Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1237: Israels Luftwaffe fliegt Angriff auf Ziel in Syrien (SB)


Israels Luftwaffe fliegt Angriff auf Ziel in Syrien

Ausländische Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg nimmt zu



Israelische Kampfjets haben in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai Angriffe auf ein Ziel in Syrien geflogen. Dies meldete am 3. Mai die amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press unter Verweis auf nicht namentlich genannte US-Regierungsbeamte in Washington. Bislang hat die israelische Regierung die Richtigkeit der Meldung nicht bestätigt. Auf Anfrage von AP antwortete per E-Mail Aaron Sagui, der Sprecher der israelischen Botschaft in der US-Hauptstadt, lediglich, sein Land sei "entschlossen, den Transfer von Chemiewaffen oder anderen spielverändernden Rüstungsgütern an Terroristen, insbesondere an die Hisb Allah im Libanon, zu verhindern".

Mit der israelischen Intervention hat die Eskalation in Syrien offenbar eine neue Stufe erreicht. Sie kommt nur wenige Tage, nachdem der Hisb-Allah-Chef Hasan Nasrallah die begrenzte Teilnahme von Kämpfern seiner Miliz am syrischen Bürgerkrieg erstmals bestätigt hat. (Angeblich beschützen sie schiitische Dörfer an der Grenze zum Nordlibanon und die den Schiiten heilige Sayyidah-Zainab-Moschee nahe Damaskus.) Darüber hinaus hatte Nasrallah mit recht deutlichen Worten erklärt, die "wahren Freunde Syriens", Rußland, der Iran und die Hisb Allah, würden niemals zulassen, daß die USA, Israel und die "Takfiris" - sunnitische Glaubenskrieger - das säkulare Baath-"Regime" um Syriens Präsident Baschar Al Assad stürzten.

Laut AP-Quellen in Washington soll es sich bei dem angegriffenen Ziel um ein Lagerhaus gehandelt haben, in dem Waffen aus Syrien zum Transport in den Libanon für die Hisb-Allah-Miliz aufbewahrt waren. Ob nun lediglich Raketen oder vielleicht sogar chemische Waffen übergeben werden sollten, ist unbekannt. Die Hisb Allah verfügt bereits über ein großes Raketenarsenal, das sie sich über die Jahre mit Hilfe Syriens und des Irans zulegt hat.

Der israelische Angriff hält jedenfalls die Debatte um Chemiewaffen in Syrien, deren Einsatz gegen die Zivilbevölkerung für US-Präsident Obama nach eigenen Angaben ein Interventionsgrund wäre, am Leben. Am 19. März ist es im Raum Aleppo, nahe der Grenze zur Türkei, zum Einsatz von Chemiewaffen gekommen. Die Israelis behaupten, die syrischen Streitkräfte hätten ein Dorf, in dem sich die Rebellen verschanzt hatten, mit sarinhaltiger Munition beschossen. Die Regierung in Damaskus bestreitet dies vehement und behauptet ihrerseits, die Aufständischen hätten chlorgashaltige Granaten eingesetzt, um den Giftgaseinsatz den regulären Streitkräften in die Schuhe zu schieben und eine Militärintervention des Westens zu provozieren.

Weil bislang die westlichen Geheimdienste mit Sicherheit nicht sagen können, welcher Kampfstoff hier und von wem verwendet wurde, sieht Obama seine "rote Linie" bislang nicht überschritten. Er steht jedoch seitens der Kriegsfalken in Washington, angeführt von den beiden republikanischen Senatoren John McCain und Lindsey Graham, unter massivem Druck, den syrischen Rebellen, die ihrerseits in den letzten Tagen empfindliche Verluste, allen voran um die strategisch wichtige Stadt Homs, zu beklagen haben, unter die Arme zu greifen, und sei es durch Luftangriffe auf die reguläre syrische Armee.

Am 1. Mai meldete die New York Times, die US-Regierung erwäge, die Aufständischen in Syrien selbst mit Waffen zu beliefern, statt dies wie bisher den Verbündeten Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und der Türkei zu überlassen. Bei einer Pressekonferenz am 2. Mai im Pentagon hat US-Verteidigungsminister Chuck Hagel im Beisein seines britischen Amtskollegen Philip Hammond bestätigt, daß die direkte Waffenhilfe für die militante Opposition in Syrien eine der Optionen sei, die in Washington und London aktuell diskutiert werden.

Gegen die Aufrüstung der Rebellen spricht aus Sicht der NATO die Tatsache, daß bei ihnen inzwischen die salafistischen Kräfte, allen voran die Al-Nusra-Front, den Ton angeben. Auf die Vorstellung, daß nach einem Sturz Assads die sunnitische Moslembruderschaft in Syrien ein islamisches Kalifat ausrufen könnte, ist man in westlichen Diplomaten- und Militärkreisen nicht erpicht. Doch noch weniger ist man gewillt hinzunehmen, daß der angestrebte "Regimewechsel" in Damaskus nicht gelingt. Dafür haben vor allem die USA und Saudi-Arabien seit 2007 zu viel Zeit und Energie in die Destabilisierung Syriens investiert. Gegen Luftangriffe der NATO auf die syrischen Streitkräfte sprach bisher deren angeblich sehr leistungsstarkes Luftabwehrsystem. Durch den jüngsten Vorstoß der israelischen Luftwaffe in den syrischen Luftraum - nach gelungenen Angriffen 2007 auf einen im Bau befindlichen Atomreaktor und im vergangenen Januar auf einen Waffenkonvoi Richtung Libanon - hat dieses Argument an Stichhaltigkeit verloren.

4. Mai 2013