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LATEINAMERIKA/2144: Klarer Wahlsieg der FMLN in El Salvador (SB)


Linksruck - ARENA-Partei verliert Parlaments- und Kommunalwahlen


Seit Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1992 wurde El Salvador von der Nationalen Republikanischen Allianz (ARENA) regiert, die Anhänger der früheren Militärdiktatur gegründet hatten. Gestern wurden in dem mittelamerikanischen Land Parlaments- und Kommunalwahlen abgehalten, bei denen 4,2 Millionen Bürger aufgerufen waren, 84 Abgeordnete des Parlaments sowie Bürgermeister und Gemeinderäte in 262 Gemeinden neu zu bestimmen. Nach Hochrechnungen der Wahlbehörde zeichnet sich ein klarer Wahlsieg der früheren Guerillapartei Front Farabundo Martí für die Nationale Befreiung (FMLN) an, die bei der Parlamentswahl rund 43 Prozent der Stimmen erreicht hat, während auf die rechtsgerichtete ARENA-Partei nur 38 Prozent entfielen. Auch aus den gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahlen ging die FMLN als Siegerin hervor.

Allerdings deutet sich in der Hauptstadt San Salvador entgegen dem landesweiten Trend ein knapper Erfolg des ARENA-Kandidaten für das Bürgermeisteramt, Norman Quijano, an, der sich bereits von seinen jubelnden Anhängern zum Sieger ausrufen ließ. Die Bestätigung dieses Ergebnisses vorausgesetzt, löst er Bürgermeisterin Violeta Mejía ab. Da die FMLN diesen Posten seit 1997 innehatte, handelt es sich um mehr als nur einen Wermutstropfen im Siegerpokal, wobei die Linkspartei diese Niederlage bereits eingeräumt und ihre Bereitschaft erklärt hat, das Ergebnis zu respektieren.

Der deutliche Linksruck hat El Salvador einen Machtwechsel beschert, da die FMLN in der Nationalversammlung mit 37 der 84 Sitze rechnen kann, die ARENA hingegen wohl nur noch 33 Abgeordnete stellen wird. Sie dürfte ein Mandat verloren haben, während die frühere Guerilla fünf Sitze hinzugewonnen hat. Wie die FMLN zutreffend erklärte, sei sie nun die führende Kraft in der Nationalversammlung.

Nachdem es im Wahlkampf noch zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen war, verfolgten mehr als 2.000 internationale Beobachter den Urnengang mit gespannter Aufmerksamkeit. Wie sie bestätigen konnten, blieben größere Zwischenfälle am gestrigen Wahlsonntag aus. Auch die Wahlbehörde sprach von einem ruhigen Verlauf, wobei der Leiter der EU-Wahlbeobachtungskommission, der Spanier Luis Yáñez Barnuevo, die Wahlbeteiligung auf rund 50 Prozent geschätzt hat. Seinen Angaben zufolge verlief die Abstimmung in fast 99 Prozent der Wahllokale "akzeptabel oder gut". Die 80 europäischen Beobachter bemängelten zwar kleinere Unregelmäßigkeiten am Wahltag, doch blieben diese ihrer Einschätzung nach ohne nennenswerte Auswirkung auf das Gesamtergebnis. Allerdings monierte Yañez die zu geringe Anzahl der Wahllokale, welche vielen Wahlberechtigten die Abstimmung erschwert habe.

Noch wegweisender dürfte indessen die Wahl eines neuen Präsidenten am 15. März sein, bei der sich aktuellen Umfragen zufolge ein klarer Sieg des FMLN-Kandidaten Mauricio Funes abzeichnet. Seit Beendigung des zwölfjährigen blutigen Bürgerkriegs durch das Friedensabkommen von 1992 zwischen der Regierung und der Guerilla haben stets Präsidenten der ARENA-Partei das Land regiert, wobei Amtsinhaber Elías Antonio Saca gemäß der Verfassung nicht erneut kandidieren darf. Sein Nachfolger und erster linksgerichteter Staatschef wird aller Voraussicht nach mit Funes ein 49 Jahre alter populärer Fernsehjournalist, der wegen kritischer Berichterstattung von seinem Sender auf die Straße gesetzt wurde. Funes gehört der Partei kaum ein halbes Jahr an und repräsentiert den sozialdemokratischen Flügel der FMLN. Er hat im Wahlkampf mit entsprechenden Äußerungen zu verschiedenen politischen Fragen wie auch Treffen mit Vertretern der Unternehmerschaft Teile des Mittelstandes gewonnen.

Sein schärfster Rivale ist Rodrigo ‘vila, der früher Polizeichef war und heute zu den größten privaten Sicherheitsunternehmern des Landes gehört. Da die fest verankerten reaktionären Eliten in El Salvador weder vor Hetzkampagnen in den Medien noch Gewalttaten gegen linke und soziale Kräfte zurückschrecken, wie sie jüngst in der Ermordung zweier Aktivisten der FMLN kurz vor der Wahl gipfelten, sind weitere massive Übergriffe zur Abwendung des erdrutschartigen Verlusts politischen Einflusses keineswegs auszuschließen.

19. Januar 2009