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NAHOST/1409: Riads mörderischer Krieg im Jemen findet kein Ende (SB)


Riads mörderischer Krieg im Jemen findet kein Ende

Saudi-Arabien will eine Marionettenregierung in Sanaa installieren


Während alle Welt auf die Beratungen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Rande der UN-Generalversammlung in New York blickt und sich davon eine Perspektive für ein Ende des Blutvergießens in Syrien und im Irak erhofft, geht der mörderische Krieg Saudi-Arabiens im Nachbarland Jemen mit unverminderter Härte weiter. Mit pausenlosen Luftangriffen hat die von Riad angeführte Kriegskoalition, die den ehemaligen Interimspräsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi wieder an die Macht verhelfen und die schiitischen Huthi-Rebellen und ihre Verbündeten in ihre Schranken weisen will, seit Ende März Tausende Zivilisten getötet sowie zahlreiche Schulen, Krankenhäuser, Fabriken und Wohnviertel zerstört. Inzwischen sind 80 Prozent der 20 Millionen Einwohner des Jemens auf dringende humanitäre Hilfe angewiesen. Die durch Bomben und Raketen aus westlicher Produktion angerichteten Schäden an der jemenitischen Zivilinfrastruktur sind so verheerend, daß der Präsident des internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), Peter Maurer, nach einem Besuch im Kriegsgebiet Ende August gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press schockierend feststellten mußte, daß es im Jemen bereits nach fünf Monaten so aussehe, wie in Syrien nach fünf Jahren.

Inzwischen haben die Anhänger Hadis und die südlichen Separatisten mit Unterstützung von Bodentruppen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten - und, nicht zu vergessen, mit der tatkräftigen Hilfe sunnitischer Fundamentalisten von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) - weite Teile der Südküste des Jemens einschließlich der strategisch wichtigen Hafenstadt Aden unter ihrer Kontrolle gebracht. Vor wenigen Tagen ist Hadi nach Jemen zurückgekehrt und hat Aden zur provisorischen Hauptstadt erklärt. Mit einer baldigen Verdrängung der Huthis aus der eigentlichen Hauptstadt Sanaa ist jedoch nicht zu rechnen. Derzeit toben heftige Bodenkämpfe in der Mitte des Landes, vor allem in Gouvernement Marib, während es im Norden des Jemen, im Stammland der Huthis, speziell an der Grenze zu Saudi-Arabien, immer wieder zu Feuergefechten und Scharmützeln kommt. Die Huthi-Rebellen, die ihre Bewegung selbst Ansarullah nennen, wagen auch den einen oder anderen Vorstoß nach Saudi-Arabien hinein. Am 14. September wurde zum Beispiel von der arabisch-sprachigen iranischen Nachrichtenagentur Al-Alam gemeldet, die Huthis hätten vorübergehend den Stützpunkt Faridhah in der südwestlichen saudischen Provinz Dschazan erobert, Soldaten getötet und Militärfahrzeuge zerstört.

Der ungebrochene Widerstand der Huthis und die nicht geringen Verluste, welche die saudischen Bodenkräfte im Jemen erleiden, haben hinter den Kulissen in Riad eine heftige Diskussion über den Sinn und Zweck der Militärintervention ausgelöst. Medienberichten zufolge geht am Hof ein Brief herum, der angeblich von einem Enkel von Saudi-Arabiens Gründer König Abd Al-Asis Ibn Saud verfaßt wurde und in dem vor einem Kollaps des Königreichs infolge fallender Ölpreise, interner Instabilität und Abenteuertum im Ausland gewarnt wird. Zur Bewältigung der sich angeblich abzeichnenden Krise wird im Brief empfohlen, König Salman abzusetzten und seinen Sohn Prinz Mohammad - letzterer führt derzeit die Anti-Huthi-Koalition als Oberbefehlshaber an - zu entmachten. Der 79jährige Salman hatte nach dem Tod seines Halbruders König Abdullah und seiner Ernennung zu dessen Nachfolger im Januar den nur 29 Jahre alten Mohammad als Verteidigungsminister eingesetzt. Um seine Macht zu festigen zettelte dieser zwei Monate später den Krieg im Jemen an.

Obwohl der Kriegskurs von Salman und Mohammad im Jemen offenbar einem Teil der saudischen Monarchie Unbehagen bereitet, ist auffällig, daß es daran seitens der USA bisher keine Kritik gab. Das Gegenteil ist der Fall. Als König Salman Anfang September zum Staatsbesuch in Washington war, wurden ihm vom Gastgeber Obama neue Waffen im Wert von einer Milliarde Dollar in Aussicht gestellt. Bei dem Rüstungspaket handelt es sich in erster Linie um eine Aufstockung der saudischen Raketenbestände und damit um einen nicht unwichtigen Beitrag zur Fortsetzung des Luftbombardements im Jemen.

In einem Artikel, der am 23. September bei Counterpunch erschienen ist, hat die Anthropologin und Jemen-Expertin Martha Mundy die Bedeutung einer Rede hervorgehoben, die der saudische General a. D. Anwar Eshki im Beisein von Dore Gold, dem außenpolitischen Berater des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, Anfang Juni am altehrwürdigen Council on Foreign Relations (CFR) in New York hielt. Demnach ist der Überfall auf Jemen nur Teil einer umfassenderen Strategie Riads, bei der es darum geht, Saudi-Arabiens Einfluß rund um das Horn von Afrika auszubauen und zu festigen. Zu dem von Eshki erläuterten Sieben-Punkte-Plan Riads gehören unter anderem die dauerhafte Einsetzung einer Marionetten-Regierung in Sanaa, ein Friedensvertrag zwischen den arabischen Staaten und Israel sowie eine "Veränderung des politischen Systems im Iran" - will heißen einen "Regimewechsel" in Teheran.

29. September 2015


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