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LATEINAMERIKA/2244: Washington strebt faulen Kompromiß in Honduras an (SB)


Schulterschluß Zelayas mit dem Widerstand soll verhindert werden


Der durch einen Staatsstreich am 28. Juni vertriebene honduranische Präsident Manuel Zelaya hatte am Wochenende symbolisch heimischen Boden betreten und hält sich derzeit nahe der Grenze in einem Zeltlager in Nicaragua auf, um von dort aus den zivilen Widerstand gegen die Putschisten zu organisieren. In einer Mischung aus Erleichterung angesichts des von den Sicherheitskräften vereitelten Versuchs Zelayas, mit den Kräften der Widerstandsbewegung zusammenzutreffen, und längst nicht verflogener Sorge ob seiner Präsenz unweit der Grenze setzt die US-Regierung um so mehr auf eine Strategie der Verzögerung mittels erneuter Verhandlungen, die den Machthabern in Tegucigalpa in die Hände spielt. Ein Zusammenschluß des legitimen Staatschefs mit der Front der Regimegegner auf honduranischem Boden wäre derzeit das wirkmächtigste Moment, die Okkupanten aus ihren Schaltstellen zu verjagen und einen Prozeß gesellschaftlicher Umgestaltung zu beflügeln, die über das näherrückende Ende der Amtszeit Zelayas hinausreicht. Sollte dieser Schulterschluß gelingen, ließe sich der Putsch womöglich nicht nur rückgängig machen, sondern sogar in ein Eigentor der reaktionären Kräfte verwandeln.

Um dieses aus Sicht der US-Administration schlimmste Szenario zu verhindern, hat der Sprecher des Außenministeriums in Washington, Ian Kelly, beide Konfliktparteien in Honduras zur Zurückhaltung aufgerufen. Sowohl der aus dem Amt vertriebene Präsident Zelaya als auch die putschenden Militärs müßten sich mäßigen: "Ich glaube, alle Parteien müssen das Ziel haben, eine friedliche Lösung zu finden", forderte Kelly. Nur unter diesen Umständen hätten die Vermittlungsbemühungen des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias Aussicht auf Erfolg. [1]

Was Arias bislang als Kompromißvorschlag vorgelegt hat, bürdet Zelaya die Last der Verzichts auf wesentliche Handlungsspielräume und Ziele auf. Dennoch hat der Präsident dem Vorschlag zugestimmt, während dieser von den Putschisten rundweg abgelehnt wurde, die auf ihrer Maximalforderung beharrten, Zelaya dürfe nicht mehr ins Amt zurückkehren. Grundsätzlich gilt für diese Verhandlungen, daß sie von dem Putsch als vollendete Tatsache ausgehen und somit dem vertriebenen Präsidenten weitreichende Zugeständnisse abverlangen. Dessen ist sich auch die US-Regierung sicher, weshalb sie von wirksamen Sanktionen absieht und in der Gewißheit auf die Vermittlung unter Arias setzt, daß dieser bekanntermaßen das Geschäft beherrscht, unerwünschte Umbruchprozesse zu verhindern und dies als gefeierten Friedensschluß zu verkaufen.

Unterdessen hat auch der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos Position bezogen und Zelaya Unterstützung für dessen Rückkehr ins Präsidentenamt zugesichert. Wie Moratinos bei einem Besuch in Venezuela gemeinsam mit seinem venezolanischen Amtskollegen Nicolas Maduro warnte, dürfe die Welt keine Aktionen zulassen, die gegen die Demokratie verstießen. Die sozialistische Regierung des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero verlange die schnellstmögliche Wiedereinsetzung Zelayas als Präsident. [2]

In einem Interview mit dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur betonte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, daß Zelaya der legitime Präsident von Honduras sei. Er forderte die Konfliktparteien auf, die Staatskrise friedlich beizulegen. Voraussetzung für eine Lösung sei jedoch, daß Zelaya sein Amt bis zum Januar kommenden Jahres ausübe. [3]

Inzwischen deuten sich erste Risse in der Mauer an, welche die Putschisten gegen die Rückkehr Zelayas errichtet haben. Nach Gesprächen honduranischer Offiziere mit US-amerikanischen Kongreßabgeordneten in Washington wurde auf der Website der Streitkräfte von Honduras ein Communique veröffentlicht, wonach man einer Rückkehr des gestürzten Präsidenten unter Maßgabe des Abkommens von San José, also des von Oscar Arias unterbreiteten Vorschlags, nicht im Wege stehen werde. Die Militärs hätten nicht die Absicht, Lösungsansätze der Zivilgesellschaft zu blockieren. [4]

Angeblich hatten zwei Oberste der honduranischen Armee den Kongreßmitgliedern Aufnahmen von der Festnahme Zelayas gezeigt, aus denen hervorgeht, daß er angemessen behandelt worden ist. Zugleich hätten sie ihrer Besorgnis über eine mögliche Verschärfung der Krise Ausdruck verliehen. Ob diese Initiative repräsentativ für die Stimmung in den Streitkräften ist, bleibt vorerst ungewiß, wobei man nicht ausschließen kann, daß mit der Armee eine einflußreiche Fraktion demonstrieren will, daß es sich um keinen Militärputsch, sondern ein politisches Manöver des Kongresses und des Obersten Gerichtshofs handelt, das man nicht um jeden Preis mitzutragen bereit ist.

Über die Situation in Honduras hat eine internationale Menschenrechtsdelegation berichtet, die das Land bereisen und mit hochrangigen Repräsentanten sprechen konnte. Ihrem Abschlußbericht zufolge ist es seit dem Putsch zu gravierenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen gekommen. Offenbar wurden mindestens fünf Menschen getötet und mehr als 1.275 verhaftet. Die Übergriffe richteten sich vor allem gegen Gewerkschafter, oppositionelle Politiker und Journalisten, wobei ungewöhnlich viele Ausländer drangsaliert wurden. Die Pressefreiheit kritischer Medien wird massiv eingeschränkt, wobei die Repressalien teils offen ausgeübt, teils in Gestalt anonymer Morddrohungen die nicht regimekonforme Berichterstattung mundtot zu machen versuchen. Dennoch ist es den Machthabern nicht gelungen, die Mobilisierung durch Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen zu verhindern, die gegen den Staatsstreich und für die Rückkehr Präsident Zelayas zu Felde ziehen. [5]

Anmerkungen:

[1] USA fordern alle Parteien in Honduras zur Zurückhaltung auf (28.07.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5iFkGAa3vAn979QFulecX9IDVG1wg

[2] Spanien unterstützt Rückkehr Zelayas. Außenminister Moratinos in Venezuela - USA rufen beide Seiten zur Mäßigung auf (28.07.09)
http://derstandard.at/fs/1246543134818/Honduras-Spanien-unterstuetzt-Rueckkehr-Zelayas

[3] OAS-Chef: Friedliche Lösung der Honduras-Krise (28.07.09)
http://www.focus.de/politik/schlagzeilen?day=20090728&did=1105781

[4] Military in Honduras Backs Plan on Zelaya (26.07.09)
New York Times

[5] "Betroffene haben berichtet, daß sie mißhandelt wurden" (25.07.2009)
junge Welt

28. Juli 2009