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LATEINAMERIKA/2267: Streit um US-Militärpräsenz auf UNASUR-Gipfel (SB)


Mehrheit der Mitglieder lehnt US-Stützpunkte in Kolumbien ab


Auf einem Krisengipfel im südwestargentinischen Wintersportort Bariloche haben die Präsidenten der südamerikanischen UNASUR-Staaten ihren Widerstand gegen die Stationierung weiterer US-amerikanischer Soldaten in Kolumbien zum Ausdruck gebracht. Die linksgerichteten Präsidenten Venezuelas, Ecuadors und Boliviens, Hugo Chávez, Rafael Correa und Evo Morales, verurteilten das Vorhaben als Ausdruck des US-Imperialismus und dessen globaler Strategie der Dominanz, die in Lateinamerika nicht länger hingenommen werde.

Angemahnt wurde ein baldiges Treffen mit Barack Obama, bei dem die geplante Präsenz von US-Truppen auf sieben bereits bestehenden kolumbianischen Stützpunkten zur Sprache kommen soll. Obwohl keine förmliche Einigung auf diese Zusammenkunft erzielt wurde, die daher auch nicht in der Abschlußerklärung Erwähnung fand, könnte es dazu am Rande einer UNO-Sitzung in New York oder im Rahmen der G-20 kommen.

Kolumbiens konservativer Staatschef Alvaro Uribe verteidigte das Truppenabkommen mit der Begründung, die Souveränität seines Landes werde dadurch nicht gefährdet. Es handle sich um eine unverzichtbare Hilfe im Kampf gegen Drogenkriminalität und Rebellen, die sich zum Teil aus dem Drogenschmuggel finanzierten. [1]

Eher auf Ausgleich bedachte Präsidenten wie Brasiliens Luiz Inácio Lula da Silva oder Argentiniens Cristina Fernández de Kirchner machten keinen Hehl aus ihren Bedenken hinsichtlich der Stationierungspläne. Allerdings forderten sie die kolumbianische Regierung nicht auf, ihre Entscheidung rückgängig zu machen, und hielten sich mit Kritik an der Führung in Washington zurück.

Da die maßgeblichen Akteure auf ihren Positionen beharrten, konnte erst nach mehr als siebenstündigen Beratungen eine recht allgemein gehaltene Abschlußerklärung der zwölf Mitgliedsstaaten der Union Südamerikanischer Nationen ausgehandelt werden. Wie es darin hieß, dürfe die Souveränität und Integrität eines südamerikanischen Landes und damit Frieden und Sicherheit in der Region nicht gefährdet werden. Vereinbart wurde zudem, daß der Verteidigungsrat der Staatenunion die Militärstrategie der USA in Südamerika analysieren soll. [2]

Hugo Chávez, der seine Kritik auf dem Gipfel in gemäßigterem Ton als an den Vortagen formulierte, hatte im Vorfeld eindringlich gewarnt, daß das Militärabkommen zwischen Washington und Bogotá Südamerika an den Rand eines Krieges führen werde. Um seinen Einwänden Nachdruck zu verleihen, hatte er damit gedroht, die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abzubrechen. [3] Uribes Argument, man rede nicht über ein politisches Spiel, sondern über eine konkrete Bedrohung, die zu einem Blutvergießen in der kolumbianischen Bevölkerung geführt hat, blendete die durch die geplanten US-Stützpunkte entstehende Gefahrenlage für die Nachbarländer gezielt aus.

Auch die Behauptung der US-Regierung, die Zahl des Militärpersonals solle die bereits bestehende Grenze von 800 Soldaten und 600 zivilen Servicekräften in Kolumbien nicht überschreiten, ist nicht glaubwürdig. Schon die Auswahl von Stützpunkten der Marine, der Luftwaffe und des Heeres zeigt, daß man die gesamte Region unter Einsatz aller Waffengattungen überwachen und kontrollieren möchte. Zudem ist die einbezogene Militärbasis nördlich der Hauptstadt für die Landung der größten Bomber und Truppentransporter geeignet, so daß über sie im Krisenfall eine massive Aufstockung des Kontingents vorgenommen werden kann. Auch liegt ein Stützpunkt unweit der Grenze zu Venezuela, ein anderer wenige Kilometer vom Territorium Ecuadors entfernt. Grundsätzlich gilt, daß diese Stützpunkte auch mit vergleichsweise kleiner personeller Ausstattung dank ihres elektronischen Arsenals und der luftgestützten Überwachung Spionageeinrichtungen erster Güte sind.

Im Vorfeld des Sondergipfels hatten in Bariloche Hunderte Menschen gegen das Militärabkommen zwischen den USA und Kolumbien demonstriert. Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen und Vertreter der Mapuche-Indianer sprachen von einer Kundgebung für den Frieden und die Einheit Lateinamerikas, wofür der Rückzug der US-Truppen unverzichtbar sei. [4]

Perus Präsident Alan García, der neben dem Kolumbianer Alvaro Uribe zu den wenigen Verbündeten Washingtons in Südamerika zählt, ist mit dem Versuch gescheitert, die Kontroverse um die geplanten US-Stützpunkte in Kolumbien aus dem Mittelpunkt des Sondergipfels zu verdrängen. García, der sich angesichts der Folgekonsequenzen seines neoliberalen Kurses heftiger Kritik im eigenen Land ausgesetzt sieht, geht zunehmend dazu über, Nachbarländer finsterer Absichten zu bezichtigen. So wollte er ein angebliches Geheimabkommen zwischen Chile und Bolivien auf die Tagesordnung des Gipfels setzen. Während die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet und ihr bolivianischer Amtskollege Evo Morales über einen neuen Grenzverlauf verhandeln, der Bolivien den Zugang zum Pazifik wiedergeben soll, hat Peru die Chilenen vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag auf die Rückgabe von Gebieten verklagt, die ebenfalls im sogenannten Pazifikkrieg verlorengingen. [5]

Wie die unterschiedlichen Herangehensweisen zeigen, versuchen die Regierungen Chiles und Boliviens, eine einvernehmliche politische Lösung für einen alten Konflikt zu finden, der beträchtliche Ressentiments gegen die Bevölkerung des jeweils anderen Landes wachgehalten hat. Sollte es zu einer Einigung kommen, wären künftige Generationen endlich von der Erblast eines weit zurückliegenden Krieges befreit. Hingegen schürt der peruanische Staatschef geradezu die historische Kontroverse in der Absicht, sich in nationalistischem Gestus in die Brust zu werfen und die Bevölkerung mit Hilfe der Konstruktion eines äußeren Feindes wieder hinter sich zu bringen. Es ist natürlich kein Zufall, daß sich die Präsidenten Kolumbiens und Perus als Sachwalter US-amerikanischer Interessen in dieser Weltregion derzeit als die größten Hindernisse beim Abbau von Konflikten erweisen.

Anmerkungen:

[1] Südamerikanische Staaten wollen Obama treffen. Stationierung von US-Truppen in Kolumbien bleibt Streitpunkt (29.08.09)
NZZ Online

[2] Konfliktstoff auf dem UNASUR-Gipfel (29.08.09)

http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4609029,00.html

[3] Verstärkte US-Militärpräsenz stößt bei Nachbarn auf Ablehnung (29.08.09)
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/kolumbien-verstaerkte-us- militaerpraesenz-stoesst-bei-nachbarn-auf-ablehnung_aid_430644.html

[4] Demonstration gegen Militärpakt vor UNASUR-Gipfel (29.08.09)
http://derstandard.at/fs/1250691496402/Demonstration-gegen- Militaerpakt-vor-UNASUR-Gipfel

[5] Gipfel mit Streitagenda (29.08.09)

junge Welt

29. August 2009