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LATEINAMERIKA/2297: Delegation Zelayas läßt sich nicht länger hinhalten (SB)


Gespräche in Honduras an Blockadehaltung der Putschisten gescheitert


Die Verhandlungen zwischen den Putschisten um Roberto Micheletti und der Delegation Präsident Manuel Zelayas in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa sind an der Blockadehaltung des Regimes gescheitert. Nach sechzehn Tagen des Bemühens um den Dialog und ein von beiden Seiten akzeptiertes Abkommen haben die Vertreter des entmachteten Staatschefs die Gespräche mit der sogenannten Übergangsregierung für beendet erklärt. Weitere Fristen könne man nicht setzen, erklärte das Delegationsmitglied Mayra Mejia. Angesichts der fortgesetzten Verzögerungstaktik der Putschregierung hatte Zelayas Verhandlungsführer Víctor Meza in Übereinkunft mit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) den Abgesandten Michelettis eine Frist gesetzt, innerhalb derer sie der Wiedereinsetzung Zelayas ins Präsidentenamt zustimmen sollten. Dieses Ultimatum hatte die Gegenseite jedoch zurückgewiesen. Wie deren Delegationsmitglied Vilma Morales erklärte, werde man erst einige Stunden später auf die Aufforderung reagieren oder einen Gegenvorschlag vorlegen. [1]

Damit haben die Putschisten bereits zum zweiten Mal den Versuch scheitern lassen, eine Verhandlungslösung in diesem Konflikt herbeizuführen. Frühere Gespräche unter dem Vorsitz des costaricanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Oscar Arias endeten mit der Zustimmung Zelayas, jedoch einer Ablehnung Michelettis. Die Putschregierung weigerte sich insbesondere, Zelaya ins Amt zurückkehren zu lassen, und drohte, ihn festzunehmen, sofern er honduranischen Boden betreten sollte. [2] An dieser Situation hat sich im Grunde bis heute nichts geändert, wenn das Regime auch von einer Erstürmung der brasilianischen Botschaft und der Gefangennahme des Präsidenten Abstand nimmt.

Bei den nun gescheiterten Gesprächen hatten die Delegationen beider Seiten weitgehende Einigung erzielt. Sie waren übereingekommen, dem Plan des Vermittlers Oscar Arias in den meisten Punkten zuzustimmen. Wie geplant sollten Ende November Wahlen stattfinden, worauf man eine Regierung der nationalen Versöhnung mit allen Parteien bilden wollte. Ungeklärt blieb lediglich, wer das Land in den kommenden Wochen regieren soll. Während die Bewegung des Widerstands, die sogenannte internationale Staatengemeinschaft und deren Institutionen in Zelaya den einzig rechtmäßigen Präsidenten des Landes sehen und seine Rückkehr ins Präsidentenamt fordern, lehnen dies die Putschisten ab. Sie werfen Zelaya Verfassungsbruch, Vaterlandsverrat und Amtsmißbrauch vor, wofür sie ihn vor Gericht stellen lassen wollen. [3]

Am 28. Juni war Präsident Zelaya gestürzt und vom Militär außer Landes gebracht worden. Er hielt sich zunächst in Costa Rica und dann in Nicaragua auf, wobei mehrere Versuche, zunächst mit dem Flugzeug und später auf dem Landweg nach Honduras zurückzukehren, von den Putschisten vereitelt wurden. Am 21. September kehrte Zelaya heimlich in seine Heimat zurück, wo er seither in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa festsitzt, die ihm Schutz gewährt.

Am 29. November sollen in Honduras Präsidentschaftswahlen abgehalten werden, bei denen Zelaya gemäß der Verfassung nicht erneut kandidieren darf. Auch Micheletti hat stets von einer eigenen Bewerbung Abstand genommen. Die Putschisten verfolgten von Anfang an den Plan, Zelaya zu neutralisieren und mit der Wahl eines Nachfolgers vollendete Tatsachen zu schaffen. Ihr Kalkül, den Widerstand im eigenen Land totlaufen zu lassen und die internationale Verurteilung des Staatsstreichs mit Neuwahlen zu beschwichtigen, geht jedoch nicht auf. Zumindest haben die Regimegegner in Honduras einen Boykott des Urnengangs für den Fall angekündigt, daß Zelaya nicht vorher ins Amt zurückgekehrt ist. Auch international mehrten sich die Stimmen, daß man das Ergebnis einer solchen Wahl nicht anerkennen werde.

Wie die Menschenrechtsorganisation Komitee für vermißte Gefangene in Honduras bekanntgegeben hat, seien seit dem Putsch 21 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. In mehr als 4.000 Fällen seien Menschenrechtsverletzungen festgestellt worden. Hingegen behauptet die Putschregierung, seit Zelayas Absetzung seien vier Menschen getötet worden. [4] Mit welchen Mitteln die Machthaber ihre Ziele verfolgen, unterstreicht nicht zuletzt der wachsende Druck auf Präsident Zelaya in der brasilianischen Botschaft. Dessen juristischer Berater Rasel Tomé teilte dem Sender Radio Globo mit, daß der Präsident und seine mit ihm in der Botschaft ausharrenden Anhänger in der Nacht zum Mittwoch von Soldaten mit ohrenbetäubender Musik, Militärmärschen und Aufnahmen von Tierschreien beschallt worden seien, um sie am Schlafen zu hindern. Carlos Eduardo Reina, der zu den engsten Beratern des Präsidenten gehört, und der brasilianische Botschafter bei der OAS, Ruy Casaes, sprachen in diesem Zusammenhang von Folter. Die Darstellung wurde von einem Fotografen der Nachrichtenagentur AFP bestätigt, der sich ebenfalls in der Botschaft aufhält. [5]

Anmerkungen:

[1] Dialog mit Übergangsregierung in Honduras beendet (23.10.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hEzIjYVvGC3mO3Gh4EvHEWSKqmMw

[2] Honduras: Krisengespräche scheitern erneut (23.10.09)
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/517027/index.do?_vl_backlink=/home/politik/index.do

[3] Zelayas Ultimatum ist verstrichen (23.10.09)
http://www.focus.de/politik/ausland/honduras-zelayas-ultimatum-ist- verstrichen_aid_447310.html

[4] Zelaya stellt Ultimatum. Honduras Machtkampf spitzt sich zu - Fronten sind verhärtet (23.10.09)
NZZ Online

[5] Foltervorwürfe gegen Putschisten in Honduras (23.10.09)
junge Welt

23. Oktober 2009