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LATEINAMERIKA/2330: Klimafolgegipfel in Mexiko mit Erwartungen überfrachtet (SB)


Zuvor werden in Bonn die Weichen gestellt


Nachdem die Umweltorganisationen einhellig von einem Scheitern des zweiwöchigen Klimagipfels in Kopenhagen sprechen, wird Mexiko-Stadt fast über Nacht als neue Hoffnung zur Rettung des Klimas mit absurden Erwartungen überfrachtet. Abwegig ist dieses Klammern an die nächste Perspektive nicht deshalb, weil es vorzuziehen wäre, die Flinte zynisch ins Korn zu werfen und alles Bemühen für aussichtslos zu erklären. Der Kardinalfehler setzt sich jedoch in der Ausblendung der Herrschaftsverhältnisse fort, die als Motor des menschengemachten Klimawandels identifiziert und ausgehebelt werden müssen, will man der ungebrochenen Zerstörungsgewalt nicht mit dem irreführenden Appell an gemeinsame Betroffenheit auf den Leim gehen.

Was nun an vermeintlichen Vorteilen Mexiko-Stadts ins Feld geführt wird, lebt vor allem vom Kontrast zu dem verheerenden dänischen Vorsitz in Kopenhagen, das inzwischen als "Brokenhagen" einen vorläufigen Tiefpunkt der Klimadebatte markiert. Der Gipfel stand kurzzeitig vor dem Abbruch, weil der Sudan und Venezuela den Gastgebern eine zu parteiische Haltung den Industrienationen gegenüber vorwarfen. Zudem wurde die venezolanische Delegation gleich auf zweifache Weise brüskiert, indem man entgegen diplomatischen Gepflogenheiten ihr Gepäck auf dem Flughafen durchsuchte und die Wagenkolonne unterwegs solange aufhielt, bis vereinbarte Treffen mit Gewerkschaften und sozialen Gruppen ausfallen mußten. Dafür taten sich die Sicherheitskräfte mit Massenverhaftungen und brutaler Behandlung der festgenommenen Demonstranten hervor, als sei eine Lektion innovativer Staatsgewalt das eigentliche Ziel des Gipfels.

Nur ein formaler Trick konnte verhindern, daß unter dem Strich des Kopenhagener Gipfels eine blanke Null zu stehen kam. Nachdem sich US-Präsident Barack Obama vor allem mit den Schwellenländern wie China und Indien auf ein dreiseitiges unverbindliches Papier geeinigt hatte, sah man von einer Abstimmung darüber ab und beließ es bei einer bloßen Kenntnisnahme. Zwar wird in der Erklärung das Zwei-Grad-Ziel erwähnt, doch sind keine verbindlichen Maßnahmen oder Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen. Man beschloß lediglich, daß die bereits bestehenden Arbeitsgruppen der UNO zu den diversen Klimathemen weiterverhandeln sollen. [1]

In einem Jahr findet in der Hauptstadt Mexikos der Folgegipfel statt, auf dem verbindliche Ergebnisse fixiert werden sollen. Dies würde allerdings voraussetzen, daß die Arbeitsgruppen handfeste Ergebnisse vorlegen, die dann auch allgemeine Zustimmung finden. Die Hoffnung, daß der Wechsel in das mittelamerikanische Land die Gespräche entscheidend voranbringen kann, gründet in der vagen Annahme, daß Mexiko die äußerst schwierige Aufgabe des Brückenbauens wesentlich besser erfüllen kann als Dänemark, wie etwa Kim Carstensen, Chef der Klimakampagne der Umweltschutzorganisation WWF meint. Nach der von vielen Seiten kritisierten inkompetenten und einseitigen dänischen Vorsitzführung soll das Schwellenland Mexiko, das zumindest theoretisch eine Position zwischen den Industriestaaten und den armen Ländern einnimmt, zur Vermittlung geeigneter sein. Laut Reuters verlangen sogar zahlreiche Regierungen, den Mexiko-Gipfel vorzuverlegen, um nicht noch mehr an Schwung zu verlieren.

Bevor die Klimakarawane nach Mexiko-Stadt zieht, macht sie in Bonn Station, wo vom 31. Mai bis zum 11. Juni 2010 der nächste Gipfel vorbereitet werden soll. Mit Blick auf diese günstige Gelegenheit, stärkeren Einfluß zu nehmen, schwenkte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach anfänglicher Enttäuschung und Kritik um und fing umgehend an, das außerordentlich dürftige Ergebnis von Kopenhagen als ersten Schritt in die richtige Richtung schönzureden. "Auf Kopenhagen muß nun aufgebaut werden. Das wird Deutschland auf der Konferenz Mitte des Jahres in Bonn tun", sagte die Kanzlerin in der "Bild am Sonntag".

Mit dem Bonner Zwischenschritt werden die führenden Industrienationen die Weichen endgültig zu stellen versuchen, um den Folgegipfel in Mexiko schon vorab zu entschärfen und zu schienen. Durchbrüche an der Klimafront sind daher auch unter mexikanischem Vorsitz kaum zu erwarten, sofern es nicht zuvor gelingt, die Kontroverse auf ihren herrschaftsrelevanten Kern zuzuspitzen.

Anmerkungen:

[1] Nach Kopenhagen: Jetzt soll Mexiko-Stadt das Klima retten (22.12.09)
http://news.orf.at/?href=http%3A%2F%2Fnews.orf.at%2Fticker%2F352095.html

23. Dezember 2009