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LATEINAMERIKA/2156: Kuba reicht alten Bündnispartnern die Hand (SB)


Havanna vertieft Zusammenarbeit mit Rußland, Angola und Algerien


Die jahrzehntelange Blockade, mit der die Vereinigten Staaten vergeblich versucht haben, Kuba in die Knie zu zwingen, scheint ihre Wirkkraft einzubüßen. Immer lauter erschallt in ganz Lateinamerika wie auch in anderen Weltregionen der Ruf, dieses Sanktionsregime endlich zu beenden, während die Regierung in Havanna zugleich bemerkenswerte Fortschritte bei der Wiederannäherung an frühere Bündnispartner erzielt. Das Handelsembargo kann nur dann seinen Zweck erfüllen, wenn es von einflußreichen Kollaborateuren mitgetragen wird. Daher drohen die USA aller Welt harte Strafen an, sollte es jemand wagen, mit Kuba Geschäfte zu machen und aus dem Exportverbot für US-Unternehmen auch noch Konkurrenzvorteile zu ziehen. So notwendig es für Washington also ist, in Verfolgung seiner aggressiven Politik für eine geschlossene Phalanx der Isolation Kubas zu sorgen, so sehr trägt diese Strategie den Keim ihres eigenen Scheiterns in sich, da tiefere Risse im Gefüge der Sperrmauer die Dynamik unaufhaltsamen Zusammenbruchs in Gang setzen.

Der kubanische Staats- und Regierungschef Raúl Castro ist soeben von einer zweiwöchigen Auslandsreise heimgekehrt, die ihn nach Rußland, Angola und Algerien geführt hatte. An allen drei Stationen gedachte man nicht nur der vordem so engen Zusammenarbeit, sondern befleißigte sich auch konkreter Schritte in Gestalt geschlossener Abkommen, um die Kooperation auf neue Füße zu stellen. Damit setzte die Regierung Kubas ihren Kurs entschlossen fort, durch den Ausbau der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen das Embargo zu unterlaufen, zu schwächen und letztendlich auszuhebeln.

In Moskau vereinbarten Rußland und Kuba eine neue strategische Partnerschaft, in deren Rahmen die Amtskollegen Dimitri Medwedjew und Raúl Castro ein Paket aus 34 Einzelabkommen unterzeichneten. Zu Zeiten des Kalten Krieges war die Sowjetunion der wichtigste Verbündete und Handelspartner Kubas. Seit Fidel Castro 1987 im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution in die russische Hauptstadt gereist war, hatte kein kubanischer Staatschef mehr Moskau besucht. Der Zusammenbruch der Sowjetunion stürzte Kuba in eine tiefe Krise, da damit etwa 85 Prozent des ökonomischen Hinterlands weggebrochen waren. Damals liefen die meisten Prognosen darauf hinaus, daß die kubanische Gesellschaftsordnung diesen schweren Rückschlag nicht überleben würde. Doch zur abgrundtiefen Enttäuschung ihrer zahlreichen Gegner und zur Ermutigung ihrer Freunde in aller Welt gelang es den Kubanern, sich dank gewaltiger Anstrengungen in der sogenannten Sonderperiode zu behaupten.

In jüngerer Zeit sind die Beziehungen zwischen Kuba und Rußland wieder wesentlich enger geworden. Die Schulden, die Kuba bei der UdSSR hatte, wurden schon 2006 auf Eis gelegt. Präsident Medwedjew reiste im November 2008 nach Havanna, und in den ersten ersten elf Monaten des Jahres 2008 stieg das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 239 Millionen Dollar. Nun vergab die russische Regierung einen Kredit über rund 20 Millionen Dollar, mit denen die Kubaner in Rußland einkaufen können. Zugesichert wurde zudem die Lieferung von 25.000 Tonnen Getreide an Kuba.

Man vereinbarte eine technologisch-militärische Kooperation, um die kubanischen Streitkräfte insbesondere mit Ersatzteilen zu versorgen. Im zivilen Sektor erstreckt sich die nun vertiefte Zusammenarbeit auf zahlreiche Bereiche, die von Energie, Informatik und Biotechnologie über Transport, Schiffbau und Tourismus bis hin zu medizinischen Dienstleistungen reichen. Nicht zuletzt wollen die beiden Länder künftig in der Landwirtschaft sowie bei der Förderung von Bodenschätzen wie Erdöl und Nickel zusammenarbeiten, wozu bereits Joint Ventures vereinbart wurden.

Zu Ehren des Besuchs der hochrangigen kubanischen Delegation zeigten staatliche Fernsehsender Dokumentationen über Kuba und die Brüder Castro. Im Moskauer Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Kriegs wurde eine Ausstellung über die Geschichte der kubanischen Revolution eröffnet und Präsident Medwedjew gratulierte dem kubanischen Volk zum 50. Jahrestag der Revolution. Er traf mehrfach offiziell wie auch privat mit Raúl Castro zusammen und hob hervor, daß die Beziehungen ihrer beiden Länder neuen Schwung erhielten. Die beiderseitige Freundschaft und das gegenseitige Vertrauen hätten alle Bewährungsproben der Zeit überstanden und bildeten ein solides Fundament. Der Besuch öffne ein neues Kapitel in der Geschichte dieser Beziehungen.

Der kubanische Staatsgast sprach von einem historischen Augenblick, einem Meilenstein in den Beziehungen zwischen Rußland und Kuba. Man habe einen großen Schritt zur Stärkung der Beziehungen getan. Für Rußland sind befreundete Länder und Optionen wirtschaftlicher wie militärischer Zusammenarbeit in Lateinamerika unter geostrategischen Gesichtspunkten von Bedeutung, zumal die Einkreisung durch die NATO immer enger wird. Im Herbst hatten Einheiten der russischen Nordmeerflotte zunächst ein gemeinsames Manöver mit der Marine Venezuelas abgehalten, worauf sie im Dezember Havanna zu einem Freundschaftsbesuch anliefen. Nun verzichteten die Staatschefs auf jede öffentliche Erörterung militärischer Fragen, und Außenminister Lawrow wies wiederholt darauf hin, daß sich die Zusammenarbeit nicht gegen dritte Länder richte und völlig transparent sei. Man kann dies wohl als Zeichen der Zurückhaltung interpretieren, die sich Moskau und Havanna auferlegen, bis US-Präsident Barack Obama eindeutig Farbe bekannt hat.

Nach ihrem Besuch in der russischen Hauptstadt reiste die kubanische Delegation weiter nach Angola. In Luanda erinnerte man sich bei den Feiern zum 48. Jahrestag des Aufstands gegen die Kolonialmacht Portugal an die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba und der angolanischen Befreiungsbewegung MPLA. Die beiden Länder blieben einander auch in der Folgezeit verbunden, wovon die Entsendung Tausender kubanischer Lehrer, Ärzte und Arbeiter nach Angola wie auch kostenlose Studienmöglichkeiten für Angolaner auf der Karibikinsel zeugen.

Präsident José Eduardo dos Santos rief im Beisein Raúl Castros vor der Nationalversammlung Barack Obama auf, die Wirtschaftsblockade gegen die Kubaner aufzuheben. Die beiden Staatschefs sprachen sich in einem Abschlußdokument des Besuchs unter anderem für eine verstärkte Zusammenarbeit der Länder des Südens aus und mahnten eine multilaterale Weltordnung an, in der nationale Souveränität und territoriale Integrität respektiert werden. Man unterzeichnete zwei Abkommen zur Zusammenarbeit in den Bereichen Bergbau und Geologie wie auch Memoranden zum derzeitigen Stand und weiteren Ausbau der Kooperation im Bildungsbereich.

Auch auf der dritten und letzten Station der Auslandsreise unterschrieben die Präsidenten Abdelaziz Bouteflika und Raúl Castro mehrere Abkommen zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit. In Algier vereinbarte man unter anderem, im medizinischen Bereich, bei der Errichtung von Krankenhäusern und der Herstellung von Medikamenten zu kooperieren.

Wenngleich die jeweils geschlossenen Abkommen mit Rußland, Angola und Algerien im Umfang natürlich große Unterschiede aufweisen, stellen sie doch ein Signal mit gemeinsamer Stoßrichtung dar: Man will nicht zulassen, daß die USA und ihre Verbündeten die neue Weltordnung durchsetzen und in diesem Zusammenhang auch die jahrzehntelange Blockade Kubas sprengen.

11. Februar 2009