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LATEINAMERIKA/2314: Honduranische Widerstandsfront ruft zum Wahlboykott auf (SB)


Putschisten lassen Präsident Zelaya nicht mehr ans Ruder kommen


Die absehbare Strategie der Putschisten in Honduras, Präsident Manuel Zelaya mindestens bis zur Wahl eines Nachfolgers am 29. November von seinem Amt fernzuhalten, hat nun ihre offizielle Bestätigung gefunden. Im nächsten Akt der politischen Farce gab Parlamentspräsident José Alfredo Saavedra im lokalen Radiosender HRN bekannt, daß der Kongreß erst am 2. Dezember zusammenkommen wird, um über die Rückkehr Zelayas für die ihm gemäß der Verfassung verbliebene Amtszeit bis Ende Januar zu beraten. [1]

Zelaya selbst hatte bereits am vergangenen Wochenende eine Wiederaufnahme seiner Präsidentschaft ausgeschlossen, sofern der Kongreß diese Entscheidung erst nach dem Wahltermin trifft. Alles andere käme einer nachträglichen Legitimierung des Staatsstreichs vom 28. Juni gleich. Unter dem Regime der Putschisten seien freie Wahlen nicht möglich, weshalb er deren Durchführung und Ergebnis seine Anerkennung verweigere.

Dieselbe ablehnende Haltung hinsichtlich des bevorstehenden Urnengangs haben bislang die meisten Regierungen und überstaatlichen Organisationen zum Ausdruck gebracht. Womit man sicher rechnen kann, ist eine breite Front der Länder Lateinamerikas gegen die Putschisten, aus der Kolumbien ausscheren wird. Die EU und die Regierungen einzelner europäischer Staaten äußerten sich skeptisch und sehen sich in der Kürze der Zeit außerstande, ein Team von Wahlbeobachtern zu schulen und zu entsenden. Das kann man als Signal einer ablehnenden Position werten, wobei ungewiß bleibt, welche Konsequenzen letztendlich gezogen werden.

Eindeutig geäußert hat sich die US-Regierung, die das Wahlergebnis auch dann anerkennen will, wenn Zelaya bis dahin nicht in sein Amt zurückgekehrt ist. Da die Unterstützung des Putsches ungeachtet ihrer Lippenbekenntnisse offensichtlich ist, befleißigt sich die Administration in Washington weiterhin diplomatischer Nebelkerzen, um den Eindruck vorzuhalten, sie stehe zu ihrem Wort. Staatssekretär Thomas Shannon, den Obama aus der Mannschaft seines Vorgängers George W. Bush übernommen hatte, brachte das Abkommen von Tegucigalpa auf den Weg, dessen Inhalt es den Putschisten ermöglichte, Zelaya endgültig auszubooten. Scheinheilig erweckt die US-Regierung nun den Eindruck, das habe sie nicht gewollt, und sie verkündet vage, die Anerkennung der kommenden Wahl stehe für sich und sei mit keinerlei zwangsläufig daraus resultierenden Konsequenzen verbunden.

Diese Behauptung ist natürlich absurd, weil man die Wahlfarce ja mit dem Ziel der Entsorgung Zelayas über die Bühne bringen will. Auch die Erklärung, man hoffe nach wie vor, daß das honduranische Parlament dem Abkommen vom 30. Oktober entsprechen werde, ist fadenscheinig, da in der von Shannon vermittelten Vereinbarung kein Zeitpunkt für die Wiedereinsetzung des legitimen Präsidenten festgelegt wurde. Wer das für einen übersehenen Webfehler in der Textur des Entwurfs hält, läßt außer acht, daß ein mit allen Wassern gewaschenes diplomatisches Schlachtroß am Werk war.

Wie der Sprecher des Außenministeriums in Washington, Charles Luoma-Overstreet, dazu erklärte, habe man das honduranische Parlament dringend ersucht, den Entscheidungsprozeß über die Wiedereinsetzung Präsident Zelayas zu beschleunigen, und begrüße alle Schritte, die eine Lösung näherbringen können. Die Putschisten wissen solche Signale zu interpretieren und haben einen Schlußstrich unter die Frage der Rückkehr Zelayas vor dem Urnengang gezogen.

Unterdessen ist mit Craig Kelly ein anderer hochrangiger Diplomat des US-Außenministeriums in Tegucigalpa eingetroffen, um sich mit Vertretern beider Konfliktparteien zu treffen. Wozu die zweite Reise Kellys nach Honduras binnen weniger Tage führen soll, steht in den Sternen, sofern man sich nicht der Illusion hingibt, es gehe allen Ernstes darum, das Abkommen in letzter Minute zu retten. Die Vereinbarung ist erfüllt, wenngleich Zelaya zu Recht geltend macht, er habe den Geist des Abkommens anders interpretiert und sei von seiner unmittelbar bevorstehenden Wiedereinsetzung ausgegangen.

De facto haben seine Vertreter unterschrieben, was die Putschisten gegen ihn wenden konnten, so daß er dem von US-Administration und Putschregime geschmiedeten Komplott auf den Leim gegangen ist. Roberto Micheletti nahm die Bildung der vereinbarten Einheitsregierung in Angriff, während die Parlamentsdebatte über die Rückkehr Zelayas mit einer Reihe von Manövern verzögert wurde. Während Zelaya das Abkommen für gescheitert erklärte, fuhr sein Widersacher unbeirrt mit der Vorbereitung der Wahlen fort, als sei alles im Lot.

Die Putschisten haben bislang genau das wahrgemacht, was sie mit dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten und der Auflösung seiner Regierung bezweckten. Auch die US-Administration bleibt ihrem grundlegenden Kurs treu, Zelaya zahnlos zu machen und seinen Einfluß auf die Entwicklung in Honduras zu beenden. Washington und Tegucigalpa stritten sich für das Publikum, doch folgten sie demselben Drehbuch, das auf den Höhepunkt der Wahl eines neuen Präsidenten zusteuert, während der entmachtete Vorgänger in der Versenkung verschwindet.

Wie schon beim Abkommen von San José, das von dem costaricanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias entworfen wurde, wurde Manuel Zelaya nicht zuletzt ein Opfer seiner eigenen Kompromißbereitschaft und Gutgläubigkeit hinsichtlich der US-Regierung, ohne deren Rückendeckung er seine Wiedereinsetzung nicht herbeizuführen glaubte. Damals verzichtete Zelaya auf das Referendum über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung und damit eines seiner zentralen politischen Ziele. Zwar verweigerten die Putschisten trotz dieses weitreichenden Zugeständnisses ihre Zustimmung, doch war damit bereits ein Standard zu Lasten Zelayas gesetzt, der seither noch weiter unterschritten wurde.

Tomás Andino, der zu den führenden Kräften des Widerstands gehört und Parlamentsmitglied für die linke Demokratische Vereinigungspartei (UD) ist, wertet das Abkommen von Tegucigalpa als Kapitulation Zelayas und bedauert, daß dieser die Kröte geschluckt hat. Die Parteiführung der UD ist hinsichtlich der Wahlen gespalten, da der offizielle Flügel für eine Teilnahme plädiert, um die Wahlregistrierung zu behalten und die staatliche Parteienfinanzierung nicht zu verlieren. Hingegen ruft der opponierende Flügel um Renan Valdez und Tomás Andino mit der Begründung zum Boykott des Urnengangs auf, eine Teilnahme legitimiere das Putschregime und mache die UD zu dessen Komplizen.

Die Nationale Widerstandsfront, an der viele Mitglieder der UD aktiv beteiligt sind, hat beschlossen, die Wahlen am 29. November zu boykottieren. Der Kandidat der Gewerkschaften, Carlos H. Reyes, hat sich nach Rücksprache mit der Basis entschlossen, nicht zu kandidieren und zu einem Boykott aufzurufen. Auch eine Reihe von Kandidaten aus anderen Parteien haben ihren Rückzug bekanntgegeben. [2]

Wie Tomás Andino schreibt, gebe es nur eins, was die Lage für den Volkswiderstand retten könne: Man müsse sich weigern, das Abkommen von Tegucigalpa anzuerkennen, und die Bevölkerung mobilisieren, um die Wahlfarce der Oligarchie am 29. November zu verhindern. Auf diese Weise könne man dafür sorgen, daß eines der wichtigsten Ziele zur Umsetzung des Abkommens, nämlich die Legitimierung des Putsches durch Wahlen, nicht erreicht wird. Nur auf diesem Weg könne man die Bedingungen für die mittelfristige Niederlage des Putschregimes schaffen und das Ziel des Kampfs, nämlich die verfassunggebende Versammlung, erreichen.

Denkt man an Wahlen in Tegucigalpa, kommen einem Port-au-Prince, Bagdad, Kabul und eine Reihe weiterer Hauptstädte in den Sinn, in denen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten Wahlen inszeniert haben, um den von ihnen herbeigeführten Umsturz nachträglich zu legitimieren und eine neue Führung zu installieren, die für die Wiederherstellung der gewünschten Herrschaftsverhältnisse und Zugriffsoptionen sorgen sollte. Die Lage in Honduras stellt sich nur auf den ersten Blick anders dar, da die einhellige Verurteilung des Staatsstreichs den Eindruck erweckt hat, die Putschisten seien international isoliert. Das ist jedoch nicht der Fall, da sie das Werk all jener Kräfte verrichten, die der Emanzipation Lateinamerikas von der Hegemonialmacht USA und nicht minder imperialistischen Gelüsten europäischer Mächte einen Riegel vorschieben wollen.

Daß Europäer und US-Amerikaner nicht in jedem Detail einer Meinung sind und wie eine Räuberbande auch Machtkämpfe untereinander austragen, sollte ebensowenig wie die parteipolitischen Auseinandersetzungen in den USA zu der Verkennung Anlaß geben, es existiere nicht ein solider Konsens der führenden Mächte, daß man Hugo Chávez und seinem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" Einhalt gebieten müsse, indem man weitere Bündnispartner wie Manuel Zelaya in Honduras aushebelt und eine Trendwende herbeiführt.

Anmerkungen:

[1] Decision to Restore Ousted Honduran Leader Is Delayed Until After Vote (18.11.09)
New York Times

[2] Honduras: Das Abkommen wurde als Farce entlarvt - Boykottiert die Wahlen! (18.11.09)
http://www.derfunke.de/content/view/826/75/

18. November 2009