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JUSTIZ/688: US-Richter erklärt Ausspähung von Muslimen für legal (SB)


US-Richter erklärt Ausspähung von Muslimen für legal

Umstrittenes Spionageprogramm der NYPD auf dem Prüfstand



Seit der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden die Ausspionage sämtlicher elektronischer Kommunikationswege durch den US-Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) im Juni 2012 publik machte, tobt darüber weltweit eine nicht abreißende Debatte. In Deutschland wartet man bis heute vergeblich auf eine Antwort auf die Frage, was das Abhören des Mobiltelefons von Bundeskanzlerin Angel Merkel durch die NSA mit dem "globalen Antiterrorkrieg" der Amerikaner zu tun hat. In den USA schlägt die Diskussion um das Abspeichern sowohl der Verbindungsdaten als auch der Inhalte der Telefongespräche von Abermillionen unbescholtener Bürger hohe Wellen. Eine Allianz aus liberalen Demokraten und Tea-Party-Republikanern im Kongreß will die Praxis mit einer entsprechenden Gesetzesnovelle beenden. Präsident Barack Obama will dagegen mit Hilfe der Führung beider Parteien im Repräsentantenhaus und Senat die drohende Beschneidung der Befugnisse der Geheimdienste mit allen Mitteln verhindern.

Im Staatsapparat und in der Privatwirtschaft der USA gibt es eine nicht geringe Anzahl von Menschen, die vom gigantischen Arbeitsbeschaffungsprogramm Antiterrorkrieg profitieren, das Projekt vorantreiben und es gegen jede Kritik verteidigen. Zu diesem Personenkreis muß man den Richter William Martini aus New Jersey zählen. In einem denkwürdigen Urteil, das in seiner Logik stark an die Hirnwindungen der roten Königin in Lewis Carrols Märchen "Alice im Wunderland" erinnert, hat Martini am 20. Februar die Klage mehrerer muslimischer Bürger in Newark, New Jersey, gegen die jahrelange Überwachung durch die Polizei der benachbarten Stadt New York nicht nur abgewiesen, sondern die beiden Reporter von der Nachrichtenagentur Associated Press, Adam Goldman und Matt Apuzzo, als diejenigen ausgemacht, an die sich die Kläger wenden müßten. Hätte es die "unauthorisierte Enthüllung" der entsprechenden Dokumente des New York Police Departments (NYPD) durch die AP nicht gegeben, hätten die Betroffenen von der staatlichen Überwachung nichts gewußt und keinen Grund zur Beschwerde gehabt, heißt es in der Urteilsbegründung. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß Martini ein ehemaliger republikanischer Abgeordneter des Kongresses von New Jersey ist, der seine Ernennung zum Richter seinem Parteikollegen, dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush verdankt.

Apuzzo und Goldman haben 2011 die Existenz eines massiven Überwachungprogramms der NYPD, das kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ins Leben gerufen worden war und sich gegen die muslimischen Gemeinden in New York und New Jersey richtete, erstmals bekanntgemacht. Trotz des gigantischen Aufwands, darunter auch der Einsatz von bezahlten Spitzeln, hat die Operation nachweislich keinen einzigen Anschlag verhindert. Der mangelnde Erfolg lag unter anderem daran, daß die Maßnahmen wenig bis gar nicht zielgerichtet waren. Observiert wurden nicht nur 250 Moscheen und zahlreiche Kleingeschäfte wie Imbisse und Telefonläden, sondern auch mehrere Mädchenschulen. Wegen der Enthüllung einer überbordenden, Muslime diskriminierenden Spionagepraxis seitens der NYPD, die damals Polizeipräsident Raymond Kelly und Bürgermeister Michael Bloomberg unterstand, erhielten 2012 Apuzzo und Goldman zusammen mit ihren AP-Kollegen Eileen Sullivan und Chris Hawley in der Kategorie Investigativjournalismus den begehrten Pulitzerpreis.

Weil die mutmaßlichen Attentäter 9/11 Muslime waren, war es seitens der NYPD vollkommen legitim, die muslimischen Gemeinden im Großraum New York näher unter die Lupe zu nehmen, so Martini. In den USA haben Anwaltsvereinigungen und Bürgerrechtsorganisationen mit Bestürzung auf die vom Urteil ausgehende Legitimierung des Generalverdachts der terroristischen Umtriebe gegen einen Teil der Bevölkerung, unabhängig von jedem konkreten Tatverdacht oder irgendwelchen stichhaltigen Hinweisen, sondern nur aufgrund der religiösen Zugehörigkeit bzw. der ethnischen Herkunft, reagiert. Der Anwalt und Leiter der Organisation Muslim Advocates, Glenn Katon, hat mit folgenden Worten Berufungsklage gegen das Urteil Martinis angekündigt: "Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Das Überwachungsprogramm verstößt gegen die Verfassung. Daher sind wir zuversichtlich, daß nach der Berufung das Urteil keinen Bestand haben wird."

24. Februar 2014