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LATEINAMERIKA/2260: Putschist Micheletti vertraut auf die USA (SB)


Regime in Tegucigalpa glaubt offenbar fest im Sattel zu sitzen


Die Putschisten in Honduras sind sich ihrer Sache sicher, unter der schützenden Hand der USA die Rückkehr Präsident Zelayas verhindern und die Widerstandsbewegung niederschlagen zu können. Die Repression gegen Anhänger des gestürzten Staatschefs dokumentiert ein heute veröffentlichter Bericht von Amnesty International, der den honduranischen Militärs und Polizisten zur Last legt, mit Mißhandlungen und Massenverhaftungen gegen die Demonstranten vorzugehen. Willkürliche Festnahmen und Brutalität im Umgang mit protestierenden Bürgern gäben Anlaß zu ernster und zunehmender Besorgnis, erklärte Esther Major, die Beauftragte für Untersuchungen in Mittelamerika, vorab. [1]

Unterdessen torpediert das Regime weiterhin alle Vermittlungsversuche und stößt derzeit Argentinien vor den Kopf, dessen Außenminister der Delegation angehören soll, die im Namen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu Gesprächen nach Honduras reisen will. Die sogenannte Interimsregierung in Tegucigalpa hat alle argentinischen Diplomaten aufgefordert, das Land binnen drei Tagen zu verlassen. Das illegitime Außenministerium bezeichnete diese Maßnahme als Reaktion auf die Ausweisung des honduranischen Botschafters in Buenos Aires, der sich zur Putschregierung Roberto Michelettis bekannt hatte. Kurz nach dem Staatsstreich vom 28. Juni war bereits die venezolanische Gesandtschaft aufgefordert worden, Honduras zu verlassen, was diese jedoch mit der Begründung verweigert hatte, sie folge keinen Anweisungen einer unrechtmäßigen Regierung. [2]

Da den Putschisten daran gelegen ist, durch eine Verzögerungstaktik die Rückkehr Zelayas zu verhindern und den Widerstand solange in Schach zu halten, bis ihm die Luft ausgeht, verschleppen oder sabotieren sie alle Ansätze, die zu einem Kompromiß auf dem Verhandlungsweg führen könnten. Das galt bereits für den Vermittlungsvorschlag des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias, der Manuel Zelaya massiv benachteiligte, aber dennoch in Tegucigalpa abgelehnt wurde. Statt dessen verlangte die Interimsclique Gespräche mit weiteren Vermittlern, doch als die OAS eine Delegation schicken wollte, stieß man sich plötzlich an der Teilnahme des OAS-Präsidenten José Miguel Insulza, den man zunächst keinesfalls einreisen lassen wollte. Dann hieß es auf einmal, Insulza dürfe nur als Beobachter mitkommen, worauf die Delegation ihre Reise verschob. Nun folgt als nächster Schritt dieser Farce die Eskalation des Streits mit der argentinischen Regierung in der Erwartung, daß Zelaya diesen Wettlauf mit der Zeit verlieren wird.

In einem vierzigminütigen Exklusivinterview mit der Zeitung McClatchy, das der 66jährige Roberto Micheletti in seinem Haus in einem Vorort der Hauptstadt Tegucigalpa gab, zeigte er sich entspannt und zuversichtlich, sein Vorhaben unangefochten durchtragen zu können. Er werde unter keinen Umständen einen Vorschlag zur Lösung der politischen Krise seines Landes akzeptieren, die eine Rückkehr Zelayas ins Präsidentenamt vorsehe. Sollte dieser nach Honduras zurückkehren, erwarte ihn die Festnahme und eine Anklage wegen Verfassungsbruchs in 18 Punkten. [3]

Die Putschisten beharren also auf ihrer Maximalforderung und erteilen damit allen Vermittlungsversuchen eine Absage, obwohl der Umsturz in Honduras international einhellig verurteilt wurde. Allerdings gibt es Kräfte wie in Deutschland die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, die sich auf die Seite des Regimes schlagen. Entscheidend bleibt jedoch die Haltung der US-Regierung, die zwar Zelaya als rechtmäßigen Präsidenten bezeichnet, aber keinen ernsthaften Druck ausübt, um dieser Auffassung zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Vereinigten Staaten seien ein langjähriger Verbündeter seinens Landes, hob Micheletti in dem Interview hervor. Daher gehe er davon aus, daß es die Obama-Administration bei den bereits verfügten milden Restriktionen belassen werde, zumal schärfere Sanktionen vor allem die Sozialprogramme zugunsten der Armen beeinträchtigen würden. Damit nicht genug, verlieh er sogar seiner Hoffnung Ausdruck, daß US-Botschafter Hugo Llorens, der zum Urlaub nach Hause geflogen ist, nicht mehr nach Tegucigalpa zurückkehren werde, da er sich in der Krise unfair verhalten habe.

Die Dreistigkeit Michelettis wirft in der Tat die Frage auf, woher er diese Sicherheit nimmt. Zwar deutet er die Signale aus Washington sicher richtig, doch könnte durchaus ein Wissen über Zusammenhänge hinzukommen, mit denen er wohlweislich hinter dem Berg hält. Gerade erst haben mehrere lateinamerikanische Staatschefs und hochrangige Vertreter der verfassungsmäßigen Regierung von Honduras darauf hingewiesen, daß die Maschine, mit der Präsident Zelaya nach der Entführung gegen seinen Willen nach Costa Rica geflogen wurde, zum Auftanken auf der US-Luftwaffenbasis in Palmerola zwischengelandet war. Mußte man ohnehin davon ausgehen, daß der Putsch nicht ohne das Wissen oder gegen den Willen der US-amerikanischen Militärs und Geheimdienste über die Bühne gegangen sein konnte, so verdichten sich damit die Hinweise auf eine unmittelbare Beteiligung an dem Umsturz. [4]

Micheletti wiederholte die absurde Behauptung, man habe Zelaya daran gehindert, unter Bruch der Verfassung eine zweite Amtszeit anzustreben. Dabei wollte der Präsident vor seinem Sturz lediglich ein Referendum durchführen, in dem die Wähler gefragt wurden, ob sie parallel zur Präsidentschaftswahl am 29. November eine Abstimmung über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung befürworteten. Zelaya, der wiederholt in aller Deutlichkeit erklärt hat, daß er keineswegs eine weitere Amtszeit anstrebt, hätte überhaupt keine Möglichkeit gehabt, dies vor der Wahl dennoch durchzusetzen, zu der er verfassungsgemäß nicht mehr antreten darf. Roberto Micheletti überspielte die offensichtliche Lüge, mit der die offizielle Rechtfertigung des Putsches steht und fällt, indem er Zelaya jede Vertrauenswürdigkeit absprach. Schließlich habe er ihm seinerzeit selbst dabei geholfen, Präsident zu werden, worauf sich Zelaya jedoch von einem Demokraten in einen Linken verwandelt habe, der ein Diktator wie Hugo Chávez werden wolle. Er glaube diesem Menschen kein Wort mehr, ereiferte sich Micheletti, als erkläre diese Bezichtigung, wie Zelaya die von zahlreichen Medien wiedergekäute zweite Amtszeit aus dem Hut zaubern könnte.

Auf die direkte Frage, ob es nicht ungesetzlich gewesen sei, Zelaya außer Landes zu schaffen, antwortete Micheletti ausweichend mit der konsensheischenden Ausrede, dieser Fehler hätte ihm auch unterlaufen können, da es galt, eine gewaltsame Auseinandersetzung und ein mögliches Blutvergießen zu verhindern. Als Putschist, der Kreide gefressen hat, verteidigte er das Vorgehen der Soldaten und Polizisten in den zurückliegenden Tagen und Wochen mit den Worten, sie versuchten doch nur, sich zu verteidigen, wenn sie von den Demonstranten angegriffen würden. Was ihn selbst und seine politischen Ambitionen betreffe, werde er sich glücklich schätzen, am 27. Januar seinem gewählten Nachfolger die Amtsführung zu übergeben und sich ins Privatleben zurückzuziehen. In seiner Heimatstadt El Progreso warte eine ansehnliche Rinderfarm und eine Beteiligung an einem Busunternehmen auf ihn.

Daß er Zelaya, der sich über seine eigenen Pläne nach dem 27. Januar genauso geäußert hatte, dafür einen Lügner nennt, fiel Micheletti offenbar nicht auf. Selbstzufrieden scheint er die Rolle mehr und mehr zu genießen, die ihm der Umsturz zum krönenden Abschluß seiner politischen Karriere beschert hat. Am Hungertuch wird er auch im Alter gewiß nicht nagen, und die besitzende Klasse seines Landes dürfte es ihm ewig danken, daß er den Erhalt ihrer Privilegien in vorderster Front verteidigt hat - sofern ihm nicht doch jemand einen Strich durch die Rechnung macht, was inzwischen selbst in Honduras nicht mehr ausgeschlossen ist.

Anmerkungen:

[1] Honduras: Military Accused of Abuses (18.08.09)

New York Times

[2] Honduras: Argentine Envoys Expelled (18.08.09)

New York Times

[3] Interim Honduras leader rejects return of Zelaya (18.08.09)
http://www.csmonitor.com/2009/0818/p90s01-woam.html

[4] Fragen nach Washingtons Rolle (18.08.09)

junge Welt

19. August 2009