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MILITÄR/836: US-Raketenabwehrsystem in Rumänien ärgert Rußland (SB)


US-Raketenabwehrsystem in Rumänien ärgert Rußland

Die Russische Schwarzmeerflotte bekommt demnächst Konkurrenz


Die am 3. Mai in Bukarest feierlich vorgenommene Unterzeichnung eines Abkommens über die Stationierung von 40 bis 50 US-Abfangraketen vom Typ Standard Missile 3 (kurz SM-3 genannt) auf dem südrumänischen Luftwaffenstützpunkt Deveslu - Kostenpunkt 400 Millionen Dollar - hat in Rußland für große Verärgerung gesorgt. Der selbstherrliche Schritt Washingtons hat zusammen mit der militärischen Intervention der NATO in Libyen zum Zwecke des Sturzes Muammar Gaddhafis, den Drohungen des Westens gegenüber dem "Regime" Baschar Al Assads in Syrien und dem kategorischen Beharren der USA auf den Erhalt mehrerer Stützpunkte im Irak und in Afghanistan - selbst nach einem etwaigen Abzug der meisten amerikanischen Streitkräfte aus dem Zweistromland und vom Hindukusch - Zweifel am "Warmstart" in den bilateralen Beziehungen aufkommen lassen, zu dem sich Barack Obama Anfang 2009 nach der Amtsübernahme als US-Präsident bekannt hatte und der ein Jahr später mit dem Neuen START-Vertrag über die Reduzierung der amerikanischen und russischen Nuklearwaffenarsenale konkrete Form erhielt. In Moskau wächst wieder die Angst davor, unter dem Demokraten Obama strebten die USA genauso wie zuvor unter dem Republikaner George W. Bush die Umzingelung Rußlands vom Süden her an. Mit entsprechenden Gegenmaßnahmen seitens des Kremls ist zu rechnen.

Am 16. Mai war der Ausbau des US-Raketenabwehrsystems in Osteuropa Thema einer Anhörung im Unterhaus des russischen Parlaments in Moskau. Den Duma-Abgeordneten berichtete der Stellvertretende Außenminister Sergej Riabkow von der Weigerung Washingtons, den wiederholten Bitten Moskaus um eine verbindliche Garantie, daß das US-Raketenabwehrsystem niemals benutzt werde, um die russischen Atomstreitkräfte auszuschalten und dem Pentagon eine Erstschlagskapazität zu verschaffen, nachzukommen. Laut Riabkow stellt das System in seiner "aktuellen Konfiguration" keine ernsthafte Bedrohung der nuklearen Abschreckungskapazitäten Rußlands dar. Nichtsdestotrotz gab er folgendes zu bedenken: "Wir können unsere Sicherheit nicht auf Zusicherungen und Versprechungen aufbauen, sondern wir benötigen eine rechtlich bindende Vereinbarung".

Bekanntlich haben die USA letztes Jahr Rußland eine Teilnahme an einem gesamteurasischen Raketenabwehrsystem, das vor ballistischen Raketen aus sogenannten "Schurkenstaaten" wie dem Iran und Nordkorea schützen soll, angeboten, wenngleich Washington die Forderung Moskaus nach einer gemeimsamen Kontrolle ausgeschlagen hat. Bei der Erläuterung dieses Aspektes des Streits erklärte der russische Botschafter bei der NATO, Dmitri Rogozin, vor den Parlamentariern: "Sie haben uns gesagt, daß die NATO ihre Sicherheit nicht Nicht-Mitgliedsstaaten überläßt. Doch wenn dem so ist, warum erstreckt sich die Reichweite ihres Systems bis zum Ural? Wir haben niemanden darum gebeten, unser Territorium zu schützen."

Am Tag vor der Unterzeichnung des Abkommens über die Stationierung von US-Abfangraketen in Deveslu hatte Rumäniens Oberster Rat für Nationale Sicherheit der Nutzung des Fliegerhorsts Mihail Kogalniceanu und des Schwarmeerhafens Konstanta zur Belieferung der amerikanischen Streitkräfte im Nahen Osten und Zentralasien mit Nachschub und Munition zugestimmt. Am 5. Mai landete General Duncan McNabb, Leiter des Transportation Command des US-Verteidigungsministeriums in Bukarest, um den entsprechenden Nutzungsvertrag zu paraphieren. Bei der Führung in Moskau sieht man in beiden Entwicklungen eine akute Bedrohung der traditionellen militärischen Hoheit Rußlands über das Schwarze Meer. Darüber hinaus schmälert das Logistikabkommen der USA mit Rumänien die Bedeutung der Transit-Vereinbarung zwischen Washington und Moskau, die seit 2008 Nachschubtransporte für die NATO-Streitkräfte in Afghanistan über russisches Staatsterritorium ermöglicht.

Als Gegenmaßnahme wird Rußland seine Beziehungen zur Volksrepublik China ausbauen und mit ihr versuchen, die Shanghai Cooperation Organization (SCO) als primäre Regionalinstitution Zentralasiens zu etablieren, um der NATO unter der Führung der USA Einhalt zu gebieten. Von dem bevorstehenden SCO-Gipfel am 15. Juni in der kasachischen Hauptstadt Astana werden entsprechende Signale erwartet. Presseberichten zufolge wird bei diesem Anlaß die SCO dem Antrag Islamabads und Neu-Delhis auf Vollmitgliedschaft Indiens und Pakistans zustimmen und Afghanistan den Beobachterstatus anbieten.

18. Mai 2011