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LATEINAMERIKA/2150: Luis Posada Carriles - Attentäter im Ruhestand (SB)


Venezuela verlangt von neuer US-Administration erneut die Auslieferung


Am 12. Juli 1998 präsentierte die New York Times ihren Lesern ein ausführliches Interview mit Luis Posada Carriles, der sich mit seinen Heldentaten im Dienst der CIA brüstete. Er habe 1961 zusammen mit 1.500 exilkubanischen Söldnern an der mißglückten Invasion in der Schweinebucht teilgenommen und sei danach von der CIA rekrutiert worden, um Attentate auf kubanische Führer und andere Anschläge auszuführen. Wie die Zeitung weiter schrieb, habe Posada in den 1970er Jahren in hochrangiger Position für die venezolanische Geheimpolizei gearbeitet.

In Venezuela wurde Posada festgenommen und zu 27 Jahren Haft verurteilt, da man ihn des Anschlags auf eine Verkehrsmaschine der Cubana de Aviacion für schuldig befand, bei dem 1976 vor der Küste von Barbados alle 73 Insassen getötet wurden. Auf einer Demonstration, zu der am 15. Oktober 1976 Hunderttausende Kubaner in Havanna zusammenkamen, verurteilte Fidel Castro das Attentat, für das er Drahtzieher in Washington verantwortlich machte. Wer sonst verfüge über die Mittel und Möglichkeiten, sich ungehindert in dieser Region zu bewegen und mit hochentwickelten Methoden derartige Verbrechen zu verüben.

Nach acht Jahren im Gefängnis gelang es Posada unter ungeklärten Umständen zu entkommen. Wie er der New York Times erzählte, habe er daraufhin in El Salvador am Kampf gegen Nicaragua teilgenommen, indem er die Contras mit Waffen versorgte. Zu dieser Zeit arbeitete er auch mit Oberstleutnant Oliver North zusammen, der die Operation in enger Abstimmung mit CIA-Chef William Casey vom Keller des Weißen Hauses aus leitete. Das Hauptquartier befand sich jedoch auf dem Stützpunkt Ilopango der US Air Force in El Salvador.

Im Interview gab Posada offen zu, 1997 eine Welle von Bombenanschlägen auf Hotels, Restaurants und Discotheken in Kuba organisiert zu haben. Die erforderlichen Geldmittel habe er von der Cuban American National Foundation erhalten. Wie der Artikel schloß, hätten US-amerikanische Justizbehörden keinerlei Versuche unternommen, Posada zu diesen Vorfällen zu vernehmen. Als das Interview der New York Times gehörig Staub aufzuwirbeln begann, dementierte Posada Carriles auf Drängen der exilkubanischen Organisation seine Darstellung, doch unterstrich die Zeitung ausdrücklich ihre authentische Wiedergabe dessen, was ihr im Gespräch mitgeteilt worden war.

Aus kubanischer Sicht zählt Luis Posada Carriles zu den meistgesuchten Straftätern, und so hat man seine jeweiligen Aufenthaltsländer in Mittelamerika immer wieder mit Informationen über seinen Verbleib und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe versorgt. Daß die angestrebte Festnahme jahrelang unterblieb, lag also gewiß nicht an mangelnder Kenntnis über Person und Treiben dieses Mannes, sondern zweifellos an dem Schutz, den er seitens US-amerikanischer und regionaler Geheimdienste genoß.

Am 17. November 2000 sollte Fidel Castro im Vorfeld des 10. Ibero-Amerikanischen Gipfels in Panama eine Pressekonferenz geben. Wenige Stunden zuvor überreichten kubanische Sicherheitsleute den örtlichen Behörden detaillierte Informationen über Namen, Adressen, Telefonnummern und Personenbeschreibungen rechtsgerichteter Attentäter, die einen Anschlag auf den kubanischen Präsidenten planten und offenbar zuschlagen wollten, sofern es die Umstände erlaubten. Dann brachte die Delegation Kubas die Gastgeber in Zugzwang, indem Castro selbst öffentlich auf den geplanten Anschlag hinwies und die Festnahme der Attentäter ankündigte.

Damit standen die Behörden Panamas vor der Wahl, Posada und seine Helfershelfer tatsächlich festzunehmen oder ihn gewissermaßen vor den Augen der Weltöffentlichkeit entkommen zu lassen. So konnte der kubanische Außenminister kaum eine Stunde nach der Pressekonferenz bekanntgeben, daß Posada Carriles sowie sechs weitere Hintermänner verhaftet worden seien. Vier von ihnen waren wie Posada Exilkubaner, während einer aus Honduras und ein anderer aus Panama stammte.

Wenige Tage nach den Festnahmen in Panama gab die Polizei offiziell den Fund von rund 50 Pfund Sprengstoff bekannt. Auch habe man in der Wohnung eines der Verdächtigten Hinweise auf den Ort des geplanten Anschlags entdeckt. So konnte die Präsidentin Panamas, Mireya Moscoso, nicht umhin, den weiteren Fortgang der Ermittlungen und möglichen Strafverfolgung anzukündigen. Wie nicht anders zu erwarten, beantragte Havanna die Auslieferung der fünf gebürtigen Kubaner, um ihnen im eigenen Land den Prozeß zu machen. In Venezuela gab Präsident Hugo Chávez bekannt, man ziehe ebenfalls ein Auslieferungsgesuch in Erwägung, da Posada Carriles seit seiner Flucht aus dem Gefängnis auf der Fahndungsliste stehe.

Die mutmaßlichen Verschwörer wurden zu milden Haftstrafen zwischen sieben und acht Jahren verurteilt. Trotz des Sprengstoffunds in ihrer Unterkunft hielt das Gericht den Vorwurf der Vorbereitung eines Attentats für nicht erwiesen und befand lediglich auf Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Urkundenfälschung, weil das Quartett mit falschen Papieren eingereist war. Vergeblich bezeichnete die kubanische Regierung diese Strafen als Hohn.

Im Jahr 2004 begnadigte die rechtskonservative Präsidentin Mireya Moscoso wenige Tage vor Ende ihrer Amtszeit vier verurteilte Exilkubaner mit der Begründung, unter ihrem sozialdemokratischen Amtsnachfolger Martín Torríjos drohe die Auslieferung nach Kuba oder Venezuela, wo ihnen die Todesstrafe sicher sei. Bei den vier Männern handelte es sich um Luis Posada Carriles, Gaspar Jiménez, Guillermo Novo und Pedro Remón, die seit Jahrzehnten zu den skrupellosesten Gegnern Fidel Castros zählten und für zahlreiche Anschläge gegen kubanische Einrichtungen verantwortlich waren. Guillermo Novo beispielsweise war in jungen Jahren in Washington an der Ermordung des chilenischen Außenministers unter Allende, Orlando Letelier, in Washington beteiligt und dafür später zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Moscoso hat früher mit ihrem Mann, dem von General Torríjos ins Exil getriebenen Präsidenten Arnulfo Arias, lange Jahre in Miami gelebt und verfügt dort über gute Kontakte zur exilkubanischen Gemeinde. Wie sie jedoch in einem Interview mit US-Medien behauptete, habe sie bei Unterzeichnung des Gnadenerlasses weder unter dem Druck der Regierung in Washington, noch radikaler Kreise in Miami gestanden.

In Südflorida, wo die exilkubanischen Hardliner seinerzeit heftig gegen die Verurteilung des Quartetts protestiert hatten, das in ihren Augen heldenhaft gegen Castro kämpfte, feierte man die Freilassung. Da drei der Begnadigten über US-amerikanische Pässe verfügten, reisten sie umgehend nach Miami, wo ihnen die kubanische Gemeinde einen begeisterten Empfang bereitete.

Posada Carriles, der als naturalisierter Staatsbürger Venezuelas keinen US-Paß besaß, versuchte sich ins gelobte Land einzuschleichen. Aus Mexiko kommend wurde er jedoch festgenommen und zunächst als illegaler Einwanderer angesehen. Bald entbrannte eine heftige Kontroverse um sein weiteres Schicksal, da Kuba und Venezuela die Auslieferung des Attentäters verlangten, den die Bush-Administration jedoch nach Kräften schützte. Er verbrachte zwei Jahre im Hausarrest, bis schließlich im Mai 2007 ein Bundesrichter in Texas die Anklage wegen illegaler Einwanderung fallen ließ und ihn auf freien Fuß setzte.

Wie vor ihm der frei in den USA lebende Orlando Bosch hatte sich Posada Carriles vor Journalisten offen der Anschläge gegen Kuba gerühmt. So sagte er in dem eingangs erwähnten Interview mit der New York Times, sein Gewissen sei rein und er schlafe wie ein Baby. Der bei einem Bombenattentat auf ein kubanisches Hotel getötete Italiener sei eben zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Wenngleich Luis Posada Carriles zweifellos generöseren Dank und Lohn für seine blutigen Handlangerdienste erwartet hatte und heute nur noch in gewissen exilkubanischen Kreisen Südfloridas wie ein Held verehrt wird, verbringt er doch einen geruhsamen Lebensabend in den USA, wie er ihn sich stets gewünscht hat. Der 80jährige geht seinem Hobby nach und malt Landschaftsbilder, die bei Ausstellungen in Miami in Kreisen hartgesottener Exilkubaner reißenden Absatz finden.

Nun will Venezuela erneut seine Auslieferung beantragen. Man darf gespannt sein, wie sich Barack Obama aus der Affäre zieht. Denkbar wäre eine Auslieferung nach Panama, dessen oberster Gerichtshof die Begnadigung von 2004 aufgehoben hat.

27. Januar 2009