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LATEINAMERIKA/2255: Südamerikagipfel stuft US-Militärpräsenz als Bedrohung ein (SB)


Geplante US-Stützpunkte in Kolumbien steigern die Kriegsgefahr


Vier Monate nach dem Amerikagipfel von Trinidad, auf dem US-Präsident Barack Obama alle verbalen Register gezogen hatte, um eine neue Herangehensweise in der Lateinamerikapolitik seines Landes anzupreisen, hat das geplante Abkommen über sieben Militärstützpunkte in Kolumbien unmißverständlich klargemacht, woher der Wind weht. Die Vereinigten Staaten verzichten keineswegs auf ihre imperialistischen Ansprüche und treiben die strategischen Optionen ungezügelt voran. Der Südamerikagipfel in Quito hat der Bedrohung Rechnung getragen und die militärische Allianz Kolumbiens mit den USA verurteilt. Da Präsident Alvaro Uribe dem Treffen der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) ferngeblieben war, trug an seiner Stelle der kolumbianische Außenminister die hanebüchene Rechtfertigung vor, die Stützpunkte blieben unter Souveränität seines Landes, da den USA lediglich ein beschränktes Nutzungsrecht eingeräumt werde.

Da Venezuela, Bolivien und Ecuador mit ihrer kompromißlosen Ablehnung der Ausweitung US-amerikanischer Militärpräsenz in der Minderheit waren, blieb das konfliktträchtige Thema in der Abschlußerklärung des Gipfels ausgespart. Die zwölf Staatschefs einigten sich jedoch darauf, in Kürze einen klärenden Sondergipfel in Buenos Aires einzuberufen, zu dem Uribe ausdrücklich geladen wurde. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der im Vorfeld von "Erinnerungen an den Kalten Krieg" gesprochen hatte, erklärte gemeinsam mit seiner argentinischen Amtskollegin Cristina Fernández de Kirchner, es sei an der Zeit, mit Washington eine ernste Unterhaltung über die Lateinamerikapolitik zu führen, was am Rande der UN-Generalversammlung im September geschehen könnte. [1]

Deutlicher wurde der venezolanische Staatschef Hugo Chávez, der zum Abschluß des Treffens vor einem heraufziehenden Krieg warnte. In einem Interview mit der kolumbianischen Zeitschrift "Cambio" warf er Uribe vor, ein "Handlanger des Imperiums" zu sein. Washington habe den Putsch in Honduras geplant und nehme nun Venezuela ins Visier. Sein Land bereite sich auf einen kolumbianischen Angriff vor. Wenngleich die bürgerlichen Regierungen der Region eine Konfrontation mit den absehbaren Interessen der USA vermeiden, stellen sich doch Ernüchterung und Besorgnis auch in jenen Ländern ein, die Barack Obamas "neue Ära der regionalen Beziehungen" bislang für bare Münze genommen haben.

Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe hatte vergangene Woche sieben südamerikanische Hauptstädte bereist, um für seine Politik zu werben und Schadensbegrenzung zu betreiben. Zuspruch für die Stärkung der US-Militärpräsenz in seinem Land erhielt er dabei nicht, doch zeichnete sich schon vor dem Treffen in Quito ab, daß die Regierungen mehrheitlich die Auffassung vertreten, es handle sich um eine innere Angelegenheit Kolumbiens, solange Bogotá nur dafür sorgt, daß es auch dabei bleibt. [2] Im Zuge der Emanzipation vom hegemonialen Einfluß Washingtons ist eine Politik der Nichteinmischung prinzipiell zu begrüßen und nur zu verständlich, doch droht sie ihr eigenes Fundament zu untergraben, wenn sie vor der ungebrochenen Aggressivität US-amerikanischen Dominanzstrebens die Augen verschließt.

Die kolumbianische Führung ist in den letzten zehn Jahren mit mehr als sechs Milliarden Dollar Militärhilfe subventioniert worden, was sie mehr denn je zu einem willigen Vasallen der USA macht. Präsident Uribe hat sich als eiserner Bündnispartner Washingtons erwiesen und nie einen Zweifel an seiner Entschlossenheit gelassen, die Guerilla in seinem Land zu vernichten wie auch die Regierungen Venezuelas und Ecuadors zu diskreditieren. Zudem hat Kolumbien mindestens zweimal Militäroperationen in den beiden Nachbarländern durchgeführt. So gelang es kolumbianischen Sicherheitskräften gemeinsam mit gekauften venezolanischen Beamten, den Guerillero Rodrigo Granda an die kolumbianische Grenze zu verschleppen, wo man ihn festnahm und ins Gefängnis warf. Er wurde einige Jahre später auf Bitten des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy aus der Haft entlassen, der sich davon den Austausch Ingrid Betancourts erhoffte, die letztlich auf anderem Weg, nämlich durch die zwielichtige "Operación Jaque", freikam. [3]

In Ecuador bombardierten die kolumbianischen Streitkräfte in enger Zusammenarbeit mit US-Militärs das Lager von Raúl Reyes, worauf ein Spezialkommando die Überlebenden liquidierte. Dabei wurden 23 Menschen getötet, darunter auch Gäste aus Mexiko und Ecuador. Die kolumbianischen Bodentruppen beseitigten alle Zeugen, nahmen mehrere Leichen mit, um sie in Bogotá als Trophäen zur Schau zu stellen, und bauten auf dem angeblich im Lager beschlagnahmten Material eine Bezichtigungskampagne gegen die FARC, Präsident Chávez und seinen ecuadorianischen Amtskollegen Rafael Correa auf.

Nach dem Angriff auf dem Territorium Ecuadors brach Correa die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ab, die seither nicht wiederhergestellt wurden. Ein drohender Grenzkrieg konnte damals unter Vermittlung lateinamerikanischer Staatschefs binnen weniger Tage abgewendet werden. Venezuela und Kolumbien, die eine mehr als 2.000 Kilometer lange gemeinsame Grenze teilen und ein jährliches Handelsvolumen von nahezu acht Milliarden Dollar aufweisen, haben auf Grund dieser engen Verflechtungen und der unabsehbaren Risiken einer militärischen Auseinandersetzung grundsätzlich keinerlei Interesse an einem Krieg. Daraus abzuleiten, es handle sich um Hirngespinste oder provokative Machtgelüste, wenn Chávez eindringlich vor Aggressionen des Nachbarlands warnt, wäre jedoch Wasser auf die Mühlen US-amerikanischer Zugriffsstrategien, der sich auch Alvaro Uribe meisterhaft bedient.

Während der kolumbianische Staatschef dafür sorgte, daß die Guerilla als eine angeblich international operierende "Terrororganisation" eingestuft wurde, mit der es keine Verhandlungen geben könne, hebelte er die Vermittlung der venezolanischen Regierung aus und bezichtigte diese der Zusammenarbeit mit der FARC, wofür er immer wieder angebliche Beweise vorlegte, die sich bei näherer Prüfung als haltlose Behauptungen oder offensichtlich fabriziertes Material erwiesen. Fanden die erhobenen Vorwürfe keinen Widerhall, ließ er sie kurzerhand fallen und zauberte dafür neue aus dem Hut.

Steter Tropfen höhlt den Stein, lautet das Motto im sogenannten "Antiterrorkrieg", der im Falle Venezuelas darauf hinausläuft, das Land zu einem Helfer "terroristischer" Kräfte zu erklären und mit Sanktionen zu belegen, wenn nicht gar Krieg zu überziehen. Dazu bedarf es einer langen Vorbereitung, da die Anwendung des Terrorbegriffs, der ja nie etwas anderes als die gezielte Entmenschlichung eines Feindes oder die Konstruktion angeblicher Bedrohungsszenarien als Vorwand eigener Angriffskriege sein kann, leicht nach hinten losgeht. Lateinamerika ist auf Grund seiner leidvollen Erfahrungen mit den Kolonialmächten und dem Imperialismus der USA heute eine Weltregion, in der die Lügen Washingtons nicht mehr zwangsläufig auf fruchtbaren Boden fallen.

Anmerkungen:

[1] Chávez warnt vor Krieg mit Kolumbien. Südamerika-Gipfel verurteilt Bogotás militärische Allianz mit den USA (12.08.09)
http://www.welt.de/die-welt/politik/article4304067/Chavez-warnt-vor-Krieg-mit- Kolumbien.html

[2] Streit über US-Militär vertagt (12.08.09)
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1874892_Lateinamerika-Streit- ueber-US-Militaer-vertagt.html

[3] Der Jesuit und der Prediger. Zwischen Kolumbien und Venezuela droht ein Krieg - ausgerechnet zum 200. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit von Spanien (12.08.09)
http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/der_jesuit_und_der_prediger_1.3322332.html

12. August 2009