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NAHOST/1548: Mehr als 600.000 Cholera-Fälle im Jemen gemeldet (SB)


Mehr als 600.000 Cholera-Fälle im Jemen gemeldet

Saudi-Arabien begeht Völkermord im Nachbarland Jemen


Fast unbemerkt von der westlichen Öffentlichkeit spielt sich im Jemen aktuell eine humanitäre Katastrophe biblischen Ausmaßes ab. Infolge der zweieinhalb Jahre andauernden Militärintervention einer von Saudi-Arabien angeführten Allianz sunnitischer Staaten sind im Jemen mindestens 14.000 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen - die Hälfte von ihnen Zivilisten. Von den 28 Millionen Bewohnern des Armenhauses Arabiens sind mindestens zwei Millionen auf der Flucht, während 7,3 Millionen unter Mangelernährung leiden und akut vom Hungertod bedroht sind. Hinzu kommt die schlimmste Cholera-Epidemie, die jemals statistisch erfaßt wurde. Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen sind seit Ausbruch der Epidemie im Frühjahr inzwischen mehr als 600.000 Jemeniten an Cholera erkrankt. Bislang sind 2000 von ihnen daran gestorben.

Die Hauptverantwortung für die schreckliche Lage im Jemen liegt eindeutig bei den Saudis und ihren Verbündeten, allen voran die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die mit ihrer Militäraggression den ihnen wohlgesonnenen Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi, der Ende 2014 von schiitischen Huthi-Rebellen gestürzt worden war, wieder zur Macht verhelfen wollen. Dies geht aus einem Bericht der Vereinten Nationen hervor, der am 5. September veröffentlicht wurde. Dazu hieß es am darauffolgenden Tag bei der Onlinezeitung Middle East Eye:

Dem Bericht geht eine Studie voraus, welche eine Gruppe Wissenschaftler von der Londoner Queen Mary University im vergangenem Monat veröffentlicht hat und aus der hervorgeht, daß die Blockade und die Luftangriffe der saudi-geführten Koalition die Versorgung in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten unterbrochen und somit die Mehrheit der Todesfälle in Verbindung mit der Cholera-Epidemie verursacht haben. In der Studie wurde festgehalten, daß acht von zehn tödlichen Cholera-Erkrankungen in Regionen vorkamen, die von den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen ... gehalten werden.

'Die Luftangriffe der saudi-geführten Allianz haben kritische Infrastruktur zerstört, zivile Gebiete getroffen und Menschen in unhygienische und überfüllte Bedingungen zusammengedrängt', schrieben die Autoren der Studie, Jonathan Kennedy, Andrew Harmer und David McCoy.

Zusätzlich dazu würden Märkte, Krankenhäuser, Wohnviertel und andere öffentliche und private Infrastruktur immer wieder zum Ziel der Luftangriffe; im vergangenen Jahr wurde sogar eine Trauerfeier bombardiert, heißt es im UN-Bericht.

Bereits am 4. September hatte David Beasley, der Leiter des Welternährungsprogramms, bei einem Besuch in den von Dürre heimgesuchten Gebieten Äthiopiens im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters Saudi-Arabien in einer für einen UN-Beamten ungewöhnlich scharfen Form kritisiert. In Zusammenhang mit der desaströsen Versorgungslage im Jemen machte Beasley auf das Flugverbot, das die Saudis über den internationalen Flughafen der Hauptstadt Sanaa verhängt haben, sowie auf die Luftangriffe aufmerksam, mittels derer vor einigen Monaten alle fünf Kräne am Hafen der Stadt Hudeida am Roten Meer, über den bis vor kurzem der von den Huthis kontrollierte Nordwesten des Jemens 80 Prozent seiner Lebensmittelimporte erhielt, zerstört wurden. Der WFP-Vertreter tat die 66 Millionen Dollar, die der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman - bekanntlich der Hauptinitiator des Jemenkriegs - noch im Juni UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Zwecke der Bekämpfung der Cholera-Epidemie gespendet hatte, als Augenwischerei ab. "Saudi-Arabien sollte die Kosten der Bewältigung der humanitären Krise im Jemen zu 100 Prozent übernehmen. Entweder sie stoppen den Krieg oder sie finanzieren die Krisenbewältigung. Die dritte und beste Option wäre, beides zu machen", so Beasley.

Allen Meldungen der letzten Wochen über erste vorsichtige Bemühungen Riads, den kostspieligen und militärisch wenig ruhmreichen Einsatz im Jemen durch irgendeine Verständigung mit den Huthis und deren wichtigsten Verbündeten, Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh, zu beenden zum Trotz nimmt der Krieg im Jemen an Heftigkeit zu, anstatt abzuflauen. Hatte die saudische Luftwaffe 2016 3936 Bomben- und Raketenangriffe auf Ziele im Jemen durchgeführt, so waren es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits 5767. Vom Munitionsverbrauch der Saudis profitieren deren Hauptrüstungslieferanten USA und Großbritannien. Amerikanische und britische Militärdienstleister warten die saudischen Kampfjets, während reguläre Verbindungsoffiziere aus beiden Ländern mit Aufklärung und Luftbetankung direkt am Kriegsgeschehen vor Ort beteiligt sind. Nach Angaben des Guardian-Kolumnisten Jonathan Freedland haben britische Produzenten allein im ersten Jahr des Jemenkriegs Waffen und Munition im Wert von 3,3 Milliarden Pfund an das saudische Königshaus verkauft.

9. September 2017


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