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LATEINAMERIKA/2384: UNASUR macht Druck auf die spanische Regierung (SB)


Boykott des EU-Lateinamerika-Gipfels bei Teilnahme Porfirio Lobos


Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), der alle zwölf unabhängigen Staaten Südamerikas angehören, wurde am 23. Mai 2008 in Brasília geschaffen. Ihre Gründungsurkunde nennt als höchstes Ziel der Gemeinschaft den Kampf gegen "Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit". Gegründet wurde zudem ein Südamerikanischer Verteidigungsrat, dessen Aufgabe es ist, die Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaaten zu koordinieren. Das Bündnis will die Integration schrittweise weiterentwickeln, wobei unter anderem ein südamerikanisches Parlament, gemeinsame Reisepässe oder auch eine gemeinsame Währung im Gespräch sind. Trotz ihrer jungen Geschichte hat die UNASUR bereits mehrere Bewährungsproben, darunter die geschlossene Zurückweisung separatistischer Umtriebe in den bolivianischen Tieflandprovinzen, mit Bravour bestanden.

Einigkeit zeigte die Gemeinschaft auch bei der jüngst erfolgten Wahl des früheren argentinischen Präsidenten Néstor Kirchner zum ersten Generalsekretär des Bündnisses. Uruguay schloß sich diesem Votum trotz eines jahrelangen Streits mit Argentinien um eine Zellstoffabrik am Río de la Plata an, wobei Präsident José Mujica offen einräumte, daß ihm die Unterstützung Kirchners politisch schwerfalle. Dennoch stimme er der Wahl vorbehaltlos zu, da man darauf hoffe, gemeinsam mit allen lateinamerikanischen Völkern voranzuschreiten. [1] Wie alle von Kolonialismus und Imperialismus heimgesuchten Weltregionen sah sich Südamerika jahrhundertelang der Herrschaft fremder Mächte unterworfen, deren Regime nicht zuletzt auf einer Strategie der Spaltung sowohl innerhalb einzelner Länder als auch zwischen den Staaten gründete. Diese traditionelle Schwäche zu überwinden und ungeachtet der bestehenden Kontroversen zwischen einzelnen Mitgliedern gemeinsame Interessen zu formulieren und durchzusetzen, dürfte die wichtigste Aufgabe der Gemeinschaft und der Motor ihrer Emanzipation sein.

Zum Abschluß des Gipfeltreffens der UNASUR hat Ecuadors Präsident Rafael Correa bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner argentinischen Amtskollegin Cristina Fernández de Kirchner in Buenos Aires angekündigt, daß mindestens zehn südamerikanische Staaten dem für den 17. und 18. Mai in Madrid geplanten Gipfeltreffen der EU und Lateinamerikas fernbleiben wollen, sofern die spanische Regierung ihre Einladung an den Staatschef von Honduras, Porfirio Lobo, aufrechterhält. Von Kolumbien und Peru abgesehen, die an dem Gipfel in Argentinien nicht teilgenommen hatten, hat bislang kein Land Südamerikas das Regime in Honduras anerkannt.

Lobo ist durch eine Wahl in sein Amt gekommen, die unter Kontrolle des Putschregimes durchgeführt wurde. Am 28. Juni 2009 hatten honduranische Militärs den rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya gestürzt und außer Landes gebracht. Wer Lobo als Staatschef anerkennt, legitimiert den Umsturz und die nachfolgende Welle der Repression, mit der die Machthaber seither Oppositionelle überziehen. Boliviens Präsident Evo Morales hat noch einmal bekräftigt, daß der Beschluß, unter den gegebenen Umständen nicht nach Madrid zu reisen, auf dem Gipfel in Argentinien einhellig getroffen worden ist. Lobo sei der Kandidat der Diktatur, weshalb man nur dann am Treffen teilnehmen werde, wenn Spanien seine Einladung zurücknimmt. [2]

Das Außenministerium in Madrid hat auf Nachfrage der Deutschen Welle erklärt, es werde keine offizielle Reaktion seitens der spanischen Regierung auf die Kritik der südamerikanischen Staaten geben. Man habe ausnahmslos alle Staats- und Regierungschefs der Region eingeladen. Vieles spricht jedoch dafür, daß man Lobo unter der Hand davon überzeugt, auf die Teilnahme zu verzichten, um den Gipfel nicht zu gefährden. Sollte das der Fall sein, hätte die UNASUR nicht nur konsequent gehandelt, sondern auch ein Zeichen für die Reichweite ihres geschlossenen Auftretens gesetzt.

Die Reporter ohne Grenzen (RSF) haben kürzlich warnend darauf hingewiesen, daß sich Honduras inzwischen in das tödlichste Land für Journalisten verwandelt habe. Die Pressefreiheit sei nach dem Putsch massiv eingeschränkt worden, und die ohnehin von großer Unsicherheit geprägte Lage habe sich nach dem Staatsstreich dramatisch verschlimmert. Allein seit Jahresbeginn sind in Honduras sieben Journalisten ermordet worden. Zahlreiche weitere Reporter erhielten Todesdrohungen, so daß sich einige gezwungen sahen, das Land zu verlassen. Mitte April waren Beschäftigte der honduranischen Presse in Juticalpa, der Hauptstadt östlichen Departamentos Olancho, auf die Straße gegangen, um gegen die jüngsten Mordanschläge auf Journalisten und die schleppenden Ermittlungen der Behörden zu protestieren. Trotz Zusagen der Regierung wurde bisher keiner der tödlichen Angriffe aufgeklärt, die sich seit dem Putsch im Juni 2009 ereignet haben. [3]

Daß die Angriffe auf oppositionelle Journalisten gerade in jüngerer Zeit deutlich zugenommen haben, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Regierung unter dem konservativen Unternehmer Porfirio Lobo. So kommt es regelmäßig zu Drohungen gegen Medien, die den Putschisten und der neuen Regierung kritisch gegenüberstehen. Drohungen erhielten unter anderem Mitarbeiter des Senders Radio Progreso, der schon nach dem Putsch von Militärs besetzt wurde, um die Ausstrahlung seiner Berichte zu verhindern. Am 12. April wurden vier Mitarbeiter der Telekommunikationsbehörde (Conatel) freigesprochen, die im vergangenen September die Schließung einer Radio- und Fernsehstation angeordnet und das gesamte Material beschlagnahmt hatten. Das Gericht fand angeblich keine Hinweise darauf, daß durch diesen Übergriff auf das wichtigste Kommunikationsmedium der Opposition die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt wurde. [4]

In den vergangenen vier Monaten sind zudem zehn prominente Mitglieder der Nationalen Widerstandsfront (FNRP) gegen den Putsch auf offener Straße ermordet worden. Ein Aktivist der Gruppe "Los Necios" sprach von einer Situation wie zu den finsteren Zeiten der Militärdiktaturen in den 1970er und 1980er Jahren. Der Staat bediene sich übelster Revolvermänner und Mörder, um politische Gegner einzuschüchtern und zu beseitigen. Am 20. April verhafteten Polizisten während einer Protestdemonstration den Agronomieprofessor José Oscar Flores, der als Unterstützer des gestürzten Präsidenten Zelaya im vergangenen Jahr wochenlang mit ihm in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa ausgeharrt hatte. Wo sich Flores derzeit befindet, ist unbekannt. Ermordet wurde der bekannte Lehrer und Gewerkschafter José Manuel Flores Arguijo, den Unbekannte Ende März am hellichten Tag in Tegucigalpa erschossen haben. Die Lehrergewerkschaft gehörte zu den aktivsten Gegnern des Putschregimes und hatte monatelang einen politischen Streik gegen den Staatsstreich aufrechterhalten. [5]

In der nördlichen Region Bajo Agúan eskaliert der Konflikt zwischen Großgrundbesitzern und landlosen Bauern, nachdem die Regierung 7.000 Soldaten dorthin entsandt hat, um den Widerstand der Campesinos zu brechen. Anfang April waren zwei Aktivisten der Bewegung landloser Bauern ermordet worden, wofür man Paramilitärs verantwortlich macht, die offenbar aus Kolumbien angeworben wurden. Inzwischen ist die Region vollständig militarisiert, da die Regierung die unter Zelaya angestrebte Etablierung sozialer Rechte und gerechtere Verteilung der Ressourcen gewaltsam verhindern will. Die Militäroffensive wird von den US-Streitkräften unterstützt, die zwei Stützpunkte in Honduras unterhalten. Hubschrauber des Typs Black Hawk, die auf dem Luftwaffenstützpunkt Soto Cano in Palmerola im zentralen Departement Comayagua stationiert sind, überflogen das Konfliktgebiet und machten Aufnahmen von dem Großgrundbesitz, der von rund 3.500 Familien besetzt gehalten wurde.

Die neue US-Marinebasis in der an der Grenze zu Nicaragua gelegenen Ortschaft Caratasca wurde erst vor wenigen Wochen von Regierungsvertretern aus Washington und Tegucigalpa eingeweiht. Wie Washingtons Botschafter in Honduras, Hugo Llorens, erklärte, habe das Pentagon zwei Millionen Dollar investiert und vier Schiffe gespendet. Offiziell verantwortlich für die Anlage ist zwar die honduranische Kriegsmarine, die jedoch von US-Offizieren "beraten" wird.

Anmerkungen:

[1] Süden gibt Kontra (06.05.10)

junge Welt

[2] EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid droht abzustürzen (06.05.10)
Telepolis

[3] Proteste gegen Morde in Honduras (17.04.10)

junge Welt

[4) Honduras ist das gefährlichste Land für Journalisten (24.04.10)
Telepolis

[5] Morde an der Tagesordnung (26.04.10)

junge Welt

10. Mai 2010