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NAHOST/1166: Anschlagsreihe im Irak - Das Werk Saudi-Arabiens? (SB)


Anschlagsreihe im Irak - Das Werk Saudi-Arabiens?

Bush-Amigo Prinz Bandar wird saudischer Geheimdienstchef



Mit einem folgenschweren Paukenschlag hat sich am 23. Juli im Irak das Al-Kaida-"Netzwerk" zurückgemeldet. Am Vormittag kam es in Bagdad, Mossul, Bakuba, Kirkuk und anderen Städten zu insgesamt 40 Bombenanschlägen und Überfällen auf Regierungsgebäude und Militärinstallationen. Der blutigste Tag seit dem Abzug der letzten amerikanischen Kampftruppen Ende 2011 kostete 108 Irakern das Leben, mehr als 260 wurden zum Teil schwer verletzt. Der koordinierten Anschlagsserie war am 21. Juli die Veröffentlichung der ersten Videobotschaft von Abu Bakr Al Bagdadi, der seit 2010 Chef der Al Kaida im Zweistromland ist, im Internet vorausgegangen. Darin kündigte Bagdadi eine "neue Phase" im Kampf der irakischen Sunniten gegen die schiitisch-dominierte Regierung von Premierminister Nuri Al Maliki in Bagdad an, während er gleichzeitig den angeblich baldigen Sieg seiner syrischen Gesinnungsgenossen im Kampf gegen das "Regime" Bashar Al Assads feierte.

Der offen angestrebten Wiederbelebung des irakischen Bürgerkrieges, die ganz offensichtlich im Zusammenhang mit der Destabilisierung Syriens durch die salafistischen Todesschwadrone der NATO, Saudi-Arabiens und Katars und der sich zuspitzenden Konfrontation zwischen dem Iran und den USA im sogenannten "Atomstreit" steht, ging nicht nur die Internetbotschaft Bagdadis, sondern auch eine wichtige politische Umbesetzung in Riad voraus. Sie wurde von den westlichen Medien wenig beachtet. Am 19. Juli ist Prinz Bandar bin Sultan bin Abdul Asis der neue Geheimdienstchef Saudi-Arabiens geworden. Der Königssohn und ehemalige Kampfjetpilot war von 1983 bis 2005 saudischer Botschafter in Washington und gilt als treuester Verbündeter der Amerikaner in Riad. Das Amt des Nationalen Sicherheitsberaters, das er seit 2005 bekleidet, soll er weiterhin ausführen, was ihn zum mächtigsten Mann Saudi-Arabiens nach seinem Halbbruder König Abdullah macht. Es gibt Anlaß zu der Vermutung, daß die jüngste Anschlagsreihe im Irak wenige Tage nach dem Aufstieg Bandars kein Zufall war, sondern eventuell sogar von diesem angeordnet wurde.

Bandar, der bereits in den achtziger Jahren durch die Finanzierung rechtsgerichteter Todesschwadrone in Nicaragua zusammen mit seinen Freunden bei der damaligen US-Regierung Ronald Reagans in den Iran-Contra-Skandal verwickelt war, steht schon lange im Verdacht, heimlicher Förderer, wenn nicht sogar Befehlsgeber von Al Kaida zu sein. In den ersten Stunden nach den Anschlägen vom 11. September 2001, als in den USA noch Flugverbot für zivile Verkehrsmaschinen herrschte, erhielt er von seinem Kumpel George W. Bush grünes Licht für die überstürzte Ausreise von rund 160 reichen Saudis - darunter auch Verwandte des Hauptverdächtigen Osama Bin Laden - die per Sondermaschine die USA verließen und sich damit einer eingehenden Befragung durch das FBI entzogen.

Im November 2001 machte Michael Isikoff in der Zeitschrift Newsweek publik, daß der monatelange Aufenthalt von zwei der mutmaßlichen 9/11-Flugzeugentführer, die beiden Saudis Khalid Al Midhar und Nawaz Al Hazmi, in San Diego mit Geldern von einem Konto von Bandars Frau, Prinzessin Haifa bint Faisal, bei der Riggs Bank in Washington bezahlt worden war. Um diese und andere Ungereimtheiten zu verwischen, wurden in dem Ende 2002 veröffentlichten, gemeinsamen Untersuchungsbericht der Geheimdienstausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat jene 27 Seiten, die sich speziell mit der Rolle Saudi-Arabiens - aus dem 15 der 19 mutmaßlichen 9/11-Hijacker stammten - befaßten, geschwärzt.

Bandar ist auch derjenige, der in den achtziger Jahren im Namen Riads den größten Rüstungsdeal in der Geschichte Großbritanniens einfädelte. Beim sogenannten Al-Yamama-Geschäft bestellten die Saudis für 80 Milliarden Dollar britische Rüstungsgüter, darunter 100 Kampfflugzeuge. Dafür durfte Bandar Bestechungsgelder in Höhe von bis zu zwei Milliarden Dollar einstreichen, die zum Teil auf sein Konto bei der Riggs Bank in Washington eingingen und von dort aus eventuell in die Vorbereitungen der 9/11-Anschläge flossen. Als vor einigen Jahren das Serious Fraud Office, das Betrugsdezernat der britischen Polizei, die Machenschaften in Verbindung mit dem Al-Yamama-Deal aufzuklären versuchte, verfügte der damalige Justizminister Lord Goldsmith im Dezember 2006 eine Einstellung der Korruptionsermittlungen. Premierminister Tony Blair begründete den höchst umstrittenen Eingriff der Exekutive in die Arbeit der Judikative damals mit der Sorge um die "nationale Sicherheit". Kurz zuvor soll Bandar in seiner Position als Nationaler Sicherheitsberater Saudi-Arabiens den Briten vieldeutig mit der Beendigung der Zusammenarbeit Riads bei der "Terrorbekämpfung" gedroht haben.

Der Aufstand schwerbewaffneter Regierungsgegner in Syrien ist auch maßgeblich das Werk Bandars. Wie Seymour Hersh im Februar 2007 in der Zeitschrift New Yorker unter der Überschrift "The Redirection" berichtete, haben Ende 2006 Bandar und der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney bei einem geheimen Treffen in Saudi-Arabien beschlossen, mit Hilfe von sunnitisch-salafistischen Extremisten den wachsenden Einfluß des schiitischen Irans und dessen Alliierten im Nahen Osten zurückzudrängen. Die Entscheidung wird allgemein als Reaktion der US-Neokonservativen und des saudischen Königshauses auf das Erstarken der Schiiten im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 und dem Sieg der Hisb-Allah-Miliz im Libanonkrieg 2006 gegen Israel gewertet. Im Sommer 2007 zeigte besagte "Kursumstellung" in den blutigen Kämpfen um das Hauptquartier der palästinensisch-salafistischen Splittergruppe Fatah Al Islam im nordlibanesischen Tripolis erste Früchte. Auch das gelungene Attentat auf Imad Mugniyah, den legendären Geheimdienstchef der Hisb-Allah-Miliz, im Februar 2008 in Damaskus, soll auf das Konto Bandars gegangen sein.

Als Nationaler Sicherheitsberater dürfte Bandar ebenfalls an der Entscheidung Riads beteiligt gewesen sein, im März 2011 saudische Truppen nach Bahrain zu entsenden, um dort der sunnitischen Königsfamilie Al Khalifah bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit behilflich zu sein. In diesem Zusammenhang war Bandar auch nach Islamabad gereist, wo er offenbar erfolgreich um die Aufstockung der bahrainischen Sicherheitskräfte durch sunnitische Ex-Soldaten aus Pakistan warb. Im Juni desselben Jahres soll er extra nach Jordanien gereist sein, um zusammen mit Vertretern der CIA und des Mossads den Startschuß für die Destabilisierung Syriens zu geben. Seitdem unterstützen Saudi-Arabien und Katar die syrischen Rebellen offen mit Waffen und Unmengen an Geld, ohne daß die "internationale Gemeinschaft" jemals auf die Idee käme, gegen Riad und Doha ein Embargo zu verhängen.

Angesichts all dieser Verwicklungen erscheint ein Zusammenhang zwischen dem Aufstieg Bandars zum saudischen Geheimdienstchef und Nationalen Sicherheitsberater und dem jüngsten Gewaltausbruch im Irak naheliegend. Durch die spektakuläre Mordserie der Al Kaida hat Riad mehr als deutlich eine alte Front im Kampf Saudi-Arabiens gegen den Iran um die Vorherrschaft im Nahen Osten wieder eröffnet. Die Eskalation ist bereits jetzt vorprogrammiert.

23. Juli 2012