Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

LATEINAMERIKA/2141: Kuba begeht den 50. Jahrestag der Revolution (SB)


Raúl Castro widerspricht Gegnern der kubanischen Gesellschaftsordnung


Mit den gierigen Augen unersättlicher Vorteilsnahme und dem kalkulierenden Blick globaler Herrschaftssicherung gemustert hat Kuba 50 Jahre nach der Revolution nichts erreicht. Darauf können die Kubaner stolz sein. In einer Welt mangelnder Sourcen des Überlebens und eskalierender Waffengänge um die Verfügung über die schwindenden Reste haben es diese elf Millionen Menschen geschafft, trotz überwältigender Anfeindungen und einer jahrzehntelangen Blockade eine Gesellschaftsform aufzubauen und fortzuentwickeln, die sich nicht durch krasse Unterschiede in den Lebensverhältnissen und der Anhäufung von Reichtum zu Lasten eines wachsenden Elendsheers auszeichnet. Wer dies als lächerlich und bedeutungslos verhöhnt, muß sich jener Minderheit zugehörig fühlen, die ihre Privilegien als Geburtsrecht betrachtet und mittels Schaffung von Unwert und Leiden zu sichern und steigern trachtet.

Während sich in Berlin hunderttausend Menschen in instinktiver Flucht aus ihrer sozialen Isolation in den Taumel der Neujahrsfeier zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule stürzten, um die massenhafte Verelendung in Deutschland für einige Stunden zu verdrängen, war man in Havanna besonnen genug, zum runden 50. Jahrestag der Revolution auf allen Pomp zu verzichten. Nach den Verwüstungen durch die schweren Naturkatastrophen, die Kuba im abgelaufenen Jahr heimgesucht haben, wie auch angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise verzichtete man nicht auf die Würdigung des historischen Ereignisses und seiner Folgen, wohl aber auf große Aufmärsche und Militärparaden. Die Wirbelstürme "Gustav", "Ike" und "Paloma" hatten rund ein Drittel der Ernten vernichtet und Schäden in Höhe von insgesamt zehn Milliarden Dollar angerichtet.

Mit Konzerten, Straßenfesten und einem zentralen Akt in Santiago beging Kuba den 50. Jahrestag der Revolution gegen den von den USA unterstützten Diktator Fulgencio Batista, der am 1. Januar 1959 vor der zahlenmäßig weit unterlegenen Rebellenarmee unter Führung der Brüder Castro und Che Guevaras geflohen war. Da dem erkrankten 82jährigen Revolutionsführer Fidel Castro ein öffentlicher Auftritt nicht möglich war, gratulierte er der kubanischen Bevölkerung in einem auf der Titelseite der Tageszeitung "Granma" veröffentlichten Beitrag, in dem es hieß, der Sieg der Guerilla über den Diktator Batista sei ein Sieg des Volkes gewesen. Die Hauptrede hielt sein jüngerer Bruder Raúl, der 2006 die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Als Zuhörer waren etwa 3.000 Menschen "in Vertretung aller Kubaner" zugegen, was gemessen an den traditionellen Massenaufmärschen eine sehr geringe Zahl war. In Santiago de Cuba wurde eine Fotoausstellung über Fidel Castro eröffnet und in der Hauptstadt Havanna erinnerten nur einige große kubanische Flaggen an öffentlichen Gebäuden und Embleme mit der Aufschrift "50" an den Jahrestag.

Santiago de Cuba, die im Südosten des Landes gelegene zweitgrößte Stadt der Insel, war aus gutem Grund für die offizielle Feier gewählt worden, da dort mehrere denkwürdige Ereignisse der kubanischen Geschichte ihren Lauf genommen haben. Am 26. Juli 1953 begann in dieser Stadt mit dem von Fidel Castro angeführten Sturm auf die Moncada-Kaserne der bewaffnete Kampf gegen die Batista-Diktatur und dort verkündete Fidel am 1. Januar 1959 den Sieg der Revolution. "Endlich sind wir in Santiago! Der Weg war hart und lang, aber wir sind angekommen!", waren seine ersten Worte, die er damals vom Balkon des Rathauses von Santiago aus der versammelten Menge zurief. "Die Revolution beginnt jetzt. Die Revolution wird keine einfache Aufgabe, sie wird hart und voller Gefahren sein, vor allem in dieser Anfangsphase, und welcher Ort wäre besser geeignet, um die Regierung der Republik zu etablieren, als diese Festung der Revolution." Deshalb sei Santiago de Cuba "die provisorische Hauptstadt der Republik", verkündete Fidel. (junge Welt 31.12.08)

Raúl Castro widersprach in seiner Rede den Kritikern der kubanischen Wirtschaftsordnung: "Der Sozialismus hat sich nicht als Fehlschlag erwiesen", bekräftigte er und zeigte sich optimistisch hinsichtlich der Zukunft des Landes. Er nannte die zurückliegenden 50 Jahre heroisch und rief zu weiterem Widerstand gegen den Imperialismus auf. Er erinnerte an eine Rede seines Bruders, der vor einigen Jahren gewarnt hatte, daß sich diese Revolution selbst zerstören könne: "Sollte das geschehen, wäre es unsere eigene Schuld." Zugleich erneuerte er seine Mahnung, die Produktion und die Exporte müßten angekurbelt werden.

"Wir haben keinen Frieden gehabt, wir hatten keine Ruhe, und der Feind behauptet, der Sozialismus sei gescheitert. Warum läßt man uns nicht in Ruhe, damit wir für gleiche Lebensverhältnisse kämpfen können", fügte Raúl Castro in einem Fernsehinterview hinzu. Bekanntlich währen die Sanktionen der USA gegen Kuba schon so lange, daß der 47 Jahre alte künftige Präsident Barack Obama noch nicht geboren war, als Präsident Eisenhower 1960 die ersten Strafmaßnahmen verhängte. Dennoch haben es seither zehn US-Administrationen nicht vermocht, die Kubaner in die Knie zu zwingen.

Auch in zahlreichen anderen Ländern wurde der Jahrestag des Sieges mit Feiern, Ausstellungen und offiziellen Zeremonien gewürdigt. In der Silvesternacht fand im Berliner Tempodrom eine "Fiesta Cubana" statt, wobei sich unter den zahlreichen Gästen auch der Botschafter der Republik Kuba, Gerardo Peñalver Portal, eingefunden hatte. Wie dieser in seinem Grußwort unterstrich, seien die Vereinigten Staaten mit ihrem Versuch gescheitert, Kuba zu isolieren und die Revolution zu zerschlagen. So hätten 185 von 192 Mitgliedsstaaten der UNO die "kriminelle Blockade« auch in diesem Jahr erneut verurteilt.

Die offizielle kubanische Zeitung "Trabajadores" druckte Grußbotschaften der Regierungen Jemens und Nordkoreas sowie unter anderem der dänischen Kommunisten ab. Venezuelas Präsident Hugo Chávez kündigte an, er werde seine offiziellen Aktivitäten im Jahr 2009 mit einer Zeremonie zu Ehren der kubanischen Revolution beginnen. In Managua erinnerte der frühere nicaraguanische Minister Tomás Borges daran, daß alle politischen Veränderungen in Lateinamerika ihren Ursprung in der Kubanischen Revolution gehabt hätten. So sei der venezolanische Präsident Hugo Chávez möglich durch Bolívar und Fidel, wie auch die Sandinistische Befreiungsfront FSLN nur erklärbar durch Sandino und Fidel sei. In Moskau hoben die Abgeordneten der russischen Duma in einer Erklärung die sozialen Errungenschaften hervor, die Kuba trotz der jahrzehntelangen Blockade geschaffen habe. Es sei erfreulich, daß die traditionelle Freundschaft beider Länder im abgelaufenen Jahr wieder gestärkt werden konnte.

2. Januar 2009