 vertraglich zugesichert habe, als aufgehoben, erreicht die Konfrontation zwischen Washington und Peking eine neue Höhe. Maßgeblichen Anteil an dieser traurigen Entwicklung haben vom Westen finanziell, logistisch und ideologisch unterstützte Provokateure in Hongkong, die dort letztes Jahr unter dem Vorwand von Protesten für "Freiheit" und "Demokratie" monatelanges Chaos verursacht und damit die Zentralregierung in Peking zu einschneidenden Maßnahmen zur Verteidigung der staatlichen Souveränität Chinas gezwungen haben.

Auslöser der Demonstrationen war das Vorhaben der Regierung von Hongkong, vom Legislativrat ein Gesetz verabschieden zu lassen, das Auslieferungen von Angeklagten in die Volksrepublik und nach Taiwan ermöglichen sollte. Das Gesetz war erforderlich geworden wegen der Causa Chan Tong-kai, der 2018 bei einer gemeinsamen Reise nach Taiwan seine Freundin Poon Hiu-win ermordet hatte. Obwohl Chan nach der Rückkehr nach Hongkong die schreckliche Tat gegenüber der Polizei der Wirtschaftsmetropole zugab, konnte er wegen des Fehlens eines entsprechenden Rechtshilfeabkommens sowohl mit Festland-China als auch mit Taiwan nicht an die Behörden in Taipeh übergeben werden. Mit dem "Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen" - so der offizielle Titel - sollte das Problem der fehlenden Handhabung behoben werden. Die Peking-Gegner in Hongkong haben jedoch den Gesetzentwurf zur großen Bedrohung für den Rechtsstaat in Hongkong aufgebauscht und viele Menschen mit dieser Botschaft mobilisieren können.

Die Befürchtung, daß die kommunistische Führung in Peking das neue Gesetz benutzen könnte, um mißliebige Journalisten, Künstler und Geschäftsleute auf Linie zu bringen, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch die Art und Weise, wie die legitime Proteste weiter Teile der Bevölkerung Hongkongs von Gewalttätern für unzählige Angriffe auf Polizisten und politisch Andersdenkende instrumentalisiert wurden, läßt auf eine gezielte, von außen gesteuerte Kampagne zur Destabilisierung Hongkongs schließen. Die meist schwarz gekleideten und vermummten "Studenten" haben nicht nur zahlreiche Ladenfenster eingeschmissen, Verkehrsampeln demoliert, das Legislativratsgebäude erfolgreich gestürmt und dort randaliert, sondern auch noch die Polytechnical University über Monate besetzt gehalten, wo sie unzählige Molotov-Cocktails und Sprengsätze bauten.

Joshua Wong, das Gesicht der "Demokratiebewegung" Hongkongs, tingelte im Herbst 2019 durch die westlichen Hauptstädte und wurde überall fast wie ein Staatsmann behandelt. Auf Drängen Wongs haben Repräsentantenhaus und Senat in Washington ein Gesetz verabschiedet, das die Verhängung schwerer Sanktionen gegen China bei politischer Repression und Menschenrechtsverletzungen in Hongkong vorsieht. Es ist hinlänglich bekannt, daß zahlreiche "zivil-gesellschaftliche Gruppen" in Hongkong wie Wongs Demosisto von westlichen Staaten, zum Beispiel aus der Schatulle der amerikanischen National Endowment for Democracy (NED), die als CIA-Tarnorganisation verschrien ist, finanziert werden. Nicht umsonst hat Pompeos Vorgänger als US-Außenminister, General a. D. Colin Powell, bei einer Rede am 26. Oktober 2001 in Washington Nicht-Regierungsorganisationen, die sich praktisch in allen Ländern außerhalb des NATO-Gebiets betätigen, als "Kraft-Multiplikatoren" und "einen wichtigen Teil unserer Kriegsmannschaft" bezeichnet. Dies erklärt, warum sich letztes Jahr in Hongkong auch bekannte Neonazis vom ukrainischen Azow-Bataillon auf der Seite der vermeintlichen Demokratie-Befürworter bei den Straßenschlachten mit der Polizei hervorgetan haben.

Doch China wird einen Teufel tun, in Hongkong einen Maidan 2.0 zuzulassen. Als die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, im vergangenen Oktober das umstrittene Auslieferungsgesetz zurückzog und die Proteste nicht abebbten, hat Peking erkannt, daß es drastische Schritte unternehmen mußte, um den von den nützlichen Idioten des Westens veranstalteten Spuk an der Mündung des Delta-Flusses ein für allemal zu beenden. Im Frühjahr haben die weltweiten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus Hongkong zum erstenmal seit langem wieder zur Ruhe kommen lassen. Im Mai flammten die Proteste wieder auf. Wie im vergangenen Jahr haben die Aktivisten dabei britische und amerikanische Fahnen geschwenkt und "Unabhängigkeit für Hongkong" skandiert. Vom chinesischen Volkskongreß in Peking, der wegen der Pandemie um drei Monate später als geplant stattfand, kam letzte Woche die Antwort.

Die chinesischen Volksvertreter haben mit fast einstimmiger Mehrheit einem Vorschlag des Zentralkomitees der kommunistischen Partei zugestimmt, der die baldige Ausarbeitung und Verabschiedung eines Gesetzes, das in Hongkong "umstürzlerische" und "staatsfeindliche Aktivitäten" verbietet, vorsieht. Seit 1997 hatten die Gegner Pekings im Hongkonger Legislativrat ein solches Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit Chinas auch im Autonomiegebiet blockiert, obwohl eine derartige Regelung damals in der Sino-British Joint Declaration vorgesehen bzw. vorgeschrieben worden war. Peking greift auf jenen völkerrechtlichen Vertrag zurück, um die Blockade im Hongkonger Legislativrat zu umschiffen und die leidige Diskussion dort um ein nationales Sicherheitsgesetz zu kappen.

Da der Schachzug, hinter dem Chinas gewiefter Staatspräsident Xi Jinping vermutet wird, vollkommen legal ist, sind die pro-westlichen Kräfte erzürnt. Dafür gibt es Anzeichen, daß die Geschäftswelt in Hongkong den in Aussicht gestellten Abbau der gesellschaftlichen Spannungen begrüßt. Im einem Artikel, der am 25. Mai bei der South China Morning Post, Hongkongs Leitmedium, erschienen ist, hat Kolumnist Alex Lo die gesetzliche Initiative Pekings als strategische "Meisterleistung" gelobt, die eine Rückkehr zur Normalität ermögliche und den separatistischen Kräften den Wind aus den Segeln nehme. "Das Thema Hongkong kann nun entpolitisiert werden, damit die Wirtschaft wieder belebt und das Leben der Menschen verbessert werden kann", so Lo. Wenn es so einfach wäre. Die Erklärung Pompeos bezüglich Hongkongs angeblichen Verlust der Autonomie und andere Reaktionen aus Washington, wo Kongreßmitglieder chinesischen Studenten den Zugang zu technischen Hochschulen in den USA wegen der Gefahr "wissenschaftlichen Diebstahls" verbieten und Taiwan zum waffenstarrenden "Todesstern" im Südchinesischen Meer aufrüsten wollen, zeigen in eine ganz andere, brandgefährliche Richtung.

29. Mai 2020


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