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NAHOST/1529: Neuregelung der Thronfolge in Riad kündigt Unheil an (SB)


Neuregelung der Thronfolge in Riad kündigt Unheil an

Draufgänger Mohammed Bin Salman soll König Saudi-Arabiens werden


Mit der plötzlichen Ernennung seines 31jährigen Sohns Mohammed zum Thronfolger bei zeitgleicher Entlassung des bisherigen Amtsinhabers, des 58jährigen, politisch höchst erfahrenen Innenministers Mohammed Bin Nayef, hat Saudi-Arabiens König Salman am 21. Juni für ein politisches Erdbeben im Nahen Osten gesorgt. Der 82jährige Salman gilt als gebrechlich und dürfte seinem Land nicht mehr allzulange als Monarch dienen. Dafür soll der junge Mohammed Saudi-Arabien modernisieren und es für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wappnen. Leider dürften die in den neuen Kronprinzen gesetzten Hoffnungen, die saudische Wirtschaft und Gesellschaft zu reformieren, nicht aufgehen. Vom Verhalten und Charakter her weist Mohammed alle Zeichen eines Hasardeurs auf, der alles besser als seine Berater zu wissen meint. Bereits jetzt ist der künftige König Saudi-Arabiens dabei, die Nahost-Region in ein ähnliches Chaos zu stürzen, wie es 1914 der geltungssüchtige Kaiser Wilhelm II. mit dem Deutschen Reich und Europa getan hat.

Als Salman nach dem Tod seines Halbbruders Abdullah im Januar 2015 König wurde und Mohammed zum neuen Verteidigungsminister ernannte, dauerte es nur wenige Wochen, bis der neue Stellvertretende Kronprinz einen Krieg angezettelt hatte - nämlich im Jemen unter dem Vorwand iranischer Umtriebe dort. Zwei Jahre und mehr als 10.000 Tote später steckt die Interventionstruppe der Saudis und ihrer sunnitischen Verbündeten im Jemen fest und schafft es nicht, die schiitischen Huthi-Rebellen zu besiegen. Dafür haben sie mittels Luftangriffe weite Teile der jemenitischen Infrastruktur zerstört, zahlreiche Zivilisten umgebracht und Millionen von Menschen in eine schwere Hungersnot gebracht. Ursprünglich wollten die Saudis und ihre Verbündeten, allen voran die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), den 2014 von den Huthis verjagten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder zur Macht verhelfen. Jüngsten Medienberichten zufolge ist man in Riad jedoch des ausländischen Dauergastes überdrüssig und will auf den 2015 von Hadi als Premierminister entlassenen Khalad Bahah setzen, der angeblich mit den Emiratern besser kann.

Noch im Mai hatte Mohammed in einem Fernsehinterview, das im ganzen Nahen Osten für Aufsehen gesorgt hatte, einem Ende der Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eine kategorische Absage erteilt. Er warf der schiitischen Geistlichkeit in Teheran vor, nach der Weltherrschaft zu streben und stellte fest, Riad und seine Partner müßten "den Krieg" in den Iran tragen, statt lediglich auf die Interventionen der Iraner im Irak und Syrien zu reagieren. Am 7. Juni, nur wenige Wochen nach Aussprache dieser Drohung, kam es in Teheran zum spektakulären Doppelanschlag auf das iranische Parlament und das Mausoleum, in dem sich das Grab des Gründers der Islamischen Republik, Großajatollah Ruhollah Khomeini, befindet. Bei der Aktion starben 23 Menschen, darunter fünf Tatbeteiligte. Zu dem Anschlag bekannte sich die sunnitische "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS). Die Regierung Irans machte ihrerseits Saudi-Arabien für die Greueltat verantwortlich. Zur Vergeltung haben die iranischen Revolutionsgarden am 18. Juni vom eigenen Territorium aus einen Stützpunkt des IS im Osten Syriens mit sechs ballistischen Raketen angegriffen - was mit Sicherheit auch als Warnung an die Adresse Riads, Washingtons und Tel Avivs gedacht gewesen ist.

Die Saudis und die Emirater haben eine weitere Krisenfront im Nahen Osten eröffnet, als sie am 4. Juni gegen Katar eine diplomatische und wirtschaftliche Blockade verhängt haben. Riad und Abu Dhabi werfen Doha vor, den "Terrorismus" zu unterstützen, nur weil Katar mehrere Exilpolitiker der palästinensischen Hamas-Bewegung Aufenthalt gewährt, den Nachrichtensender Al Jazeera finanziert und gelegentlich Vertreter der afghanischen Taliban zu Gesprächen empfängt - letzteres in Absprache mit den USA wohlgemerkt. Die Vorwürfe sind natürlich an den Haaren herbeigezogen. Katars militärische und finanzielle Unterstützung für die islamfundamentalistischen Rebellengruppen in Syrien ist minimal verglichen mit derjenigen Saudi-Arabiens. Riad stört vor allem, daß Doha nach wie vor in der Moslembruderschaft eine wichtige reformfähige, politische Kraft der islamischen Welt sieht und daß Al Jazeera ununterbrochen kritisch über die brutale Diktatur berichtet, welche 2013 die Militärs in Ägypten mit Hilfe Saudi- Arabiens und der VAE errichtet haben.

Seit 2011 sind die absolutistischen Herrscherhäuser in Riad und Abu Dhabi bestrebt, den demokratischen Aufbruch in der arabischen Welt in sein Gegenteil zu verkehren, sei es in Bahrain, Ägypten, im Jemen und nicht zuletzt in Libyen durch die waffentechnologische Unterstützung von "Feldmarschall" Khalifah Hifter. Mitten bei einem Treffen von König Salman und Barack Obama 2015 in der Türkei soll Mohammed, kaum im Amt als Verteidigungsminister, aufgestanden sein und dem US-Präsidenten einen Vortrag gehalten haben, was Washington alles im Nahen Osten angeblich falsch mache. Ähnlich Israel läuft Saudi-Arabien gegen das Abkommen Sturm, das die Obama-Regierung, die übrigen vier UN-Vetomächte und Deutschland 2015 mit Teheran zur Beilegung des Streits um das iranische Atomprogramm beschlossen haben. Nach dem überraschenden Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentenwahl im vergangenen November haben die Saudis Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um den New Yorker Baulöwen, dessen außenpolitischer Horizont begrenzt ist, um es milde auszudrücken, auf ihre Seite zu ziehen.

Beim Werben um die Gunst des Führers der "freien Welt" waren die Saudis extrem erfolgreich. Als Ziel für seinen ersten Auslandsbesuch als US-Präsident hat Trump nicht traditionell Kanada oder Mexiko, sondern Saudi-Arabien ausgesucht. Vor den versammelten Staatschefs der arabischen Welt Mitte Mai in Riad hat der ehemalige Reality-TV-Moderator den Iran als "Hauptsponsor" des internationalen Terrorismus gegeißelt. Anschließend hat er mit König Salman Rüstungsdeals in Höhe von 100 Milliarden Dollar auf den Weg gebracht. Jene Waffen werden die laufenden Kriege in Syrien und im Jemen speisen bzw. bei einem eventuellen Showdown zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zum Einsatz kommen. Wie man aus einem erhellenden Bericht der New York Times vom 22. Juni - "Trump's Preferred Candidate Wins Again, This Time in Saudi Arabia" - entnehmen kann, war der Staatsbesuch des neuen US-Präsidenten in Saudi-Arabien von Prinz Mohammed und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner minutiös geplant und bis ins letzte Detail, Stichwort Schwerttanz, choreographiert worden. Offenbar schicken sich Mohammed und Kushner, der selbst nur 36 Jahre alt ist, an, die Verhältnisse im Nahen Osten grundlegend zu verändern.

Als Sonderbeauftragter des Weißen Hauses für den Nahen Osten will der zionistische Ehemann von Trump-Tochter Ivanka und persönliche Freund von Benjamin Netanjahu für einen "Frieden" zwischen Israelis und Palästinensern sorgen, bei dem letztere mit Abstand die meisten Zugeständnisse machen. Um die palästinensische Führung in Ramallah zum Einlenken zu zwingen, soll diese von den arabischen Staaten unter enormen Druck gesetzt werden. Deswegen ist das Thema Hamas zum Streitpunkt zwischen Saudi-Arabien und Katar geworden. Berichten zufolge fungiert Kushner inzwischen quasi als Vermittlungsstelle zwischen Israel und Saudi-Arabien. Um seinen Aufstieg zum Kronprinzen und später zum König geschmeidiger zu machen, soll Mohammed den Amerikanern die erstmalige Anerkennung Israels durch Saudi-Arabien zugesprochen haben.

Doch die steile Karriere Mohammeds läßt großes Unheil befürchten. Den von ihm unter dem Titel "Vision 2030" angestoßenen Umbau der saudischen Wirtschaft weg von der Abhängigkeit vom Ölgeschäft hin zur Dienstleistungsindustrie gibt es bisher lediglich in bunten Broschüren und Videoanimationen. Seine Bemühungen um eine Lockerung der Sittengesetze - etwa die Eröffnung von Kinos oder die Fahrerlaubnis für Frauen - dürften den fundamentalistischen Klerus auf den Plan rufen. Katar weigert sich im Streit mit Saudi-Arabien klein beizugeben, hat sich erfolgreich um militärischen Beistand an die Türkei gewandt und sogar erste Lebensmittelimporte aus dem Iran eingeführt. In Syrien sind die Truppen Baschar Al Assads auf dem Vormarsch und die Dschihadisten auf dem Rückzug. Und wie bereits erwähnt, haben sich Mohammeds Soldaten im Jemen bis auf die Knochen blamiert. Vor diesem Hintergrund würde es nicht überraschen, wenn Mohammed den Streit mit dem Iran weiter eskalieren läßt und einen Krieg provoziert. Schließlich wäre nichts besser geeignet als ein Waffengang am Persischen Golf, um für einen Anstieg der Ölpreise zu sorgen.

23. Juni 2017


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