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LATEINAMERIKA/2252: Heftige Kontroverse um geplante US-Stützpunkte in Kolumbien (SB)


Regierungen Südamerikas verstehen die Kriegssignale zu deuten


Wie der Generalstabschef der kolumbianischen Militärs, Freddy Padilla, bei einem Treffen der Streitkräfte von zehn amerikanischen Staaten in der kolumbianischen Stadt Cartagena bekanntgegeben hat, stellt sein Land den Vereinigten Staaten sieben Stützpunkte zur Verfügung. Zu drei vorgesehenen Basen der Luftwaffe sollen zwei für das Heer und zwei für die Marine hinzukommen. Präsident Alvaro Uribe werde das Abkommen voraussichtlich noch in diesem Monat auf den Weg bringen, welches vorsieht, daß bis zu 800 US-Soldaten für die Dauer von zehn Jahren im Land operieren dürfen. Diese sollen offiziellen Angaben zufolge gegen den Drogenhandel und die Guerilla vorgehen, doch zweifeln viele Regierungen der Region daran, daß dies der einzige und eigentliche Zweck dieser Truppenpräsenz ist.

US-Sicherheitsberater James Jones, der in der brasilianischen Hauptstadt die Wogen des Unmuts zu glätten bemüht war, tischte seinen Gastgebern die dreiste Behauptung auf, die Stützpunkte in Kolumbien würden nicht nur für den Kampf gegen die Drogenkriminalität, sondern auch für humanitäre Einsätze genutzt. Die Brasilianer ließen sich jedoch nicht für dumm verkaufen, und so erklärte der Berater Präsident Luiz Inácio Lula da Silvas, Marco Aurélio Garcia, nach einem Treffen mit Jones: "In unserer Wahrnehmung erscheinen fremde Militärbasen in der Region wie Requisiten aus dem Kalten Krieg. Der Kalte Krieg ist aber vorbei, und diese Region ist in einem sehr starken demokratischen und friedlichen Entwicklungsprozeß." [1]

Auch Präsident Da Silva äußerte sich besorgt über die Gespräche zwischen Kolumbien und den USA über die Aufstockung der US-Truppen. Schon vor einigen Tagen hatte er die Verbindung zur Entsendung der reaktivierten 4. US-Flotte gezogen, die sein Land als Bedrohung der gewaltigen Ölreserven vor der Atlantikküste auffaßt. Auch sieht die brasilianische Regierung ihre strategischen Optionen im Amazonasgebiet beeinträchtigt, dessen reichhaltige Sourcen sie für sich beansprucht.

Es bedarf keines besonders ausgeprägten strategischen Blicks, um zu erkennen, daß die geplanten US-Stützpunkte nicht nur dem kolumbianischen Bürgerkrieg, sondern insbesondere der Kontrolle von Nachbarländern wie Venezuela, Ecuador und Bolivien, wie auch darüber hinaus der Karibik und ganz Südamerikas geschuldet sind. Der entscheidende Unterschied in der Einschätzung dieses Umstands besteht darin, ob man ihn als Bedrohungsszenario ablehnt oder in Anlehnung an die Hegemonialmacht gutheißt. Viele Regierungen sind der Auffassung, daß die verstärkte Präsenz der US-Militärs im Herzen Lateinamerikas eine Bedrohung für die Souveränität der Länder darstellt.

In der erwartet scharfen Form kritisierte Venezuelas Staatschef Hugo Chávez das Vorhaben, indem er die vorgetragenen Begründungen als fadenscheinige Vorwände zurückwies und den USA vorwarf, sie bauten Kolumbien zu ihrer Plattform für Angriffe auf andere Länder in der Region aus: "Diese Stützpunkte könnten der Beginn eines Krieges in Südamerika sein", warnte Chávez in Caracas. "Wir sprechen hier über die Yankees, die aggressivste Nation in der Geschichte der Menschheit, die in der Lage war, Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen." Uribe handle verantwortungslos, rügte er seinen kolumbianischen Amtskollegen.

Die Beziehungen zwischen Venezuela und Kolumbien sind derzeit auf einen neuen Tiefpunkt gesunken, nachdem Uribe offensichtlich im Kontext der Kontroverse um die neuen US-Stützpunkte eine Bezichtigungskampagne gegen Chávez losgetreten hat, die diesem eine enge Zusammenarbeit mit der FARC-Guerilla unterstellt. Der venezolanische Staatschef hat daraufhin die Kontakte zu Bogotá abgebrochen und seinen Botschafter aus Kolumbien zurückgerufen. Zudem will er die Einfuhr von 10.000 in Kolumbien hergestellten Autos stoppen. Diese Maßnahme wäre die erste konkrete Auswirkung des Handelsboykotts, den Chávez neben der Suspendierung der diplomatischen Beziehungen angekündigt hatte.

Boliviens Präsident Evo Morales schloß sich der Kritik mit den Worten an, die FARC-Rebellen seien für die USA das "beste Werkzeug", um ihre militärischen Operationen in der Region zu rechtfertigen: "Wir können all diese Flugzeuge und die militärische Ausrüstung in Kolumbien nicht gebrauchen. Dies richtet sich gegen die FARC. Dies richtet sich nicht gegen den Drogenverkehr. Das ist gegen die Region. Es ist unsere Pflicht, dies abzulehnen." Wie aus argentinischen Regierungskreisen verlautete, habe auch Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die Pläne gegenüber Uribe als besorgniserregend bezeichnet. [2]

In einem Zeitungsbeitrag warf der frühere kubanische Präsident Fidel Castro die Frage auf, welchen Sinn die Militär- und Marinestützpunkte haben, die von den Vereinigten Staaten rund um Venezuela und im Herzen Südamerikas aufgebaut werden. Die Verhandlungen zwischen Washington und Bogotá über Basen in Kolumbien zwängen Venezuela dazu, militärisch aufzurüsten, da dies angesichts einer verstärkten US-amerikanischen Militärpräsenz im Nachbarland unumgänglich sei. Venezuela rüste jedoch nicht "gegen das Brudervolk Kolumbien, sondern gegen das Imperium auf", das in der Vergangenheit bereits versucht habe, "die Revolution zu zerstören". Würde Kolumbien Stützpunkte zur Verfügung stellen, dann sei das eine Bedrohung "aller Staaten im Süden des Kontinents". [3]

Alvaro Uribe versucht unterdessen, Stimmung für seine Pläne zu machen, und bereist diese Woche sieben Länder des Subkontinents, wobei Venezuela und Ecuador natürlich nicht auf seinem Reiseplan stehen. Er macht Station in Peru, Chile, Bolivien, Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, wobei ihm zum Auftakt der peruanische Präsident Alan García seine Unterstützung zugesichert hat. Da dieser ebenso große Sympathien für die Kollaboration mit Washington hegt wie Uribe, rannte Uribe in Lima offene Türen mit seiner Kampagne ein, auf der er für Verständnis werben und die Sorgen zerstreuen will.

Zurückhaltend äußerte sich die Regierung Chiles, das in der jüngeren Vergangenheit durch Waffenkäufe in den USA kräftig aufgerüstet hat: "Jedes Land trifft souveräne Entscheidungen, die respektiert werden müssen", erklärte Außenminister Mariano Fernandez. Allerdings hatte Präsidentin Michelle Bachelet die kolumbianischen Pläne zuvor als besorgniserregend bezeichnet und mit ihrem brasilianischen Amtskollegen übereingestimmt, die Angelegenheit im Südamerikanischen Verteidigungsrat zu erörtern.

Paraguays Präsident Fernando Lugo wurde mit den nahezu identischen Worten zitiert, jedes Land könne souverän entscheiden, ob es fremde Militärs bei sich zulassen wolle. Daß sein Land einen der größten US-Stützpunkte beherbergt, der zudem südlicher als jeder andere positioniert ist, dürfte maßgeblich zu dieser verhaltenen Aussage beigetragen haben. Ob man tatsächlich von der souveränen Entscheidung einer Regierung sprechen kann, die wie im Fall Kolumbiens einer potentiellen Interventionsstreitmacht, die sich offenkundig auch gegen andere Länder richtet, Tür und Tor öffnet, darf bezweifelt werden.

US-Militärs operieren schon jetzt von neun kolumbianischen Militärstützpunkten aus, wobei die Höchstzahl der stationierten Soldaten zwar auf rund 300 begrenzt ist, die tatsächliche Größenordnung jedoch durch private Sicherheitsdienstleister verschleiert wird. Unter dem Kolumbienplan, der im letzten Jahr der Clinton-Administration auf den Weg gebracht wurde und seither etwa 5 Milliarden US-Dollar Militärhilfe nach Bogotá gepumpt hat, stieg das Land zu einem der größten Empfänger derartiger Gelder Washingtons auf. Zudem sieht die für 2010 nur geringfügig auf 518 Millionen Dollar reduzierte Tranche einen um 30 Prozent erhöhten Anteil für die kolumbianischen Streitkräfte vor, während die Zuwendungen für die Bekämpfung des Drogenhandels und die Polizei verringert werden.

Der wichtigste der neuen Stützpunkte, Palenquero nördlich der Hauptstadt Bogotá, ist für die Landung großer Transportmaschinen und damit auch Bomber geeignet. Diese Eigenschaft weist ihn als eine jener Basen aus, die das US-Südkommando in einem riesigen Ring für Einsätze schneller Eingreiftruppen im Konfliktfall angelegt hat. Die relativ geringe Standardbesatzung kann nicht darüber hinwegtäuschen, welches Potential militärischer Eskalation diese Interventionsplattformen bergen, zumal diese im Dauerbetrieb als weiträumig aktive Lauschposten und Geheimdienstzentren fungieren. Der Luftwaffenstützpunkt Malambo unweit der karibischen Küstenstadt Barranquilla liegt nahe der Grenze zu Venezuela, die Basis in der Stadt Florencia im Süden in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ecuador und die US-Marine soll Zugang zu Cartagena in der Karibik und Bahia Malaga am Pazifik erhalten. [4]

Die Schließung des US-Luftwaffenstützpunkts Manta an der Pazifikküste, dessen abgelaufenen Pachtvertrag Ecuadors Präsident Rafael Correa mit breiter Zustimmung des Parlaments nicht erneuert hat, wird durch die deutlich verstärkte Präsenz in Kolumbien mehr als kompensiert. Darüber hinaus wird die Vorwandslage, den Drogenschmuggel zu bekämpfen, unzweideutig durch militärische Optionen in einem weiträumigen Umfeld überformt. War es den US-Streitkräften in Manta zumindest offiziell untersagt, die kolumbianische Armee bei Operationen gegen die Guerilla zu unterstützen, so soll für die neuen Stützpunkte in Kolumbien keine derartige Einschränkung mehr gelten.

Hatte US-Präsident Barack Obama im Wahlkampf noch eine neue Politik der Demilitarisierung und Nichtintervention in den Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas in Aussicht gestellt und nach seinem Amtsantritt von einem partnerschaftlichen Verhältnis fabuliert, so steht das bei einem Treffen in Washington mit dem kolumbianischen Staatschef Alvaro Uribe geschmiedete Abkommen über die Militärstützpunkte in krassem Widerspruch zu diesen verbalen Signalen. Offensichtlich sieht die Militärdoktrin Washingtons Kriege um die Sourcen des Südens und gegen jegliche Kräfte des Widerstands vor, während Obama diese Stoßrichtung mit der ihm eigenen Gabe wohltönender Worte zur verschleiern trachtet.

Anmerkungen:

[1] Neue US-Stützpunkte in Kolumbien. In Venezuela protestieren die Menschen gegen die geplanten US-Basen in Kolumbien (06.08.09)
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4543875,00.html

[2] US-Militärpräsenz. Chavez und Morales kritisieren USA (06.08.09)
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/us-militaerpraesenz-chavez-und-morales- kritisieren-usa_aid_423821.html

[3] Militärbasen in Kolumbien. US-Wunsch spaltet Südamerika (06.08.09)
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1867556_Militaerbasen-in- Kolumbien-US-Wunsch-spaltet-Suedamerika.html

[4] US military base plan fuels Latin American tensions (05.08.09)
World Socialist Web Site

7. August 2009