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HISTORIE/310: Neue Hinweise auf die Mörder Benazir Bhuttos (SB)


Neue Hinweise auf die Mörder Benazir Bhuttos

Was wissen Pakistans Militär und Blackwater über das Attentat?


Die Erschießung Benazir Bhuttos vor laufenden Fernsehkameras unmittelbar nach einer Wahlkampfveranstaltung am 27. Dezember 2007 in Rawalpindhi hat damals die ganze Welt schockiert und die Menschen in Pakistan zutiefst erschüttert, war doch die ehemalige Premierministerin nach rund zehn Jahren im Exil nach Hause zurückgekehrt, um ihre Pakistan People's Party (PPP) zum voraussichtlichen Sieg bei den anstehenden Parlamentswahlen zu führen und damit das Ende der Diktatur von General Pervez Musharraf zu besiegeln. Doch bis heute ist das spektakuläre Attentat auf die pakistanische Hoffnungsträgerin, dessen Hintergründe eng mit dem Krieg der NATO mit den Taliban im benachbarten Afghanistan zusammenhängen, unaufgeklärt geblieben.

Kaum waren die tödlichen Schüsse auf Bhutto abgegeben, da behaupteten die Regierungen in Islamabad und Washington allein auf der Basis von Vermutungen und Verdächtigungen, hinter dem Anschlag stecke Baitullah Mehsud, der Anführer der pakistanischen Taliban. Der paschtunische Stammesführer, der im August 2008 selbst einem Raketenanschlag, der per CIA-Drohne durchgeführt wurde, zum Opfer fallen sollte, hat seine Verwicklung in die Ermordung der PPP-Anführerin stets bestritten. Die Aufklärung des Verbrechens wurde zusätzlich erschwert, als am 22. Juli 2008 der vielleicht wichtigste Augenzeuge, Bhuttos Hauptleibwächter Khalid Shahenshah, auf offener Straße von unbekannten Tätern erschossen wurde. Am darauffolgenden Tag berichteten Zahid Hussain und Sophie Tedmanson für die Londoner Times aus der pakistanischen Hafenmetropole, hinter der Ermordung Shahenshahs steckten "dunkle Mächte". Die beiden Korrespondenten verwiesen auf "einige Regierungsvertretern", die "zu erkennen" meinten, "daß der Mord mit dem Attentat auf Frau Bhutto zusammenhängen könnte".

Tatsächlich war Shahenshah am Tag der Ermordung Bhuttos für deren Schutz zuständig und befand sich im Toyota Land Cruiser der Ex-Premierministerin, als sie sich die tödlichen Schutzverletzungen zuzog. Nach dem Attentat war im pakistanischen Fernsehen eine inkriminierende Videosequenz von der letzten Wahlkampfveranstaltung Bhuttos gezeigt worden. Darauf ist zu sehen, wie Shahenshah, der im Bild rechts und leicht unterhalb von Bhutto auf der Tribüne steht, einige ungewöhnliche Bewegungen macht, die als Signal zum Schießen an einen Scharfschützen interpretiert werden könnten. Auf dem Video, das bei Youtube unter dem Titel "Fox minding the hen" zu finden ist, kann man deutlich erkennen, wie der Leibwächter wiederholt in kurzen Abständen in die Hocke geht, sich an den Hals greift, als mache er das Zeichen für das Halsabschneiden, und fast gleichzeitig eine eindeutige Augenbewegung in Richtung der neben ihm befindlichen Bhutto macht. Wegen der umstrittenen Bilder tauchte Shahenshah für eine Weile unter - angeblich ihn Dubai. Später kehrte er nach Pakistan zurück, wo er von Bhuttos Witwer, dem späteren pakistanischen Präsidenten Ali Asif Zardari, zum Chefleibwächter der PPP ernannt wurde.

Vor ihrer Rückkehr in die Heimat hatte Bhutto selbst öffentlich erklärt, daß die Täter, sollte sie umgebracht werden, aus dem pakistanischen Sicherheitsapparat kommen würden. Zu dieser Prognose paßt auch der Ort des Geschehens - Rawalpindhi, der Sitz des pakistanischen Oberkommandos und vermutlich die Stadt mit den meisten Militärs und Geheimdienstlern in Pakistan. Im Interview mit dem Schattenblick hatte im September 2008 der Afghanistan- und Pakistan-Kenner Christoph Hörstel die Möglichkeit, daß Angehörigen des Mehsud-Clans ein solches Attentat in der schwerbewachten Garnisonsstadt gelingen würde, für ausgeschlossen erklärt - es sei denn, sie bekämen Unterstützung bzw. würden durch die diversen Sicherheitsschleusen von Mitarbeitern des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) hindurchgelassen. [1]

Am 25. September hat der Verdacht, hinter dem Tod Bhuttos stecke der pakistanische Sicherheitsapparat, neue Nahrung bekommen. An diesem Tag hat der pakistanische Minister für Rüstungsproduktion, Abdul Qayyum Khan Jatoi, auf einer Pressekonferenz in Quetta, der Hauptstadt der Provinz Belutschistan, erklärt, die Regierung in Islamabad habe "die Armee nicht mit Uniformen und Stiefel ausgestattet, damit sie ihre eigenen Landsleute Nawab Sahib und Benazir Bhutto töten". Beim erstgenannten handelt es sich um den Politiker und Stammesführer Nawab Akbar Bugti, der im August 2006 im Zuge einer Militäroperation gegen belutschische Separatisten ums Leben kam. Seine Familie macht Musharraf für den Tod verantwortlich. Jedenfalls wurde Khan Jatoi nach seiner spektakulären Äußerung im Fernsehen vom pakistanischen Premierminister Yousuf Raza Gilani sofort nach Islamabad zitiert. Innerhalb von sechs Stunden war er seinen Posten als Rüstungsminister los. Die Regierung hat sich formell von der Äußerung distanziert.

Im bereits erwähnten Interview des Schattenblicks hat Christoph Hörstel damals unter Verweis auf die langjährige, enge Zusammenarbeit zwischen ISI und CIA die Vermutung geäußert, daß das Attentat auf Bhutto auch von amerikanischen Stellen abgesegnet war. Für die Richtigkeit von Hörstels Vermutung sprechen einige Angaben, die Jeremy Scahill in seinem am 15. September bei der linken US-Wochenzeitschrift The Nation erschienenen Artikel "Blackwater's Black Ops" über die "schwarzen Operationen" jenes berüchtigten "Sicherheitsunternehmens", das sich heute Xe Services nennt, machte. Bhutto hatte im Herbst 2007 Blackwater engagiert, um ihre Sicherheit im pakistanischen Wahlkampf zu gewährleisten. Scahill zitiert aus einem Brief des Blackwater-Managers Robert Richer vom Oktober 2007, in dem dieser sich Sorgen über die Reaktion in der muslimischen Welt macht, sollte dort die Identität der "amerikanischen Sicherheitsfirma" der PPP-Vorsitzenden bekannt werden. Interessanterweise schrieb damals Richer, für den Fall, daß der Name Blackwater in Verbindung mit dem Bhuttos "auftaucht", sollte man "eine Mitteilung von einer Niederlassung von Al Kaida" bereithalten.

Fußnote:

1. Siehe SCHATTENBLICK.DE -> INFOPOOL -> POLITIK -> REPORT ->

INTERVIEW/011: Christoph R. Hörstel, Journalist und Politikberater (SB)

28. September 2010