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LATEINAMERIKA/2345: Amtsantritt Lobos soll Putsch in Honduras deckeln (SB)


Illegitimer Staatschef taktiert um Zustimmung


In Honduras tritt heute Porfirio Lobo das Präsidentenamt an, der von den meisten Regierungen Lateinamerikas nicht als rechtmäßiger Staatschef des Landes anerkannt wird. Der konservativer Unternehmer hatte bei der umstrittenen Wahl am 29. November 52 Prozent der Stimmen erhalten. In der Hoffnung, vollendete Tatsachen zu schaffen und die von den Putschisten abgehaltenen Wahlen nachträglich zu legitimieren, versucht der 62jährige, die internationalen Beziehungen zu normalisieren.

Wie diskreditiert die neue Präsidentschaft des mittelamerikanischen Landes ist, läßt sich auch daran ablesen, daß nur wenige ausländische Regierungsvertreter bei der Amtseinführung in Tegucigalpa zugegen sind. Mit den Präsidenten Guatemalas, Panamas, der Dominikanischen Republik und Taiwans sowie dem kolumbianischen Vizepräsidenten Francisco Santos hält sich der Kreis in engen Grenzen, der die Putschfolgen offen begrüßt. [1]

Als erste Amtshandlung will Lobo dem gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya freies Geleit bei der Ausreise ins Exil gewähren. Dieser hielt sich seit seiner heimlichen Rückkehr nach Honduras am 21. September in der brasilianischen Botschaft auf, die ihm Schutz gewährte. Die Justiz seines Heimatlandes hatte einen Haftbefehl gegen ihn unter anderem wegen Hochverrats und Amtsmißbrauchs erlassen. Nun will er gemeinsam mit seiner Familie Honduras zunächst in Richtung Dominikanische Republik verlassen, um von dort weiter nach Mexiko zu reisen, wo er bei seinem Freund Manuel López Obrador unterkommt. [2]

Wie Manuel Zelaya dem lokalen Rundfunk sagte, werde er Honduras als gewöhnlicher Bürger verlassen und erst wieder zurückkehren, wenn die "nationale Versöhnung" es ihm erlaube. Gegenüber Radio Globo gab er eine Begründung ab, warum er das Angebot Lobos akzeptiert: "Solange die Richter hier politische Gegner sind, die in eine Verschwörung gegen den Rechtsstaat verwickelt sind, kann ich mich nicht einer Justiz unterwerfen, die nicht existiert."

Manuel Zelaya war am 28. Juni durch einen Staatsstreich gestürzt und von den Militärs gewaltsam nach Costa Rica gebracht worden. Die Organisation Amerikanischer Staaten hatte Honduras daraufhin im Juli ausgeschlossen. Auch die Vereinten Nationen verurteilten den Umsturz und bezeichneten Manuel Zelaya als einzig rechtmäßigen Präsidenten des Landes. Zahlreiche Staaten forderten seine sofortige Wiedereinsetzung. Doch der Eindruck, die Putschisten hätten die ganze Welt gegen sich, erwies sich rasch als trügerisch, weil Washington eine geschlossene Front verhinderte und die Bemühungen sabotierte, ein Ende des Staatsstreichs zu erzwingen.

Da Honduras wirtschaftlich, politisch und militärisch de facto ein Außenposten der Vereinigten Staaten in Mittelamerika ist, hätten der US-Regierung genügend Instrumente zur Verfügung gestanden, dem Treiben ein Ende zu machen. Die Obama-Administration sah jedoch von wirksamen Sanktionen ab und intervenierte damit auf eine Weise, die nicht unmittelbar auf sie zurückgeführt werden konnte. Damit setzte die US-Regierung eine neue Doktrin um, welche die Vorgehensweisen der Präsidentschaften Bill Clintons und George W. Bushs kombiniert und die Durchsetzung eigener Interessen auf höherer Ebene als zuvor und wesentlich flexibler als in der Vergangenheit betreibt.

Auf der Tagesordnung der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten steht die Eindämmung jener Bewegung, die für gewöhnlich als "Sozialismus des 21. Jahrhundert" bezeichnet wird. Diese tritt für Sozialreformen zu Lasten der traditionellen Eliten, eine Abkehr von der Hegemonialmacht USA und den Ausbau der regionalen Zusammenarbeit ein, weshalb es führende Kreise in Politik und Wirtschaft der USA als vordringliche strategische Aufgabe in Lateinamerika definieren, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Die Anhänger des scheidenden Präsidenten Zelaya, die Bewegung des Widerstands, internationale Menschenrechtsorganisationen und viele Regierungen der Region verweigern Porfirio Lobo und jeder von ihm gebildeten Regierung die Anerkennung, da diese den verfassungswidrigen und undemokratischen Kurs fortsetzen, der mit dem Putsch begonnen hat. Diese Situation veranlaßt Lobo zu taktieren, indem er unter anderem einen nationalen Pakt zur Armutsbekämpfung vorschlägt und die Anhänger Zelayas einzubinden versucht. Er selbst gehört zwar der Nationalen Partei an, will aber in sein Kabinett auch Minister aus der unterlegenen Liberalen Partei aufnehmen. Da er seit 1990 Abgeordneter ist und von 2002 bis 2006 Parlamentspräsident war, verfügt er über ausgezeichnete Beziehungen zu allen Lagern und Fraktionen, von denen er nun ausgiebig Gebrauch macht. [3] Eifrig bemüht, sich von dem Staatsstreich abzugrenzen, hält er Roberto Micheletti auf Distanz, der nach dem Putsch den honduranischen Staatschef abgegeben hatte.

Lobo sprach sich für eine Amnestie für alle am Staatsstreich Beteiligten aus und bat das Ausland um die Anerkennung seiner Regierung. Seine Kritiker halten ihm vor, er sei zwar nicht in den Sturz Zelayas verwickelt gewesen, doch habe seine Partei den Putsch nachweislich unterstützt. Zudem habe Lobo zu keinem Zeitpunkt die Menschenrechtsverletzungen während und nach dem Putsch verurteilt. Durch die Einführung der neuen Regierung werde der Putsch legitimiert, und die Verantwortlichen blieben straflos. [4]

Putschistenführer Roberto Micheletti entzog sich der vorgesehenen Amtsübergabe und fehlte bei der obligatorischen Präsentation seines Regierungsberichts vor dem Parlament, wofür er gesundheitliche Gründe geltend machte. Schon zuvor hatte er angekündigt, er werde auf weitere öffentliche Auftritte verzichten und sich ins Privatleben zurückziehen. Am Freitag hatte er ohne jede Zeremonie den Amtssitz des Präsidenten verlassen und gegenüber dem honduranischen Fernsehen erklärt, er gehe nach Hause für den Frieden der Nation und weil er kein Hindernis für die neue Regierung sein wolle.

Wenige Stunden vor der Amtseinführung Porfirio Lobos hat das Parlament eine Amnestie für alle Verbrechen im Zusammenhang mit dem Staatsstreich vom 28. Juni erlassen. Kurz zuvor hatte bereits der Oberste Gerichtshof die militärische Führung von dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft entlastet, beim Staatsstreich die Anweisungen der Putschisten nicht genau genug befolgt zu haben, indem sie den gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya nicht der Justiz zuführten, sondern stattdessen nach Costa Rica ausflogen. Damit hätten sie ihre Befugnisse überschritten, hatte die Generalstaatsanwaltschaft argumentiert. [5]

Bei den minderen Vorwürfen gegen die Militärs handelte es sich um das taktische Manöver, die grundsätzliche Frage des Staatsstreichs auszuklammern und sich lediglich mit einer Marginalie zu befassen, die man dann auf sich beruhen lassen konnte. Auf diese Weise sollte die juristische Aufarbeitung des Umsturzes simuliert und aller Welt vorgegaukelt werden, man bringe die mißliche Situation eigenhändig ins reine und könne zur Tagesordnung übergehen, als habe sich die politische Ausrichtung des Landes nicht durch den gewaltsamen Eingriff fundamental geändert.

Die Widerstandsbewegung in Honduras tritt mit der Ausreise Manuel Zelayas und dem Amtsantritt Porfirio Lobos in eine neue Phase ein. Sie rief in Tegucigalpa und San Pedro Sula zu Großdemonstrationen auf, um ihre Forderung nach Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung zu unterstreichen. Die derzeit gültige Grundordnung des Landes stammt aus dem Jahr 1982, als Honduras die Operationsbasis für den von den USA munitionierten Krieg der Contras gegen das sandinistische Nicaragua war. Manuel Zelaya strebte eine neue Verfassung an und wollte zu diesem Zweck im Sommer eine Volksabstimmung mit dem Ziel durchführen, parallel zur Präsidentenwahl im November ein Referendum über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung abzuhalten. Dies nahmen die Putschisten zum Vorwand, ihn unter der Bezichtigung zu stürzen, er wolle sich verfassungswidrig eine zweite Amtszeit sichern.

So absurd dieser Vorwurf allein schon aus zeitlichen Gründen war, wurde er doch in den internationalen Medien gebetsmühlenartig wiederholt, um Zelaya in ein schlechtes Licht zu rücken. Bezeichnenderweise sah das unter Vermittlung des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias ausgearbeitete Abkommen ein Referendum für die Verfassunggebende Versammlung nicht mehr vor, was dann um so mehr für spätere Vorlagen galt, die sich an diesem ersten Entwurf orientierten. Soll das begonnene Reformwerk Zelayas nicht vergeblich gewesen sein, gilt es den in Angriff genommenen Prozeß fortzusetzen. Der Kampf um eine neue Verfassung setzt in dieser Hinsicht ein klares Signal, daß die Putschisten und ihrer Hintermänner das Spiel keineswegs gewonnen haben.

Anmerkungen:

[1] Zelaya geht, Lobo kommt (27.01.10)

http://www.jungewelt.de/2010/01-27/016.ph

[2] Neu gewählter Präsident Lobo übernimmt sein Amt in Honduras (27.01.10)
http://www.welt.de/die-welt/politik/article5995989/Neu-gewaehlter- Praesident-Lobo-uebernimmt-sein-Amt-in-Honduras.html

[3] Lobo tritt Präsidentenamt in Honduras an (27.01.10)
http://www.zeit.de/newsticker/2010/1/27/iptc-bdt-20100126-873- 23676584xml

[4] Ende der Krise? Neu gewählter Präsident übernimmt Amt in Honduras (27.01.10)
http://www.domradio.de/aktuell/artikel_60781.html

[5] Amnestie in Honduras vor Amtseinführung von Lobo (27.01.10)
http://de.news.yahoo.com/26/20100127/tpl-amnestie-in-honduras-vor- amtseinfhru-a70ba75.html

27. Januar 2010