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MILITÄR/859: US-Drohnenpiloten sollen Tapferkeitsorden erhalten (SB)


US-Drohnenpiloten sollen Tapferkeitsorden erhalten

Die Technologie gibt die Marschroute vor - die Menschen folgen



Das US-Militär hat inzwischen mehr als 7.000 unbemannte Flugzeuge, auch Drohnen genannt, in Gebrauch. Seit 2004 wurden in Afghanistan, Libyen, Pakistan, Somalia, im Jemen und Irak rund 3.000 Menschen durch Raketen, die von bewaffneten Drohnen entweder der CIA oder der US-Spezialstreitkräfte abgefeuert worden waren, getötet. Wie viele von den Getöteten in Wirklichkeit "mutmaßliche Terroristen" und wie viele einfache Zivilisten waren, ist unklar. Inzwischen bildet die US-Luftwaffe mehr Piloten für den Einsatz mit Drohnen als mit bemannten Kampfjets aus. Nicht umsonst hat vor kurzem der ehemalige CIA-Mitarbeiter Philip Giraldi, der als Publizist inzwischen zu den schärfsten Kritikern der seines Erachtens überaggressiven Außen- und Sicherheitspolitik der USA gehört, Drohnen als "das neue Werkzeug der amerikanischen Hegemonie" bezeichnet.

Wenngleich die Drohen, die zwischen dem Horn von Afrika und dem Hindukusch zum Einsatz kommen, auf irgendwelchen Basen in der Region stationiert sind, sitzen ihre Piloten doch häufig weit weg - zum Beispiel am Fliegerhorst Creech in der Nähe von Los Vegas, Nevada. Sobald das Fluggerät vom Boden abhebt, übernimmt der weit vom Einsatzort entfernte Pilot per Satellit dessen Kontrolle und führt damit seine Mission durch, die der reinen Aufklärung dient und/oder mit der Auslöschung menschlichen Lebens auf der anderen Seite der Erde endet. In den USA schreitet die Gewöhnung der Menschen an dieser neuen Art der Kriegsführung mit riesigen Schritten voran. In Umfragen liegt die Akzeptanz für den tödlichen Einsatz von Drohnen im Ausland bei 83 Prozent. Das Pentagon will sogar einen neuen Tapferkeitsorden einführen, mit denen Drohnenpiloten ausgezeichnet werden sollen.

Über diese erstaunliche Entwicklung berichtete am 7. Juli Al Kamen auf seinem Blog "In the Loop" bei der Washington Post unter der Überschrift "Drone Pilots to Get Medals?". Demnach hat das Institute of Heraldry der US-Armee bereits sechs Entwürfe der neuen Distinguished Warfare Medal dem Pentagon zur Auswahl vorgelegt. Auch wenn die grundsätzliche Entscheidung, Drohnenpiloten mit Tapferkeitsorden auszuzeichnen, noch nicht gefallen ist, scheint es jedoch nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis es so weit ist. In diesem Zusammenhang verwies Kamen auf einen Artikel, der in der Mai-Juni Ausgabe von Air & Space Power Journal erschienen war und in dem der Autor, US-Luftwaffenmajor Dave Blair, die Gefährdung von Drohnenpiloten mit derjenigen ihrer Kameraden verglichen hatte, die außerhalb der Reichweite der gegnerischen Luftabwehr fliegen. Für Blair besteht "zwischen 10.000 Fuß [Flughöhe] und 10.000 Meilen [Entfernung]" praktisch kein unterschiedliches Risiko.

Auf seinem vielbeachteten Blog "Unclaimed Territory" bei der Onlinezeitung Salon hatte am 10. Juli der US-Verfassungsrechtler Glenn Greenwald für die Argumentation, es gehöre Tapferkeit dazu, per Drohne "Terroristen" über einen Haufen zu schießen, nichts übrig. Erstens setzten sich die Drohnenpiloten keinerlei Gefahr aus, müßten folglich gar keine Tapferkeit abrufen, zweitens nahmen sie ihre Gegner nicht einmal als Menschen wahr, weshalb sie für die Getöteten von Raketenangriffen den verächtlichen Begriff "bug splat" benutzten und sie damit auf eine Stufe mit zerplatzen Fliegen an der Windschutzscheibe eines Autos stellten, so Greenwald.

Auch wenn die Drohnenpiloten im sprachlichen Umgang die Bedeutung ihres Handelns herunterspielen, gibt es inzwischen glaubhafte Berichte, daß einige von ihnen später psychisch darunter leiden. Als im Juni in der New York Times über die wöchentliche Beratungsrunde im Weißen Haus zwecks Erstellung der Liste der per Drohnenangriff zu liquidierenden muslimischen "Terroristen" groß berichtet wurde, hat man die Last, die Präsident Barack Obama und seine engsten Mitarbeiter hierbei zum Wohle der Allgemeinheit auf sich nehmen müßten, ganz besonders hervorgehoben. Der Stellvertretende Nationale Sicherheitsberater John Brennan, dessen besonderes Aufgabenfeld die Terrorbekämpfung ist, wurde quasi zu Obamas "Beichtvater" hochstilisiert, der die schwere Last des Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte mittrage. Bei soviel Heroisierung dieses schmutzigen Geschäfts überrascht es nicht, daß die einfachen Drohnenpiloten ein Stück Blech zur Beruhigung ihres Gewissens erhalten sollen.

14. Juli 2012