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LATEINAMERIKA/2447: US-Konzerne bedienten sich kolumbianischer Paramilitärs (SB)


Todesschwadrone mordeten im Auftrag ausländischer Unternehmen


Das Phänomen des Paramilitarismus in Kolumbien ist ungeachtet seiner entufernden Verflechtungen mit legalen und illegalen wirtschaftlichen und politischen Kräften am zutreffendsten als ausgelagerte Staatsgewalt zu charakterisieren. Maßgebliche Stoßrichtung der Todesschwadrone bleibt die Beförderung von Ausbeutung und Unterdrückung im Dienst staatlicher Interessen wie auch nationaler und ausländischer ökonomischer Kräfte. Dies dokumentiert nicht zuletzt die jahrzehntelange Praxis US-amerikanischer Konzerne, sich paramilitärischer Gruppierungen zu bedienen, um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die ihre Profitmaximierung in dem südamerikanischen Land schmälerten.

Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit verdichten sich erneut Hinweise auf Verbindungen des US-amerikanischen Bergbaukonzerns Drummond zu kolumbianischen Paramilitärs. Libardo Duarte, ein ehemals hochrangiger Akteur der Todesschwadrone, der im Rahmen von Demobilisierungsmaßnahmen die Waffen niedergelegt hat, bezeugt, daß Paramilitärs im Auftrag des Konzerns Kleinbauern genötigt haben, ihre Landstücke zu verkaufen. Da Drummond eine Eisenbahnstrecke zum Abtransport der geförderten Kohle baute, wurde auf diese Weise eine Schneise geschlagen. Wer sich einem Abkommen mit dem Unternehmen verweigerte und seine Parzelle nicht verlassen wollte, wurde ermordet. [1]

Im Jahr 2007 wurde Drummond an seinem Unternehmenssitz in Alabama wegen des Mordes an zwei Gewerkschaftlern angeklagt. Nachdem die US-Justiz die Konzernführung freigesprochen hatte, lobte Kolumbiens damaliger Präsident Alvaro Uribe das Urteil mit den Worten, es trage zur Widerlegung falscher Aussagen und juristischer Unterstellungen bei, welche die "Ehre des Vaterlands" befleckten. Als es 2009 zu einer Anklage der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Conrad & Scherer gegen Drummond kam, dem erneut Verbindungen zu den paramilitärischen "Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen" (AUC) vorgeworfen wurden, wurde Uribe als Zeuge vorgeladen. Der kolumbianische Staatschef zog es jedoch vor, der Vorladung nicht Folge zu leisten, und ließ durch seinen Botschafter in den USA Immunität beantragen.

Wie es im Dokument der Anklage heißt, ließ Drummond den AUC "wesentliche Unterstützung zukommen, damit sie die Mine, die Eisenbahn und andere Teile des Unternehmens vor Angriffen der FARC-Guerilla beschützt und andere Maßnahmen unternimmt, um die Bevölkerung ruhig zu halten". Um die Sicherheit der Eisenbahn zu garantieren, soll der paramilitärische Kommandant "Jorge 40" zwischen 1999 und 2006 neben der einmaligen Zahlung von 1,5 Millionen Dollar monatliche Beträge in Höhe von 100.000 Dollar erhalten haben. Auftraggeber waren demnach Drummonds Sicherheitschef James Atkins und Manager Alfredo Araújo, genehmigt wurden die Zahlungen der Klageschrift zufolge vom Konzernchef Garry Drummond sowie dem Leiter der kolumbianischen Niederlassung, Augusto Jimenez.

Kolumbien dürfte der Weltöffentlichkeit vor allem als führender Koka-Produzent bekannt sein. Weniger geläufig ist sicher sein enormer Reichtum an Bodenschätzen wie Erdöl, Kohle, Gold, Edelsteinen und anderen Mineralien, die längst internationale Konzerne auf den Plan gerufen haben. Das Land ist zudem der weltweit viertgrößte Kohleexporteur, wobei es häufig ausländische Unternehmen sind, die den Abbau betreiben.

Als man in den neunziger Jahren damit rechnete, daß die Kohlevorkommen Alabamas in absehbarer Zeit ausgebeutet sein würden, engagierte sich Drummond Ltd. mit Stammsitz in Birmingham im Norden Kolumbiens, wo 1994 das riesige Bergwerk von La Loma nach Investitionen von mehr als 500 Millionen Dollar seinen Betrieb aufnahm. Das Unternehmen betreibt großflächigen Tagebau, die erwähnte Bahnlinie und einen eigenen Hafen zum Verschiffen. Daraufhin wurden im heimischen Alabama, wo die Arbeitskräfte wesentlich teurer waren, alle Kohlegruben des Unternehmens bis auf eine geschlossen.

In den folgenden Jahren zogen die Kämpfe in Kolumbien auch die Förderung Drummonds in Mitleidenschaft. So verübten die Rebellen Anschläge auf Kohlezüge und entführten vier Arbeiter, die jedoch später wieder freigelassen wurden. Auf dem Höhepunkt einer Kontroverse zwischen der Grubengesellschaft und der Arbeiterschaft wurden am 12. März 2001 der Gewerkschaftschef Valmore Lacarno Rodríguez und sein Stellvertreter Víctor Hugo Orcasita Amaya ermordet. Da sie mit einem Anschlag rechneten, wollten sie nach ihrer Schicht im Bergwerk bleiben, was ihnen jedoch verboten wurde. Paramilitärische Attentäter hielten einen Bus an, der Bergleute nach der Arbeit in ihre Dörfer zurückbrachte, und befahlen den beiden Opfern auszusteigen. Mehrere Zeugen hörten die Paramilitärs sagen, sie würden nun dem Streit ein Ende machen, den Lacarno und Orcasita mit Drummond hätten. Nach dieser Bluttat folgten mehr als 1.200 Gewerkschafter einem Streikaufruf der kolumbianischen Minenarbeitergewerkschaft Sintracarbón und legten die Produktion vorübergehend lahm. Sieben Monate später wurde auch der neue Gewerkschaftschef, Gustavo Soler Mora, auf dieselbe Weise abgefangen und umgebracht.

Die kolumbianische Gewerkschaft der Bergleute warf Drummond vor, diese Morde mindestens billigend in Kauf genommen zu haben. Sie strengte 2002 eine Klage in den Vereinigten Staaten an, da in Kolumbien keine Bestrafung für Verbrechen an Gewerkschaftsführern zu erwarten war. Obgleich es damals als schwierig bis unmöglich eingeschätzt wurde, einen Auftrag seitens der Grubengesellschaft nachzuweisen, konnte die Klage jedenfalls ins Feld führen, daß der Direktor der Grube La Loma den Gewerkschaftern unverhohlen gedroht habe. Wie nicht anders zu erwarten, wies man bei Drummond in Birmingham jegliche Kenntnis, Billigung oder gar Beteiligung an den Morden entschieden zurück und erklärte, man arbeite nicht mit Paramilitärs zusammen.

Blutige Schlachten gegen die Arbeiterschaft haben die Bergbaukonzerne Alabamas in der Vergangenheit auch im eigenen Land geführt. Die Durchsetzung mit Waffengewalt hat sich mittlerweile in Regionen wie Kolumbien verlagert, deren Bürgerkriege ein willkommenes Szenario bieten, um die eigenen Angelegenheiten unauffällig zu erledigen. Mit Hilfe paramilitärischer Organisationen konnte man Gewerkschafter einschüchtern, vertreiben oder umbringen lassen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Die Todesschwadrone betrieben mancherorts eine regelrechte Menschenjagd und veröffentlichten Todeslisten, auf denen Hunderte Namen von Gewerkschaftern, Lehrern, Journalisten, Sozialarbeitern und anderen Opfern standen, die umgebracht wurden, sofern sie nicht die Flucht ergriffen. Da dies allgemein bekannt ist, konnte es auch von den betroffenen US-Unternehmen nicht in Abrede gestellt werden. Diese zogen sich auf die Behauptung zurück, sie hätten mit solchen Umtrieben in Kolumbien absolut nichts zu schaffen.

Drummond ist beileibe nicht das einzige US-Unternehmen, dessen Aktivitäten in Kolumbien Gegenstand einer Klage wurden. So warfen im Juli 2001 eine amerikanische Arbeitsrechtsorganisation und die kolumbianische Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal der Firma Coca Cola und anderen Abfüllern vor, sie beauftragten Paramilitärs, Gewerkschafter einzuschüchtern und in einigen Fällen sogar zu ermorden. Daraufhin erklärte die Zentrale in Atlanta, man fühle sich den höchsten moralischen und unternehmerischen Standards verpflichtet und verlange von allen Tochtergesellschaften und Zulieferern, sich strikt an die Gesetze und Vorschriften des jeweiligen Landes zu halten. Der größte kolumbianische Abfüller für Coca Cola drohte sogleich mit einer Verleumdungsklage, da es sich bei den erhobenen Vorwürfen um eine Lügenkampagne handle.

Wie es in der damaligen Klageschrift hieß, hätten die Abfüller paramilitärische Sicherheitskräfte per Kontrakt in ihren Dienst genommen, die mit extremer Gewalt vorgingen und Gewerkschaftsführer ermordeten, folterten, gefangennahmen oder auf andere Weise zum Schweigen brachten. Zu den brisantesten Vorwürfen zählen jene gegen die Geschäftsleitung des Werks in Carepa, welche demnach 1994 die beiden Gewerkschafter José Eleazar Manco und Luis Enrique Gómez ermorden, die Arbeiter einschüchtern und die restliche Gewerkschaftsführung vor Ort zum Rücktritt und Verlassen der Region zwingen ließ. Auch unter den Nachfolgern in einer neu gewählten gewerkschaftlichen Vertretung fanden die Paramilitärs ihre Opfer. Zudem soll der Direktor des Werks den Arbeitern offen erklärt haben, die Paramilitärs würden in seinem Auftrag die Gewerkschaft zerschlagen.

Zwischen 1989 und 2002 wurden bei Coca Cola in Kolumbien sieben Gewerkschafter ermordet, viele mußten fliehen, unzählige wurden eingeschüchtert. Nach Angaben kolumbianischer Gewerkschafter spricht eine Fülle von Vorfällen, Zeugenaussagen und Indizien für eine systematische Zusammenarbeit zwischen Coca Cola und den Paramilitärs, zumal letztere in einem Werk sogar ungehindert patrouillieren durften. Berichte über Repressalien gegen Gewerkschafter an die US-Botschaft, die Regierung in Bogotá oder offizielle Stellen in den USA blieben allesamt unbeantwortet, während im Gegenzug Gewerkschafter häufig verhaftet und der Zusammenarbeit mit der Guerilla bezichtigt wurden. Daher machte damals das geflügelte Wort die Runde, in Kolumbien sei es sicherer, sich der kämpfenden Guerilla anzuschließen, als in einem Unternehmen Gewerkschaftsführer zu werden.

Neben Drummond und Coca Cola wurden auch Nestlé und Chiquita in den USA unter dem Vorwurf verklagt, mit Hilfe paramilitärischer Handlanger gewerkschaftlich organisierte Arbeiter bedroht und ermordet zu haben. Gegen den Großimporteur Chiquita Brands International mit Sitz in Cincinnati wurde 2007 wegen Terrorismus, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Zivilklage eingereicht, wobei sich die Forderung auf 7,86 Milliarden Dollar belief. Die Geschädigten, darunter die Angehörigen von 387 Menschen, die mutmaßlich von den Paramilitärs der AUC umgebracht wurden, warfen Chiquita vor, sich durch seine Zahlungen an diese Organisation der Komplizenschaft in Hunderten Mordfällen schuldig gemacht zu haben.

In einem Deal mit dem US-Justizministerium hatte sich Chiquita im Frühjahr 2007 zur Zahlung einer Strafe in Höhe von 25 Millionen Dollar bereiterklärt. Wie die Konzernleitung einräumte, habe ihre Tochtergesellschaft in Kolumbien zwischen 1997 und 2004 insgesamt 1,7 Millionen Dollar an die Paramilitärs gezahlt. Die Zahlungen an die Todesschwadrone wurden nach einem Treffen mit paramilitärischen Führern 1997 aufgenommen, von der Konzernführung in Cincinnati gebilligt und in den Geschäftsbüchern verschleiert. Bei ihrem Teileingeständnis setzte die Unternehmensleitung vermutlich darauf, daß die kolumbianische Tochtergesellschaft Banadex 2004 verkauft worden war. Als Fallstrick drohte Chiquita jedoch ein Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten aus dem Jahr 2003, in dem davon die Rede war, daß zwei Jahre zuvor auf einem Schiff der kolumbianischen Konzerntochter 3.000 Gewehre und 2,5 Millionen Schuß Munition für die Paramilitärs eingeschmuggelt worden sein sollen.

Nachdem mit Chiquita erstmals ein US-Konzern die Zusammenarbeit mit den Paramilitärs zugegeben hatte, drohten auch anderen multinationalen Unternehmen Konsequenzen, die sich in Kolumbien vergleichbarer Praktiken bedienten. Dies begann in den Tagen der United Fruit Company, die zu den Gründungsmitgliedern von Chiquita Brands International gehört. Dieser Konzern galt jahrzehntelang als Speerspitze US-amerikanischen Einflusses in den Bananenanbaugebieten Kolumbiens wie auch in vielen anderen Regionen Lateinamerikas. So wurden 1928 Tausende streikende United-Fruit-Arbeiter in Kolumbien abgeschlachtet.

Das vorherrschende Schema der internationalen Berichterstattung wirft Paramilitärs und Guerilla letzten Endes in einen Topf, indem man ihnen prozentuale Anteile verübter Bluttaten zuweist und beide zu illegalen Kampforganisationen erklärt, die nicht durch das Gewaltmonopol des Staates legitimiert sind. Diese gezielt eingeschränkte Sichtweise stellt den kolumbianischen Konflikt als längst aller ursprünglichen Anliegen entkleidete Monstrosität dar, in der zwei Kriegsparteien um die Vorherrschaft im Drogenhandel ringen, der allein ihren blutigen Kampf aufrechterhält. Mit dieser Darstellung läßt sich die gesellschaftliche Auseinandersetzung vorzüglich verschleiern und insbesondere die maßgebliche Beteiligung nationaler Eliten und internationaler Kräfte unter den Tisch kehren.

Anmerkungen:

[1] Paramilitärs töteten für US-Firma Drummond. Bergbaukonzern beauftragte in Kolumbien Milizionäre zur Sicherung einer Eisenbahnlinie. Ex-Präsident Uribe missachtet Vorladung zum Prozess (25.12.10)
http://amerika21.de/nachrichten/2010/12/18587/drummond-auc-uribe- kolumbien

28. Dezember 2010