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LATEINAMERIKA/2273: Zuckerbrot Washingtons soll die Kubaner leimen (SB)


Gelockerte Sanktionen ändern nichts am fundamentalen Zwangsverhältnis


In einer historisch zu nennenden Übereinkunft fordern die Regierungen Lateinamerikas Washington seit Amtsantritt Barack Obamas auf, den Worten des Präsidenten handfeste Taten folgen zu lassen und die Blockade Kubas sofort und vollständig aufzuheben. Auf diese Weise könne er seine Ankündigung, er werde eine neue Herangehensweise im Umgang mit den Ländern im südlichen Teil der Hemisphäre praktizieren und insbesondere die seit Jahrzehnten schwer belasteten Beziehungen zu Havanna verbessern, glaubhaft wahrmachen. Daß die US-Regierung dieser eindeutigen Forderung keineswegs nachgekommen ist, sondern allenfalls kleine Erleichterungen gewährt, läßt darauf schließen, daß der von George W. Bush in dieser Weltregion hinterlassene Scherbenhaufen in erster Linie schöngeredet, doch keineswegs zugunsten einer Annäherung an Beziehungen auf gleicher Augenhöhe aus dem Weg geschafft werden soll.

Eine jahrzehntelang aufrechterhaltene Sanktion wie das Embargo gegen Kuba ist eine permanente Aggression der USA, die nicht als angeblich neutraler Status quo zum Ausgangspunkt beiderseitiger Kompromisse gemacht werden kann. Solange die grundsätzliche Forderung im Raum steht, die Kubaner müßten ihren Gesellschaftsentwurf preisgeben, bevor es zu einer vollständigen Normalisierung des Verhältnisses der Nachbarländer kommen könne, kann nur eines bedeuten: Die haushoch überlegene Macht setzt normale Beziehungen zu anderen Staaten mit ihrer uneingeschränkten Zugriffsgewalt gleich. Daß Havanna zu einer solchen Unterwerfung und Auslieferung nicht bereit ist, liegt auf der Hand. Von einer grundlegenden Entspannungspolitik gegenüber Kuba zu sprechen, wäre daher ungeachtet der aktuellen Lockerung einiger Sanktionen unangemessen.

Wie aus dem Finanzministerium in Washington verlautete, verfolge man mit den aktuellen Maßnahmen das Ziel, "für engere Kontakte zwischen den seit Jahren getrennten Familien zu sorgen sowie den Geld- und Informationsfluß zu den Menschen zu vergrößern". So sollen in den USA lebende Exilkubaner ihre Angehörigen auf der Karibikinsel künftig uneingeschränkt besuchen können. [1] Bislang war es diesem Personenkreis nur erlaubt, einmal pro Jahr nach Kuba zu reisen. Allerdings dürfen sie dort auch jetzt nicht mehr als 179 Dollar pro Tag ausgeben. Die Summe richtet sich nach den Spesensätzen des Außenministeriums und könnte sich ändern.

Zudem werden die Beschränkungen bei Geldtransfers und im Bereich der Telekommunikation mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Während für Gelder, die Exilkubaner aus den USA zur Unterstützung in ihre alte Heimat schicken, bislang eine Obergrenze von 1.200 Dollar galt, wurde diese nunmehr gestrichen. Auch können US-amerikanische Banken jetzt im Bereich Geldwechsel mit kubanischen Finanzinstitutionen zusammenarbeiten.

Des weiteren dürfen US-amerikanische Telekommunikationsfirmen Kuba unter anderem mit Glasfaserkabeln und Satellitentechnologie ausrüsten und in Zusammenarbeit mit kubanischen Firmen drahtlose Telefonverbindungen anbieten. Bürger der USA dürfen fortan auch für Telekomdienste in Kuba aufkommen.

Unter dem Radar der offiziellen Politik und der Schwelle allgemeiner Wahrnehmung existiert in einigen Bereichen, die beiderseitige praktische Interessen betreffen, seit Jahren eine vorsichtige, aber fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Experten beider Länder. Dies ist möglich, weil die amerikanische Seite mindestens ebenso sehr wie die kubanische davon profitiert und der betreffende Komplex als nicht politisch ausgewiesen werden kann. Wie an solchen Beispielen deutlich wird, wäre eine direkte Kooperation der Menschen beider Völker durchaus möglich, sobald man sich der Maßgabe entledigt hat, die kubanische Herangehensweise sei unterlegen und müsse unter Zwang geändert werden.

Auf dem Gebiet der Vorhersage und Beobachtung tropischer Wirbelstürme arbeiten kubanische und US-amerikanische Fachleute bereits seit den 1970er Jahren regelmäßig zusammen. Während die Kubaner ihre Informationen übermitteln und damit zur präziseren Frühwarnung an der Südküste der USA beitragen, profitieren sie ihrerseits von den Daten der US-Beobachtungsflugzeuge, die zu diesem Zweck ihren Luftraum passieren dürfen. [2]

Darüber hinaus besuchen Experten das jeweilige Nachbarland zu Fachtagungen und dem Erfahrungsaustausch vor Ort, wobei die Visafragen aufwendig, aber keineswegs unlösbar sind. Nach Ansicht führender US-amerikanischer Spezialisten sollte das Embargo nicht zuletzt dahingehend gelockert werden, einen Technologietransfer in den Bereichen Meteorologie und Ozeanographie zu gestatten. Verbesserte Beobachtungs- und Datenverarbeitungsmöglichkeitem der Kubaner kämen auf Grund der Zusammenarbeit gleichermaßen auch den entsprechenden Einrichtungen in den USA zugute. Umgekehrt sprach man den kubanischen Evakuierungsverfahren, der Betreuung nach Naturkatastrophen und der regelmäßigen Vorbereitung der Bevölkerung auf den möglichen Ernstfall hohes Lob aus und empfahl dringend, von diesem Vorbild zu lernen.

Selbst unter der Bush-Regierung, die das Handelsembargo weiter verschärfte, arbeiteten Experten beider Länder zusammen, sobald die alljährliche Sturmsaison begann. Das für das Embargo zuständige Handelsministerium in Washington verfuhr dabei nach der schizophren anmutenden Praxis, einerseits Strafen gegen illegale Besucher Kubas oder den Kauf verbotener kubanischer Erzeugnisse zu verhängen und andererseits Informationen über Stürme auszutauschen und Schulungen in beiden Ländern zu organisieren.

Dabei wurde die Hurrikanhilfe auf Regierungsebene in dieser Zeit offiziell eingestellt, da die Bush-Administration kubanische Hilfsangebote nach Katastrophen wie "Katrina" entschieden zurückwies und Hilfsgelder nach den verheerenden materiellen Sturmschäden in Kuba an Bedingungen knüpfen wollte. Auch wurde in Einzelfällen wie etwa einem kubanisch-amerikanischem Hurrikangipfel in Mexiko 2007 mindestens einem führenden US-Experten die Teilnahme seitens des Außenministeriums in Washington untersagt. Obgleich in praktischer Hinsicht wie so vieles andere absolut kontraproduktiv für die Menschen in beiden Ländern, brach sich an bedeutsamen Schnittstellen und Konfliktlinien stets die herrschende US-Doktrin Bahn, den kubanischen Gesellschaftsentwurf am Ende doch noch in die Knie zu zwingen.

Anmerkungen:

[1] USA lockern Sanktionen gegen Kuba (04.09.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5gqBIJQQfZy5ZVTe6k1b9dm04XlfA

[2] U.S. and Cuba Work Together on Storms (21.08.09)
New York Times

5. September 2009