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JUSTIZ/647: Streit in den USA um Buch über Terrorchef Ali Mohamed (SB)


Streit in den USA um Buch über Terrorchef Ali Mohamed

Bundesstaatsanwalt droht Großverlag mit Verleumdungsklage


In den USA droht ein hochinteressanter juristischer Streit, der, sollte er tatsächlich vor Gericht ausgetragen werden, weit in die Untiefen dessen blicken ließe, was man dort seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 den "globalen Antiterrorkrieg" nennt. Am 16. Juni sollte mit einer Pressekonferenz im ehrwürdigen National Press Club in Washington die Taschenbuchausgabe von "Triple Cross: How bin Laden's Master Spy Penetrated the CIA, the Green Berets and the FBI - and Why Patrick Fitzgerald Failed to Stop Him" veröffentlicht werden. Bei dem "Meisterspion" Osama Bin Ladens, der gleichermaßen Auslandsgeheimdienst, Spezialstreitkräfte und Bundespolizei der USA unterwandert und ausgetrickst haben soll, handelt es sich um den ehemaligen ägyptischen Armeemajor Ali Mohamed. Patrick Fitzgerald, der in dem Buch und dessen Untertitel offen bezichtigt wird, Mohamed nicht aufgehalten zu haben, ist der berühmte Bundesstaatsanwalt aus Chicago, der sich in den letzten Jahren hauptsächlich durch die Ermittlungen infolge der Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame durch Mitarbeiter des Weißen Hauses - weswegen Vizepräsident Dick Cheneys Stabschef Irv Lewis "Scooter" Libby 2007 rechtskräftig verurteilt wurde - sowie gegen den unter Korruptionsverdacht stehenden, demokratischen Senator aus Illinois, Rod Blagojevich, einen Namen gemacht hat. Fitzgerald versucht derzeit den Verlag Harper Collins durch die Androhung rechtlicher Schritte von einer Veröffentlichtung der überarbeiteten Version des Ende 2006 in den USA in einer gebundenen Ausgabe erschienenen Enthüllungsbuchs von Peter Lance abzubringen.

Die Bedeutung der Biographie Ali Mohameds, die bereits im Frühjahr 2007 im Schattenblick besprochen wurde, (1) kann nicht überbetont werden. Der 1952 geborene Ägypter wurde in den siebziger Jahren in seiner Heimat als Spezialist für psychologische Kriegsführung ausgebildet, trat später aus dem Armeedienst aus und arbeitete als Mitglied der Sicherheitsabteilung der staatlichen Luftlinie Egypt Air, bis er Mitte der achtziger Jahre in die USA auswanderte. Dort fand er, obwohl inzwischen angeblich bereits Mitglied der verbotenen Egyptian Islamic Union (EIU), eine Einstellung beim John F. Kennedy Special Warfare Center in Fort Bragg, North Carolina. Obwohl dort offiziell nur Feldwebel, erteilte Mohamed, der neben Arabisch, auch Hebräisch, Englisch und Französisch fließend spricht, Unterricht in Nahost-Studien.

Ab hier macht Mohamed eine sagenhafte Karriere. Während seiner Ferien reist er - obwohl es wegen der möglichen diplomatischen Verwicklungen illegal für einen US-Soldaten ist - nach Afghanistan, um an der Seite der von der CIA unterstützten Mudschaheddin sowjetische Soldaten zu töten. Anfang der neunziger Jahre bildet er an den Wochenenden im Großraum New York diejenigen Moslems aus, die 1993 am ersten Bombenanschlag gegen das World Trade Center beteiligt gewesen sein sollen. Anschließend heuert er bei Osama Bin Laden als dessen Leibwächter an und organisiert dessen Übersiedlung 1996 vom Sudan nach Afghanistan. Auch die verheerenden Bombenanschläge auf die US- Botschaften in Nairobi und Daressalam soll er geplant und ihre Durchführung geleitet haben. Kurz danach begibt sich der FBI- Kontaktmann in die Hände der US-Bundespolizei, sagt 2001 gegen die anderen Teilnehmer des Komplotts aus und verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Zeugenschutzprogramm des Justizministeriums.

Die Geschichte Mohameds ist eine Belastung für Fitzgerald, weil dieser nach Meinung des Buchautors Lance während seiner Zeit in den neunziger Jahren als Leiter der Organized Crime & Terrorism Unit des Southern District of New York (SDNY) den "Topterroristen" hätte aufhalten müssen. Lance, ein mehrfacher Emmy-Gewinner wegen früherer politischer Reportagen im US-Fernsehen, führt zum Beispiel eine Episode an, als Fitzgerald 1997 Mohamed in Kalifornien, wo dieser mit seiner christlichen Ehefrau Linda Sanchez wohnte, besuchte und mit ihm essen ging, statt ihn zu verhaften. Das Verhalten Fitzgeralds spricht weniger für eine Vernachnachlässigung seiner Pflicht als Verbrechensbekämpfer als dafür, daß bestimmte Stellen im Sicherheitsapparat der USA über die Tätigkeit Mohameds als Doppelagent und eventueller Agent Provokateur in islamistischen Kreisen Bescheid wußten und diesen absichtlich gewähren ließen (wenn nicht sogar beauftragt hatten).

In Fitzgeralds letztem Brief an Harper Collins, der nach Angaben des New American Magazine auf den 2. Juni datiert ist, hat der Bundesstaatsanwalt aus Chicago das Buch Lances als eine "mutwillige, als Wahrheit maskierte Lüge" bezeichnet und mit rechtlichen Schritten gedroht, sollte es wie geplant in der Taschenbuchausgabe erscheinen. Bereits vor Erscheinen der gebundenen Ausgabe hatte Fitzgerald ähnliche Drohungen Harper Collins schriftlich unterbreitet, welche die Führung des Verlages nach sorgfältiger Überprüfung des Lance-Textes durch die hauseigenen Anwälte ignoriert hat. Die Drohungen hat damals Fitzgerald nicht wahrgemacht. Diesmal wird er vermutlich auch klein beigeben, wohlwissend, welcher Staub aufgewirbelt werden würde, sollte der Rechtsstreit um Person und Aktivitäten Ali Mohameds tatsächlich vor Gericht landen.

Fußnote:

1. Siehe hierzu im Schattenblick unter INFOPOOL\BUCH\SACBUCH:

REZENSION/377: Peter Lance - Triple Cross (Spionage/Terrorismus)

18. Juni 2009